Ist das nicht ein toller Himmel? So kann es aussehen, wenn man Hessen mal verlässt und ins schöne Niedersachsen fährt. Aber selbst dort, fernab von Internet und Skyline, machen einem die Frankfurter Ärger. Jedenfalls zogen dunkle Wolken auf, als ich am Samstag in der Süddeutschen blätterte. Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg durfte sich dort darüber beschweren, dass er nicht mehr soviel Geld verdient wie einst und schuld daran ist nur das böse Netz. Beziehungsweise die Jugendlichen, die ihr Erspartes nicht mehr in (überteuerte) CDs oder (überteuerte) Konzerttickets stecken. Es steht ziemlich viel Unsinn in diesem Text, zum Beispiel, dass die Webseite Perlentaucher "die gesamte feuilletonistische Print-Tagesausbeute auf den Markt [wirft], natürlich kostenlos; und nicht nur, dass der Staat hier nicht eingreift, er förderte die Übersetzung dieser "Auswertungen" ins Englische auch noch noch jahrelang durch die bundeseigene Kulturstiftung: frech, wie man Zeitungen, die eigentlich Anspruch auf Urheberrechte haben, über den Tisch ziehen kann." Dabei verlinkt Perlentaucher lediglich und vom Zitatrecht hat Lieberberg auch noch nichts gehört. Vielleicht muss man es ab einem gewissen Alter auch nicht mehr so genau nehmen mit den Fakten. Es geht aber genauso weiter.
Freiheit und Fluch der Softmoderne zersetzen so ein einst blühendes Ecosystem von Autoren, Journalisten, Musikern und Schauspielern, Dichtern und Denkern. Wenn man diesem Wahnsinn nicht Einhalt gebietet, werden Reflexionen von Web-Zombies Filme, Musik und Bücher ablösen. Those were the days?
Dass man den ganzen Schmutz, der sich im Netz oder wie Lieberberg es nennt auf dem "Planet der Affen" verbreitet, nicht einfach verbieten kann ist selbst einem "der weltweit erfolgreichsten Impresarios" (SZ) klar. Aber schön wäre es doch. Schön auch, dass Lieberberg mithilfe des Honorars der Süddeutschen Zeitung sein gewiss äußerst klammes Konto ein wenig aufbessern konnte, oder?
Nein, nicht schön. Wir müssen uns alle einschränken. Und deswegen die Empfehlung auf ein ebenfalls am Wochenende erschienenes Interview in der FAZ mit dem sonst so konfusen Philosophen Peter Sloterdijk, der sich dort folgendermaßen äußerte:
Dass zum Beispiel der Staat auf dem Gipfel seiner Hilflosigkeit laut darüber nachdenkt, seinen Bürgern Geld zu schenken, damit sie einkaufen gehen können. Unfassbar! Wir müssen offensichtlich dazu ermahnt werden, das einmal erreichte Verschwendungsniveau um jeden Preis zu halten.
Unfassbar richtig. Da passte es ja, dass auf dem Römerberg einige Tausend gegen dieses Kapitalismus-Dings demonstrierten. Wenn wir das Geld endlich abgeschafft haben, dann können wir das Internet ja gleich mitabschaffen, würde bestimmt so manchen freuen. Vielleicht schreiben wir dann Neuigkeiten einfach auf Kreidetafeln, so wie Alfred Sirleaf, der analoge Blogger aus Monrovia. Ja, Sie lachen jetzt, aber es kann nicht mehr lange dauern, wenn sich selbst die Frankfurter Allgemeine in subversiver Kapitalismuskritik übt.
Papst-Kondome, Quelle: nerdcore Wir sind da ein bisschen vorsichtig geworden, seit wir vor einigen Wochen ein Kirchenaustrittsformular auf unseren Titel druckten, von wegen Papst und so und danach merken mussten, dass sich etliche Katholiken-Fans Gläubige unter unseren Lesern befinden, die natürlich empört waren. Gar nicht auszudenken, wie die Kapitalismus-Fans Banker reagieren würden, wenn wir nun auch noch unser Wirtschafssystem geißeln. Also, Leute, kauft ein! Konsumiert! Vergangene Woche wäre dazu zum Beispiel in den Räumen von DesignFfm die Gelegenheit gewesen, laut unserer Mitarbeiterin Judith-Christina war die Schau von Clemens en August der "most important fashion event" überhaupt (mehr dazu auch hier). Und ich war nicht da, verdammt.
Dafür haben wir am Donnerstagabend große Brocken unseres Heftes in die Druckerei befördert. Und die Tage davor "geschuftet wie die Sofjetmütter" wie mein Chef es gerne ausdrückt. Alles für den Aufschwung.