In der Komödie „Welcome to Karastan“ ist der Frankfurter Schauspieler Richard Van Weyden als Präsident Abashiliev aktuell im Kino zu sehen.
Detlef Kinsler /
Man ist geneigt, Richard Van Weyden mit „Eure Exzellenz“ anzusprechen. So eindrucksvoll spielt der Frankfurter Schauspieler die Rolle des Präsidenten einer fiktiven Kaukasus-Republik in seinem neuen Film „Welcome to Karastan“. In der schwarzen Komödie des britischen Regisseurs Ben Hopkins wittert Abashiliev, der aussieht wie Hamid Karzai mit russischer Pelzmüze auf dem Kopf, die Chance, den abgehalfterten britischen Filmemacher Emil Forester, der zu einem Filmfestival nach Karastan kam, für einen „Imagefilm“ seiner „Republik“ einzuspannen. Mit unwiderstehlichem „Widersprechen Sie mir nicht. Menschen, die widersprechen, werden hier erschossen“-Charme, dem Versprechen eines No Limit-Budgets und der verführerischen MyAnna Buring (die Tanya in „The Twilight Saga“) als „Betreuerin“ an seiner Seite stürzt sich der von Matthew MacFadyen („Die drei Musketiere“) gespielte Forester in das Abenteuer „Heldenepos“. Alles gesteuert vom immer präsenten Despoten Abashiliev.
Was müssen das für Typen sein, die Van Weyden gerne spielt? „Sie sollen was zu erzählen haben. Sie müssen interessant sein. Man muss sich an ihnen reiben können. Sie müssen ein bisschen Tiefgang haben. Und immer auch etwas Menschliches“, spricht er mit tiefem Bass, leise, aber mit viel Präsenz „Meine Rolle in ,Karastan’ ist ja ein absolut korruptes Schwein. Abashiliev schert es überhaupt nicht, wie es seinem Land, seinem Volk geht. Du kannst ihn nur mit so einem Schurkengesicht spielen oder du gibst ihm etwas Sympathisches. Man mag ihn ja fast am Schluss.“ Das war für Van Weyden eine „tolle Herausforderung“. Anders als früher oft fiese Gestalten und Nazis spielen zu müssen, die Deutschen dumm und dämlich darzustellen. „Davon muss man sich distanzieren.“ Umso erfreulicher wenn dann Angebote wie „Welcome to Karastan“ kommen, die wunderbar in eine Filmografie mit „Schlussmacher“, „Borgia“ und „Die Päpstin“ (hier war er der Kirchenmann Eusthasius) passen. „Du sitzt zuhause in Bornheim in deiner Bude und kriegst auf einmal von deiner Agentur in Berlin eine Mail: Hier hast Du das Drehbuch, Du musst innerhalb von zwei Tagen ein E-Casting an den Regisseur schicken“, erzählt Van Weyden. Das Script hatte Hopkins zusammen mit Pawel Pawlowski geschrieben. „Der hat ja gerade einen Oscar bekommen für ,Ida’. Dass das Buch gut war, hat man sofort gesehen. Man musste lachen und es war trotzdem sehr subtil, alles richtig tolln ausgearbeitet. So was kriegst du nicht oft in die Hand.“ Also spielte er die Szenen zuhause im Wohnzimmer durch, nahm sie mit dem iPad auf und Der Rest ist Geschichte.
Gedreht wurde in Georgien. Selbst der reale Dreh hatte wie der fiktive im Film einiges an Merkwürdigkeiten zu bieten. Willkommen in Absurdistan. Arbeiten in den Bergen bei bis zu minus 20 Grad. Trostlose, ausgeblutete Städte nach dem Abzug der Russen. Schlaglöcher in den Straßen, die PKW verschlingen können. Und ein Chinese auf der Suche nach einem Restaurant, wo es nicht nur bergeweise Fleisch zu essen gab. „Plötzlich sah ich, dass das Personal als Chinesen verkleidete Georgier waren.“ Van Weyden bestellte, beider Sprachen nicht mächtig, sein Gericht per Bild in der Speisekarte. „Das war sehr skurril.“ Denn bei einem zweiten Besuch deutete er auf ein anderes Essen und bekam dasselbe Gericht. „Die Leute in Georgien sind aber supernett. Wir haben so toll gefeiert dort.“ Nach einem weiteren, abgedrehten Film mit dem großartigen Robert Hunger-Bühler und neben Leslie Malton in Prag („Borcherts Fall“ kommt im Juli im TV) schlüpft Van Weyden gerade in die Rolle seines Lebens. Der 1966 Geborene ist gerade Vater geworden. Seine Frau, die sizilianische Sängerin und Songschreiberin Dea Lapi, hat Zwillinge geboren. Da muss man dann drauf achten, dass mehr als nur die Miete reinkommt. In den wilden Tagen in der freien Theaterszene ließ sich leicht postulieren: Kommerz, nein danke. Wir machen Kunst! „Wenn ganz wenig Leute kamen, fanden wir das noch großartig. Wir haben zu sechst Macbeth gespielt, gingen den Leuten 4 ½ Stunden auf den Nerv.“ Eine wunderbare Zeit, klar. Aber so ließe sich heute nicht überleben. Längst hat sich Van Weyden ein zweites Standbein geschaffen. Als Synchron- und Werbesprecher.
Und so hört man seine sonore Stimme im aktuellen Jever Spot Bier anpreisen. In der deutschen Version des Millionenseller-Computer-Games „Uncharted“ ist er Stimme des Schatzjägers Victor „Sully“ Sullivan. Wo man ihn aber auch – nach Gastrollen in „Alarm für Cobra 11“ und „Ein Bulle auf Mallorca“ (wo er sich als Gangster spektakulär abfackelte) bisher – bald im „Taunuskrimi“ neben Felicias Woll sehen wird. Als Chef der Spurensicherung. Und zum Spaß gibt er dann auch mal den Conférencier im Video des befreundeten Musikers Gastone. In ferner Zukunft sieht sich Van Weiden wieder beim Theater. Da werden Erinnerungen wach an den19-jährigen Richard, der das Glück hatte, von „Alexis Sorbas“-Regisseur Michael Cacoyannis in der Kantine der Städtischen Bühnen in Frankfurt entdeckt worden zu sein. So kam er gleich in den Genuss, in dessen Produktion der Oper „Iphigenia“ mitzuwirken. Durch Axel Manthey lernte er am legendären TAT (Theater am Turm) den Zadek-Schauspieler Ulrich Wildgruber kennen. „Ich war sein Lichtdouble, habe ihm auch immer Kaffee besorgt, da wollte er mir immer Geld geben und ich sagte nein: Gib’ mir Unterricht. Das war ein Glück.“ Und so hat er sich mit Shakespeares’ „König Lear“ und von Hofmannsthals „Jedermann“ zwei Stoffe ausgesucht, die er sich erarbeiten will. „Mit Ende 50 kann man die dann gut spielen.“
>> Welcome to Karastan, Ffm., Orfeos Erbens, 21.-27. Mai, Eintritt: 10 Euro
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.