Das Offenbacher Capitol war ausverkauft, kein Blatt Papier hätte mehr hineingepasst. Im Publikum waren überwiegend Frauen, sehr viele junge Frauen, besonders in den vorderen Reihen. Die hatten ihre Plätze mit Aussicht auf die Bühne seit Stunden verteidigt, als gegen 22 Uhr endlich der lang erwartete James Morrison die Bühne betrat. Er ist ein freundlicher junger Mann, 24 Jahre alt und hübsch anzusehen.
James Morrison wirkt anfangs etwas schüchtern und verloren. Der junge Mann scheint stark angespannt zu sein und dieses Anspannung klingt deutlich mit in seiner Stimme, etwas kühl und zerrissen, kaum Schwingung. Der Ausdruck bleibt merkwürdig distanziert und der Kontakt zwischen Künstler und Publikum stellt sich nicht recht her. James Morrison braucht seine Stimme, sie muss gut und überzeugend klingen, sonst ist das Konzert nicht gut, die Stimme ist sein hauptsächliches Ausdrucksmittel, die Gitarre reine Begleitung und vielleicht auch ein Halt. Das Publikum hatte ihn mit Begeisterung erwartet und mit Jubel empfangen, seine anfängliche Zurückhaltung bleibt daher rätselhaft, zumal er als früherer Straßenmusiker eigentlich live im Konzert aufblühen sollte. Okay, das Publikum wird damals nicht so zahlreich gewesen sein.
Unterstützt wird James Morrison von seiner Band: Keyboards, E-Gitarre, E-Baß und Schlagzeug sowie– ganz wichtig– zwei Sängerinnen. James Morrison gewinnt nämlich im Laufe des Abends an Statur und die beiden Sängerinnen haben daran großen Anteil. Etwa nach der Hälfte des Konzerts spielt James Morrison seinen derzeitigen Nummer-Eins-Hit „Broken Strings“. Das ist auf dem Album ein Duett mit Nelly Furtado. Live singt James Morrison das Duett mit einer der Background-Sängerinnen. Und dabei entspannt James Morrison zusehends. Seine Stimme wird lockerer und größer, der ganze junge Mann wird gelassener und dann zeigen sich live seine Qualitäten: der Mann hat Soul in der Stimme und er hat Temperament. Die beiden Background Sängerinnen geben von jetzt an Fülle und Farbe.
Die Musik wird in der zweiten Konzerthälfte rockiger und klingt mehr als vorher nach Soul und macht mehr Spaß. Er selbst bezeichnet seine Musik als „Folk-Soul“, das klingt etwas seltsam, aber mag die Sache treffen, wobei die Soul Passagen schöner sind: stimmiger, stimmgewaltiger und stimmungsvoller, dadurch berührender. Junge Damen träumen, junge Damen wippen im Takt und junge Damen singen mit. Die Stimmung steigt und zum Ende des Konzertes sind nicht nur die jungen Damen zufrieden, sondern James Morrison hat gezeigt, dass er zu Recht in der Kategorie „beste Jungmänner“ spielt, aber vor allem, dass er eine wunderschöne Stimme hat.