… und die glückliche Heimkehr. Selbst wenn man während des dreitägigen Deutschen Jazzfestivals an einem Abend Woodstock und mit Hendrix und Santana zwei Gitarren-Göttern huldigt, bleibt doch das Saxophon wichtigstes Soloinstrument einer solchen Veranstaltung. Klar, dass man da auch im Publikum viele Bläser sichtet. Heinz Sauer, Gustl Meyer, Christof Lauer. Und auch klar (oder zumindest nahe liegend), dass man einen Saxophonisten spontan fragt, ob er nicht einen Blog für den Pflasterstrand verfassen möchte – von einen Saxophonisten über die Saxophonisten. „Klar“, sagte Gernot Dechert , erst kürzlich mit seinem Sohn Luke, einem tollen Nachwuchsdrummer, im JOUNAL FRANKFURT gefeatured, genauso spontan zu. „Ich hab’ das zwar noch nie gemacht, aber ja – eine schöne Idee.“ Und hier kommt seine Premiere als Blogger:
Vorgeschichte: Noch im selben Augenblick, in dem die Vorankündigung auf meinem Lieblingskulturradiosender ausgestrahlt wurde, stand für mich fest, ich gehe auf das diesjährige 40.Deutsche Jazzfestival. Der Spot versprach einen Auftritt von David Sanborn zusammen mit der HR Big Band, flankiert von Konzerten verschiedener Saxophonisten, die meine größte Bewunderung besitzen, David Liebman, Joe Lovano, das World Saxophone Quartet und Daniel Guggenheim. David Sanborn hingegen ist ein Spezialfall, ihn verehre ich zutiefst, da er mich mit seinem Ton, seinem Ausdruck und seiner Karriere wie kaum ein anderer Saxophonist beeindruckt und auch beeinflusst hat. An diesem Morgen war mir noch nicht klar, auf welches Abenteuer ich mich einlassen würde.
Der erste Tag: Pünktlich um 19.04h am Donnerstag Abend konnte die Reise beginnen, sie führte mich und die anderen 799 Zuhörer im ausverkauften HR Sendesaal zunächst in das Land des Modern Jazz und Hard Bop mit der Karma Jazz Group. Am Alto der vielversprechende und jüngste Saxer des Festivals Evgeny Ring, am Tenor und Sopransax der einige Dekaden ältere, aber nicht minder gut aussehende Daniel Guggenheim. Trotz der überragenden Spieltechnik und guten Ausbildung des Jüngeren, hatte letztlich der erfahrenere Guggenheim in Sachen Ausdruck und Authentizität die Nase vorn. Der zweite Programmpunkt führte uns anschließend direkt in die Wüste. Bevor der Pianist Joachim Kühn, zusammen mit Majid Bekkas, Ramon Lopez und der HR Big Band uns aus der besagten heraus führte, gab es noch einen Zwischenstop in der Saxophon Oase, Kühn meets Tony Lakatos, eine Duo Einlage der Sonderklasse. Motive und Phrasierungen wechselten in atemberaubender Geschwindigkeit virtuos den Besitzer, ein kammermusikalisches Juwel, abrupt beendet von dem zweiten HR Tenoristen Julian Argüelles, der mit einem wüsten Solo übernahm und die restliche Truppe zu weiteren dynamischen Höhepunkten antrieb. Hoch interessant, aber äusserst anstrengend, war dieser Trip aus der musikalischen Wüste; erst mal was trinken und schon mal auf Joe Lovano freuen. Und der kam dann auch! Papa Lovano, die amerikanische Saxophon Legende, betrat lässig tänzelnd, solierend die Bühne und konnte mit seinem Nonett in Sachen Spielfreude sprühen, mit Tradition berühren und im Ganzen komplett überzeugen, mein Highlight des ersten Festivaltages! Der zweite Tag: Der war beschwerlich, zwei Bergtouren innerhalb von vier Stunden. David Liebman und Ellerin Eskelin führten uns in die schwierige Landschaft der freien Improvisation. Begleitet von Drums und Bass schafften sie einen, mir neuen Spagat zwischen Jazz und experimentellen Spielweisen, der meinen persönlichen Horizont sprengte, fantastisch. Der folgende Beitrag des Schweizer Kaspar Ewalds Exorbitanten Kabinetts galt schon vorher als Festivalgeheimtipp und entpuppte sich auch als solcher. Vor allem das integrierte klassische Saxophonquartett setzte einzigartige Akzente. Insgesamt aber eher leichte Kost, verglichen mit dem musikalischen Abschluss des zweiten Abends, Anthony Braxton. Braxton spielt Sopan-, Sopranino- und Altosax, ausserdem setzt er noch einen Computer ein, um seine Musik elektronisch zu verfremden. Das Notenblatt von dem er spielt ist eine farbige Zeichnung, hoch interessant, so interessant, dass die ersten Zuschauer nach zwanzig Minuten flüchteten. Durch seinen eher spröden klassischen Ansatz und die immer gleichen Soundeffekte seines Laptops wurde der Auftritt zugegebener Maßen ziemlich langatmig, aber für sich betrachtet trotzdem einzigartig. Manchmal ist der Weg zum Gipfel schwer und die Aussicht aber schlecht, ich bin mir nicht sicher, ob sich mein Ausharren bis zum Konzertende wirklich gelohnt hat. Der dritte Tag: Als ich am dritten Tag, leider etwas zu spät, das Festivalgebäude betrat, spielte das World Saxophone Quartet schon seine erste Nummer; wow wir fahren heimische Gewässer an, war mein erster Gedanke. Vier Saxophonisten, die auf leicht avantgardistische Art, aber trotzdem mit Soul im Horn, gekonnt und (amerikanisch) lässig Hendrix Interpretationen zum besten gaben. Auch hier muss ich sagen, das habe ich so auch noch nie gehört. Zur Einfahrt in den Heimathafen und zum krönenden Abschluss, kam er dann, mein heiß ersehnter David Sanborn und ich muss sagen, dass das dann folgende Konzert all meine Hoffnungen bei weitem übertroffen hat. Mit so großer Spielfreude habe ich die HR Big Band noch nie gesehen und alle Saxophonisten der selbigen bekamen ein Feature Solo an der Seite des Altmeisters (im doppelten Sinne), jeder Einzelne war grandios und offensichtlich auch vom Sanbornvirus befallen. Für mich, als ein jazzliebender Rocksaxophonist, waren die drei Tage des 40.Deutschen Jazzfestivals wie eine Reise um die (Saxophon-)Welt. Danke liebes Festival, danke David Sanborn, ich bin wieder zu Hause und komme im nächsten Jahr wieder mit.