Kleine Hafenrundfahrt

Favorisieren Teilen Teilen

Viola B. Hollings /

Ich bin todkrank. Noch drei Wochen, bestenfalls. Dann werde ich sabbernd den Löffel abgeben. Anfangs hatte ich im Internet nur nach Kopfschmerzen gesucht, bin dann über Hirnhautentzündung und Paraskavedekatriaphobie, also die Angst vor Freitag, dem 13., bei der finalen Diagnose gelandet. Danke, Doc Internet! Alle Symptome stehen auf Verwesung. Selbst ist der Doktor, heißt das im Klartext, wozu sich ins Wartezimmer schleppen, wenn mitternachts schon sämtliche Symptome bei Google Bildsuche auf f(r)urchtbaren Boden gefallen sind? Angeblich sucht die Hälfte der Deutschen im Netz nach Krankheitssymptomen, mehr oder weniger selbstquälerisch, mancher endet tatsächlich als „Googlechonder“. Letzterer ist speziell in Foren mitteilsam, wo er absolut alles medizinisch seziert, von der Mandelentzündung bis zur Auferstehung. Nichts muss, alles kann tödlich sein. Nach wenigen Klicks wird klar, nur eines kann ich sicher ausschließen: Pocken. Bis Geburtsjahrgang 1972 bekam jeder eine Impfung verbraten, am Oberarm, und zurück blieb eine echte Pockennarbe, so dekorativ wie das Brandzeichen beim Wes­ternpferd.
„Husten Sie mal!“ Kein Mann, der gemustert wurde, vergisst je, was auf diese Worte folgte. Kurz und meist schmerzlos. Vorsorgeunter­suchungen sind nicht wirklich das Gelbe vom Ei und eben oft ein peinlicher Eingriff ins Innerste. Noch so eine Sache mit Tiefgang ist die „kleine Hafenrundfahrt“, ein Freund erzählte mir neulich von seiner ersten. Neugierig ließ ich mir jedes Detail dieser rektalen Prostata-Tastuntersuchung schildern. Bei Privatpatienten würde der Arzt „La Paloma“ dazu pfeifen, meinte er mit dem gesunden Humor der Davon­gekommenen. Fürs gute Bauchgefühl muss man vorsorgen, wirbt aktuell das Frankfurter Gesundheitsamt. Ganz unter uns: Eine Vorsorge-Darmspiegelung ist nicht gerade das, wo es einen hindrängt. Zumal es Kampftrinken bedeutet, denn vorab müssen mehrere Liter Flüssigkeit runter in die gute Stube. Leider fehlen der Kampagne noch die Frankfurter Promis, die sonst bei jedem Arschaufgang in die Kameras lächeln. Also bitte, Hosen runter, wenn ihr keine Gurken seid! Apropos: Hieß es wirklich mal „Dreck reinigt den Magen“? Was nützt die beste Vorsorge, wenn Gülle gerinnt und Gemüse vor Schreck vom Laster springt? Frankfurt meldet „gemüsefrei“, und selbst unsere geliebte Gurkentruppe ist bis auf Weiteres zur Schneckenjagd verdammt. Hart trifft es auch Grünzeug-Erotiker, die jetzt auf andere Früchtchen umsteigen müssen.
Und ich kann mal wieder nicht klagen! Mein gottgleicher Arzt lud mich nämlich zum Caffè Latte ein, denn er diagnostizierte simplen Koffein-Entzug. Ich werde also leben! Vorerst.


Anzeige
Anzeige

Mehr Kultur-News

Anzeige
Anzeige
Anzeige

Kalender

Anzeige