Eine kleine und sehr persönliche Reminiszenz an die Hofer Filmtage 2011. Beim deutschen Lieblings-Filmefestival unseres Kino-Redakteurs Andreas Dosch gibt man sich trotz des 45. Jubiläums eher unaufgeregt.
Andreas Dosch /
Alle Jahre wieder geht es nach Hof. Ende Oktober, das Wochenende, an dem die Zeit umgestellt wird und die Wälder der fränkischen Schweiz mit ihrem gelbroten Laub in der noch erstaunlich kraftvollen Sonne des Spätherbstes glänzen. Es ist eine besondere Zeit, so kurz vor der dunklen Periode, möglicherweise die schönste Zeit des Jahres – und daher ist es auch immer wieder eine besondere Freude, die Reise von Frankfurt nach Hof anzutreten.
Grund dafür sind natürlich die Hofer Filmtage, heuer zum 45. Mal ausgetragen. Mancher würde ein großes Bohei daraus machen, von wegen Fast-Jubiläum und so. Nicht so Hof. Man bleibt bescheiden, setzt sich keine Krone auf, sondern geht auf gekonnt routinierte und sehr charmante Weise dem Festival-Alltag nach. Die Berlinale würde sich in Anbetracht der Zahl wohl öffentlich einen runterholen. Hof jedoch macht das – wenn überhaupt – heimlich im Stillen. Okay, das Festival gilt zwar nach wie vor als eine der Wiegen des „neuen“ deutschen Autorenkinos (urgh!), und Namen wie Herzog, Wenders, Reitz, Praunheim etc. genießen hier noch den Hauch von cineastischer Göttlichkeit – aber sind wir mal ehrlich: Man kommt, wie gesagt, furchtbar gerne nach Hof, aber weniger wegen der Filme und schon gar nicht aufgrund der „Bedeutung“ des Filmfestivals. Sondern: Weil man sich hier so wohl fühlt und auch merkt, dass diese Herzlichkeit gegenseitig ist.
Angefangen von Filmtage-Leiter Heinz Badewitz` unsterblicher Prinz Eisenherz-Frisur, die zwar grauer wird, sich aber sonst nicht verändert, und seinem Hang, die jüngeren FilmemacherInnen auf der Bühne mehrfach zu knuddeln, über den Stoffpapagei in der Fußgängerzone, der jeden Gast persönlich begrüßt, bis hin zu den legendären Bratwürsten und – um mal bei der Sache zu bleiben – einem der schönsten Kinos Deutschlands, dem „Scala“: Die Hofer Filmtage lohnen immer wieder drei Stunden Autofahrt. Falls man zwischendurch auch noch den Weg ins Kino schafft, vorbei an all den schwarz gekleideten, beschalten bebrillten selbstgefälligen Filmbranchen-Nasen, die sich wie Nacht von Tag von den Hofer Normalbürgern unterscheiden, hat man meist die Wahl zwischen drögem botschaftsschwangerem Deutschkino, gerne inszeniert von talentierten Filmhochschul-Absolventen, die in ihrem jugendlichen Leichtsinn noch glauben, etwas zu sagen zu haben und die Welt retten zu können. Oder man landet in einem prominenten, kompetent gemachten Fernsehkrimi wie etwa „Das unsichtbare Mädchen“ von Dominik Graf, der toll besetzt ist (Foto: Regisseur Graf mit den Darstellern Elmar Wepper und Ulrich Noethen) und für einen gewissen Star-Glamour bei den Filmtagen sorgt. Wenn man besonderes Glück hat, ergattert man auch einen traumhaften (Kino!-)Film aus dem Ausland, wie etwa „La Guerre est Declarée“ der Französin Valérie Donzelli, der nächstes Jahr ins Rennen um den Auslands-Oscar gehen wird – in Konkurrenz zum deutschen Beitrag „Pina“ von Wim Wenders, der (so hoffen wir mal) dagegen keine Chance haben wird. Oder man reibt sich die Augen, wenn man samstags vormittags im Central-Kino in der Fußgängerzone einem waschechten Zombie-Streifen namens „Extinction – The G.M.O. Chronicles“ entgegenblickt, der unprätentiös das tut, wofür Zombiefilme nun mal stehen: Leuten beim abgemurkst werden zuzuschauen. Aus Deutschland. Völlig ohne Fördergelder. Gedreht auf einer leerstehenden Raketenbasis irgendwo in NRW oder so. Mit Schauspielern, die allesamt englisch reden, selbst wenn man ihr schlechtes „th“ schon auf 20 Kilometer Entfernung vernimmt. Das macht doch mal Mut, und man registriert erleichtert, dass nicht alle Filmhochschüler mit hochschwangeren Bedeutungsansprüchen zu cineastischen Langeweile-Terroristen mutieren. Überhaupt: „Genre“ (also: mehr Aktion, weniger Reflektion) wurde auf den 45. Hofer Filmtagen nicht eben klein geschrieben – mit durchwachsenen Ergebnissen zwar, aber das liegt ja in der Natur der Sache.
Falls Sie diesen Text an dieser Stelle noch immer lesen und nicht zwischendurch uninteressiert ausgestiegen sind, so sei Ihnen gesagt: Nehmen Sie sich 2012 mal das letzte Oktober-Wochenende frei, fahren Sie nach Hof und gehen Sie ins Kino (aber reservieren Sie Ihr Hotel einige Monate vorher – so viele freie Zimmer hat Hof nämlich nicht). Es lohnt sich! Für den Autor dieser Zeilen, seit frühester Jugend ein begeisterter Anhänger des amerikanischen Singer-Songwriters James Taylor, lohnte sich der diesjährige Hof-Besuch allein wegen des Dokumentarfilms „Troubadours“ über eben jene kalifornische Singer-Songwriter-Szene der frühen Siebzigerjahre, bei der Taylor als einer der Protagonisten fungierte. Damals von der Kritik als „L.A.s mellow mafia“ verpönt, hat Taylors langjähriger Gitarrist Danny „Kootch“ Kortchmar nichts als Verachtung für dieses Klischee übrig: „Mellow mafia? Fuck you! We could kick your ass in less than five seconds!“ Kino-Satz des Jahres 2011!