Flughafen Inside (II): Auf der Fährte der Sprengstoff-Hunde

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Melina Kalfelis /

tour-21Mein Friede-Freude-Eierpfannkuchen-Ausflug ist noch lange nicht vorbei. Die Konfirmanden und Journalisten werden in Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe geht mit der Seelsorge, die zweite mit der Fraport, die dritte mit der Bundespolizei und die vierte zu den Sprengstoffhunden mit Peter Russ. Bei letzterem werden meine Ohren spitz. Meinem Chef war es wichtig, dass ich mich der Seelsorge anschließe, weil diese auch einen Bezug zum Flüchtlingslager habe. Schweren Herzens stelle ich mich also zu Pfarrerin Ulrike Johanns. Genau wie alle anderen Journalisten. Nicht gerade exklusiv, denke ich mir. Sollte ich nicht doch...?

Peter Russ hat seine Gruppe in weiter Ferne schon in seine Autos gepackt. Ich bin hin und her gerissen, lasse dann doch alle guten Vorsätze fallen und renne über den Platz zu der Sprengstoff-Gruppe hinüber. Peter Russ nimmt mich in seinem Auto mit. Außer ihm und mir ist nur noch Chico dabei. Er hat vier Beine, spitze Ohren und fiepst. Nach fünf Minuten extrem schlechten Gewissens, dass ich nun im Hunde-Auto anstatt im Kirchen-Auto sitze, fange ich an, mich mit dem 46-Jährigen zu unterhalten.

16 Schutzhunde und davon 9 Sprengstoffhunde gibt es am Flughafen. Jeder Hund habe einen Hundeführer mit dem er ein Team bilde. Peter Russ selbst trainiere die Hundeführer. Sein sechs Jahre alter Schäferhund Chico wohne mit ihm und seiner Familie zu Hause. „Das hier ist mein Leben. Ich arbeite seit über 30 Jahren mit Schutzhunden zusammen.“ Ein geeigneter Hund brauche ein einwandfreies Wesen und Nervensystem sowie Selbstbewusstsein. Wie er das erkenne? Hauptsächlich durch langjährige Erfahrung. Der Hund macht etwas verdächtig oder ist ein Werkzeug, um etwas unverdächtig zu machen. Findet zum Beispiel eine Konferenz mit wichtigen Persönlichkeiten statt, geht einer der Hundeführer vorher mit seinem Hund durch den Raum und sucht den unverdächtigen Raum ab. Bleibt der Hund sitzen und hält seine Nase sanft an einen präzisen Punkt, macht er etwas verdächtig. Diese feinfühlige, sogenannte „passive Anzeige“ ist bei der Arbeit mit Bomben eine Notwendigkeit. Steht aber ein einsamer Koffer am Flughafen, kommt zunächst die Bundespolizei. „Danach wird der Hund als Werkzeug eingesetzt, um den verdächtigen Gegenstand unverdächtig zu machen. Oder eben nicht“, so Peter Russ. Das ist also die grundlegende Arbeit eines Sprengstoff-Hundes.

Wir halten beim Trainingscenter der Feuerwehr, wo wir uns in einen Konferenzraum setzen. Dort zeigt Russ uns erst mal eine kleine Reportage über sich und seine Arbeit. tour-2Eine Aufgabe der Sprengstoff-Teams sei die Überprüfung des Gepäcks. Einmal habe eine Hündin Sprengstoff angezeigt. Mit vielen Maßnahmen und großer Vorsicht sei der Koffer geöffnet worden. Inhalt war ein frisch gedrucktes Telefonbuch. Druckerschwärze enthält einen sehr geringen Anteil Nitro. Wie kann er das riechen? Der Mensch hat 85 Millionen Riechzellen, der Hund 225 Millionen. Er kann einen Milligramm Buttersäure in tausend Litern Wasser erschnüffeln. Faszinierend. Peter Russ erzählt: „Der Hund riecht besser, rennt schneller und hört besser als der Mensch. Außerdem: Eine abgefeuerte Kugel kann ich nicht zurückrufen, einen Hund schon.“ Drei mal am Tag spielt er mit einer Sprengstoff-Röhre mit Chico. Nur auf diese spielerische Weise und mit Belohnungen kann man einen Hund trainieren.

Nun holt er seinen Partner mit der kalten Schnauze aus dem Auto und vollführt eine kleine Sprengstoffsuche. In der Musikanlage hat er den Köder versteckt – eine Leichtigkeit für den Hund. Chico ist wahnsinnig aufgedreht und verspielt. Er lässt seinem Herrchen keine Ruhe. Nach der kleinen Nummer bringt er ihn also wieder ins Auto, obwohl ich auch gerne auf ihn aufgepasst hätte. „Hunde sind keine Killer und beißen immer kontrolliert. Wichtig ist, dass sie den Flughafengästen keine Angst machen“, erklärt er weiter. Jedoch hatten sie auch schon Fälle wie diesen: Ein 1,90 Meter großer, 1,50 Meter breiter Mann wird beim Einsteigen in ein Flugzeug aggressiv und fängt an, um sich zu schlagen. Drei Menschen hängen an seinem Arm, doch er ist nicht zu zügeln. Ein Hundeführer mit seinem Hund taucht auf. Als der Koloss ihn sieht, wird er plötzlich zahm wie ein Kätzchen. Bei 650 Kilo Druckkraft pro Quadratzentimeter im Kiefer ist das auch kein Wunder.

Nach einer Standpauke über dumme Kinder, die mit Sprengstoff spielen und dabei einen Arm verlieren und Mutproben, die eigentlich Dummproben sind, fahren wir weiter zur Hundestaffel. Hier können Angestellte ihre Hunde den Tag über kostenlos zur Pflege lassen. Hundetrainer, die ihren Hund nicht mit nach Hause nehmen können, haben hier einen eigenen Zwinger. Peter Russ erzählt: „Unsere Hunde spielen selten untereinander. Vorallem die Weibchen halten wir getrennt, die würden sich gegenseitig zerfleischen.“ Tja, auch Hunde-Damen können mal zickig werden. Den Hunden scheint es trotz Zwinger gut zu gehen. Immerhin sind sie 24 Quadratmeter groß, wobei 8 Quadratmeter eigentlich die Vorgabe ist.

Wieder machen wir uns auf den Rückweg, diesmal zum Terminal 1. Peter Russ ist definitiv ein Fachmann auf seinem Gebiet und hat eine bewundernswerte Arbeit. Zwei Wochen im Jahr kann er in den Urlaub fahren, natürlich hundefrei. Jeder braucht schließlich mal ein Pause von Sprengstoff-Spielchen, Gassi gehen und Menschen beschützen.


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