Dreimal Polizei

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Christoph Schröder /

Zunächst sieht alles ganz unkompliziert aus: Herr M. steht vor Gericht, weil er absichtlich den Kotflügel eines Autos zerkratzt haben soll. Doch so etwas macht man normalerweise nicht ohne Grund, also holt der Angeklagte, ein schmächtiger Mann Mitte 40 mit Zopf und gepflegter Ausdrucksweise, weiter aus: Seine ehemalige Wohnung, so Herr M., habe geräumt werden sollen; also habe er sich mit dem Beauftragten der Verwaltung verabredet. Vor Ort habe sich dann heraus gestellt, dass bereits Teile der Einrichtung aus der Wohnung geschafft worden seien. Also rief Herr M. die Polizei, um den Beauftragten der Wohnungsverwaltung anzuzeigen – wegen Diebstahls. Die Polizei kam dann auch nach gut einer Stunde und mehreren Telefonaten. Sie nahm den Vorfall auf. In der Zwischenzeit beschädigte ein Passant mit seinem Kinderwagen versehentlich das vor der Tür parkende Polizeiauto. Also kam noch mehr Polizei, um den Schaden am Auto aufzunehmen. Kurz darauf wiederum, so die Anklage, soll Herr M. das Auto von Herrn F., dem Beauftragten der Wohnungsverwaltung, zerkratzt haben. Herr F. rief die Polizei. Da waren es dann sechs Polizisten vor Ort. Herr M. bestreitet die Vorwürfe. Er wisse noch nicht einmal, welches Auto Herrn F. gehört habe. In seiner Tasche fanden sich am Tattag ein Messer und ein Schlüsselbund, beide wiesen keinerlei Lackspuren auf. Herr F. selbst wiederum macht bei seiner Zeugenaussage einen, gelinde gesagt, zwiespältigem Eindruck. Plötzlich will er genau gesehen haben, wie Herr M. den Kratzer verursacht habe. Vor Ort wollte er Herrn M. nur in der Nähe des Autos beobachtet und angesprochen haben. Ansonsten beruft er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht – gegen ihn läuft ja noch das Diebstahlsverfahren. Am Ende beantragt der Staatsanwalt einen Freispruch für Herrn M. Man könne nicht ausschließen, dass Herr F. die Situation habe ausnutzen wollen, sagt er. Die Richterin folgt dem Antrag schnell und schmerzlos. Herr M. nimmt das wie selbstverständlich hin.Christoph Schröder


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