Den ehemaligen Schnäppchenmarkt von Neckermann in Fechenheim bespielen derzeit die Bildhauerin Gabriele von Lutzau und der Maler Heinz Moldt mit ihren Werken. Am heutigen Donnerstagabend findet die Vernissage statt.
Nicole Brevoord /
Es ist eine kleine Reise bis nach Fechenheim, aber die lohnt sich, wenn man eine beeindruckende Ausstellung sehen will, die durch die Werke zweier ganz unterschiedlicher Künstler besticht. Schon vor der Vernissage heute Abend haben wir die Bildhauerin Gabriele von Lutzau und den Maler Heinz Moldt in den nun leerstehenden Räumen des ehemaligen Schnäppchenmarktes von Neckermann in der Adam-Opel-Straße besucht.
Wir betreten einen riesigen Raum, dessen Säulen den Blick bis zur Rückwand verstellen, immer wieder entdeckt man so etwas Neues. „3000 Quadratmeter. Welcher Künstler hat so eine Ausstellungsfläche ohne Galeristen?“, sagt Heinz Moldt, der seine Begeisterung nicht verbergen kann. Eben noch hat er in einem Nebenraum an einem weiteren seiner großformatigen Bilder gearbeitet. Abstrakte Kunst zeigt er an den Wänden, ein Rausch der Farben. Im Raum selbst hat Gabriele von Lutzau ihre mit der Kettensäge in Form gebrachten hölzernen und bronzenen Skulpturen auf weißen Stelen ausgestellt. Wie schön die Werke der beiden harmonieren, sieht man an den Prachtstücken der Künstler: Moldts Gemälde Pegasus und die Seelenvögel, die von Lutzau in Bronze gegossen hat und die an den Anschlag auf der norwegischen Insel Utøya erinnern soll. Insgesamt 77 dieser Skulpturen erschuf die 60-jährige Künstlerin, für jeden Toten eine. Ergreifend, dekorativ und besonders kostbar sind beide Werke, die beide Künstler am liebsten im Museum sehen würden.
Eine besondere Tiefe erkennt man in den Holzskulpturen von Gabriele von Lutzau. Oft sind es Vögel, gefiederte Wächterfiguren oder auch Schwingen, die sie erschafft – allesamt versinnbildlichen sie Freiheit. Ein hohes Gut, vor allem und insbesondere für Gabriele von Lutzau. Als 23-jährige Frau verlieh die Boulevardpresse ihr den Namen „Engel von Mogadischu“. Damals arbeitete sie als Stewardess bei der Lufthansa bis sie im Deutschen Herbst 1977 Opfer der Entführung der Landshut-Maschine wurde. Ein fünftägiger Irrflug, bei dem die Passagiere und die Besatzung unter unmenschlichen Bedingungen als Geiseln fungierten und der Kapitän sinnlos erschossen wurde. Gabriele von Lutzau war damals die jüngste Flugbegleiterin an Bord, sie hatte den Tod permanent vor Augen und bewies Tapferkeit und Nervenstärke im Umgang mit den Terroristen und Stärke in der Art, wie sie sich um die Passagiere sorgte. Die GSG9 beendete das Drama. Von Lutzau wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Wenn sie über die ihr zuteil gewordene Ehre spricht, scheint es ihr fast peinlich zu sein.
Doch so schwerwiegend ein derartiges Erlebnis auch ist, es setzt auch künstlerische Energie frei. So erwächst zumindest etwas Gutes aus dem Bösen. Als der terroristische Amoklauf in Utoya passierte, war von Lutzau erschüttert. „Den Gedanken an all die toten Kinder und Jugendlichen, den habe ich kaum ausgehalten.“ Das Resultat ihrer Arbeit berührt die Betrachter, manche haben Tränen in den Augen, sagt die Wahlfrankfurterin. „Diese Wirkung nach außen hat mich umgehauen, ich habe die Skulpturen ja nicht für einen Effekt gemacht“, sagt von Lutzau. Ein Prachtstück unter den mehr als 50 Exponaten der Bildhauerin ist die Skulptur „Isadora Duncan“, die mit ihren geschwungenen Riffelungen an den Faltenwurf beim Schleiertanz erinnert. 1 000 bis 60 000 Euro kosten die Skulpturen, je nach dem, ob sie aus Holz sind oder aus Bronze.
Vielleicht aber verliebt man sich auch in die Bilder von Heinz Moldt. Etwa in „Tiefe“, ein Traum in verschiedenen Blauschattierungen, intensiv wie die Farbe von Yves Klein und wundersam beruhigend. Für 300 bis 50 000 Euro ist ein echter Moldt erhältlich. Als wir mit dem 63-Jährigen sprechen, der sich als Illustrator selbstständig gemacht hat und heute von seiner Kunst leben kann, steht er umringt von Kunststoffgefäßen mit Pigmenten, Pinseln, Schwämmen und Tüchern – seinem Werkzeug also – in einem Nebenraum. „Fertig wird nichts. Das ist ein reines Zulassen. Man muss den richtigen Zeitpunkt finden aufzuhören“, sagt Moldt über sein letztes Werk. Er trage verschiedene Farbschichten auf, die immer wieder durchscheinen. „Am Anfang steht ein bisschen Angst und ich muss einfach anfangen und etwas machen, um diese Angst zu bekämpfen.“ Und dann entstehen angestoßen von gefühlsbetonten Momenten Bilder wie Pegasus, an dem Moldt, wie er sagt, 30 Stunden ohne Pause gearbeitet hat. Und tatsächlich lässt das Werk keinen Betrachter kalt. „Ich will den Betrachter nicht erschrecken, die Bilder sollen nicht kompliziert sein. Das ist ein Hingabeprozess“, sagt Heinz Moldt. Wie so ein Hingabeprozess aussieht, kann man noch bis zum 10. Oktober, immer donnerstags und nach Vereinbarung sehen.
>>KunsTräume III: Augenblick in Zeit und Raum. Vernissage: 18.9., 19 Uhr, Adam-Opel-Straße 16–18, weitere Öffnungszeiten ab 25.9.: Donnerstags 14–18 Uhr, u.n.V.
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig