Geliebter Schweinepriester!

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Viola B. Hollings /

„Nicht waschen, komme in drei Tagen!“, schrieb der Stinkstiefel Napoleon seiner Geliebten und outete sich der Nachwelt als Freund herber Duftnoten. Als der kleine Franzose ganz
Europa in Angstschweiß versetzte, galt ein strenger Körpergeruch als erotisch und gesund, die Poren blieben zu und Krankheiten konn-ten (wie man glaubte) nicht eindringen. Wenigstens hatte damals die Mode genug Anstand, das Feingerippte für Untenrum noch nicht
zu erfunden zu haben. Denn wie unschön das textile Stück enden kann, präsentiert uns der „Schweinepriester“, der zynische Held des Zeichners Jean-Marc Reiser, dessen Werk das Caricatura Museum aktuell zeigt. Reiser war auch Franzose. Ein Großer. Er hat sogar mal kurze Zeit in Frankfurt gelebt. Frei heraus gesagt: Reisers Held ist eine Pottsau. Er isst Popel, furzt im Fahrstuhl und trägt seine pissgelbe Unterhose mit Stolz. Das gibt’s nicht? Doch! Erst gestern beobachtete ich einen Herrn mit viel Gel im Haar und feinem Zwirn, der in einem Raum mit vier Fenstern, sprich Auto, hektisch seine Bohrlöcher kontrollierte. Der typische Stau- oder Stresspopler, eklig, aber entschuldbar. Dagegen kommt‘s hier wirklich dicke, die schmutzige Wahrheit: Männer tragen Unterhosen gern länger als einen Tag. Nicht mal zwei Drittel der Männer wechselt täglich, so das Ergebnis einer Umfrage des Offenbacher Marplan-Instituts. Der ganze Mann lecker hui – und drunter pfui!? Und was ein fauler Mann ist: Wie mir jetzt ein Architekt erzählte, werden in Frankfurts neue Mietbauten die Waschbecken oft höher als üblich montiert, damit keiner aus Bequemlichkeit reinpullert. Herrschaftszeiten!
Männer sind schmutzig, Frauen auch. Allerdings bringt es nur ein Mann fertig, seiner Liebsten zu sagen: „Ich geh mal kacken“. Was will er, Applaus? Klar, auch wir kratzen uns im Schritt, rülpsen und rasieren uns erst kurz vorm Date die Beine – aber Frauen tun es diskret. Meistens jedenfalls. Dann aber kommt der Moment, an dem man jeden Quadratzentimeter Haut des anderen kennt, und Paare wissen, je länger man zusammenlebt, desto weniger wird auf ästhetische Regeln Rücksicht genommen. Sie hobelt mit Zahnseide, er sitzt neben ihr auf dem Pott. Für die Mehrheit der deutschen Paare (angeblich 57 Prozent) ist das überhaupt kein Problem. Sie feiert den gemeinsamen Bad-aufenthalt vielmehr als Ausdruck innigster Vertrautheit – „beim kleinen wie großen Geschäft“. Dass dabei die Erotik irgendwann durchs Badezimmerfenster abhaut, liegt auf der Hand. Jede Begeisterung für Körpersäfte hat nun mal ihre Grenzen.
Vielleicht lesen Sie diese Zeilen auf der Toilette. Dann sind Sie vermutlich so oder so in guter Gesellschaft, lesen Buntes und Intellektuelles, kurzum Sie bilden sich, abgeschottet vom Rest der Welt, am Ort der Demut, wo der Mensch erkennt, dass er nichts behalten darf. Daher das Wort Klugscheißen. Bis man Ihnen diesen Ruhepol streitig macht und andere gefährlich laut an die Tür hämmern. Und zurück bleibt: Am Ende sind wir alle doch nur Menschen.


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