War früher alles besser? Mitnichten – aber bei einer Architekturausstellung wird allzu erzieherisch der gute und der schlechte Geschmack auseinanderdividiert, wie unsere Kolumnistin meint.
Ana Marija Milkovic /
Bevor auch ich über Jan Böhmermann schreibe, will ich mich noch kurz jenen zuwenden, bei denen ich insgeheim hoffe, sie würden nur ein einziges Mal das Wort Ziegenficker verwenden, damit sie endlich angezeigt und eingesperrt werden können. Es bleibt mir auch einfach nichts erspart – muss ich zu allem Überdruss im Journal Frankfurt noch lesen, dass weder Kosten noch eine Ausstellung vom Institut für Stadtbaukunst der Universität Dortmund gescheut wurden, sicherzustellen, wie schön und besser die Welt früher einmal war.
"Es war einmal …" Damit beginnt nicht nur in Frankfurt jedes Märchen und so mancher Albtraum. Es waren auch einmal Etagenklos, die zur gemeinsamen Nutzung in Mietshäusern in Treppenabsätzen hergestellt wurden. Es mag zweifellos Menschen geben, die die Vergangenheit herbeisehnen. Die Körperschaft der Universität Dortmund scheint dafür eine Neigung entwickelt zu haben. Damit nun auch der Dümmste unter den Studenten und Architekturinteressierten begreifen lernt, dass die Nachkriegsmoderne eine Ausgeburt schlechter Gestaltung war, wurde eine Ausstellung auf die Beine gestellt, der es zumindest an Stupidität nicht mangelt. Bilder vom städtischen Räumen wurden im Vorher-Nachher Duktus verglichen. Damit didaktisch keine Frage offen bleibt, wird das Vergangene schön besprochen. Pädagogik scheint an der Universität Dortmund zu einem Erziehungsmodell des guten und schlechten Geschmacks verkommen zu sein.
Folgende Frage drängt sich mir auf: Ist die Vollendung von Makellosigkeit das Ideal? Vollkommen absurd wird die Betrachtung auf Dinge, wenn dabei die Vorstellung generiert wird, die Besserung der Lebensumstände sei erreicht, wenn wir in einem Ideal leben. Etwas perfektes ist abgeschlossen und fertig. Ein Sarg ist das zum Beispiel. Oder ein Passivhaus. Unser Ziel kann nicht darin liegen im Ewiggestrigen zu leben, sondern unsere Lebensumstände auch in Zukunft zu verbessern. Das ist die gottverdammte Pflicht eines jeden Gestalters. Deswegen stellt sich nicht die vorrangige Frage, was gute oder schlechte Architektur ist, sondern: Wie wollen wir leben? Wie lässt sich unter Vorgabe eines Ideals das Ziel gestalten? Das Ziel ist in den meisten Fällen eine Momentaufnahme. Ausnahmen bilden die Regel und sind denkmalgeschützt. Dabei kann es keinen Diskurs über negative Existenzaussagen ohne eine Mengenlehre geben.
Natürlich möchte auch ich, dass Satirikern und Architekten, mit Verlaub, die Sonne aus dem Arsch scheint. Deswegen ist zu wünschen, dass Jan Böhmermanns Präzedenzfall beispielhaften schlechten Geschmacks gut und die Arbeit von ewiggestrigen Architekten einfach nur endet!