Ein guter Hahn ist selten fett

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Viola B. Hollings /

Ich schaue in den Spiegel und sehe wie ein fernes Grüßen die Gesichtszüge meiner jungen Großmütter. Ich grüße in den Spiegel zurück, indem ich die Zunge herausstrecke, was sie sicher gemocht hätten, denn beide hatten Sinn für schrägen Humor. Sie haben sich nie geschminkt, das hatte für sie, die noch in der Kaiserzeit geboren waren, etwas Liederliches. „Lieber rundlich als runzlig“ war die Devise der einen, und ich ahne, das wird auch bei mir so enden. Die Zeit ist ein schlechter Kosmetiker und welkes Fleisch eine Schande. Wer morsch wird, muss die falschen Zähne zusammenbeißen, denn es hilft (fast) nichts, irgendwann klappern auch die schönsten Piercing-Ringe müde am Rollator und verblühte Arschgeweihe grüßen aus Erwachsenenwindeln.
Der Mann flüchtet mit dem Taxi. Nur weg. Vom Fenster aus sehe ich eine Schönheitspraxis, wer da rauskommt, hat entweder Haut, literweise Körperfett oder seine Bernsteinbeißer zurückgelassen. Seinen Kollegen wird der Mann erzählen, dass er mehr Sport mache und neuerdings gut schlafe – daher das frische Aussehen.
Wer nicht ganz so mutig ist, nimmt Botox, wie ein Bekannter, der erstaunlich offen und mit Veneers, also blütenweißen Zahnverblendungen, darüber spricht. Als ich ihn neulich traf, irgendwo zwischen Fingerfood und Honorarkonsulen für Taka-Tuka-Länder, lobte er scheinheilig meine „Casual“-Frisur, womit in seiner Westend-Welt so etwas wie ein aufgeplatztes Sofakissen gemeint ist. Frankfurt sei Botox-Hochburg, belehrte er mich, und überhaupt, „manches ist ja kein Facelift, nur ein kleiner Fetttransfer von einem Körperteil zum anderen“. Schon klar, auch die Völkerwanderung lief wie geschmiert. Während er weiter munter seine Innereien-Beichte ablegte, wanderte mein Blick auf seinen kleinen Schmerbauch, den ich als wahre Quelle seiner ewigen Gesichtsjugend vermutete. Sein Blick wanderte beim Sprechen ebenfalls nach unten, in meinen Ausschnitt, ein gutes Zeichen, bewies es, dass er mich als jung wahrnahm.
Zuhauf sieht man sie, die Sanierten, in den edlen Secondhand-Läden, wo sie wie in einer Wagenburg ihrem wahren Alter teures Paroli bieten. Nur eines machen sie weiterhin falsch: Ihre Haut ist sonnengereift. Knusprig ist aber nur ein Brathähnchen. Bei Frankfurts Society sitzen Spritze und Messer locker, Häute machen Leute und Karrieren, und bald traut sich keiner mehr, sichtbar zu altern. Hat er oder hat er nicht? Diese Stirn ist zu jung, um echt zu sein! Der also auch! Wieder ein Politiker, der heimlich an der Nadel hängt. Über Botox reden Medien und Ärzte sehr gern, die Abnehmer weniger. Anders besagter Bekannter. Ihm empfehle ich übrigens umgehend einen chirurgischen „Nosejob“. Sie wissen ja, an der Nase eines Mannes …


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