Die Woche (IX)

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Nils Bremer /

Musikmesse2009Es war mal wieder Musikmesse. Daran hätte ich denken sollen, als ich mich auf dem Weg nach Hause fragte, warum sich soviele schwarzgewandete, blasse Menschen in der Sonne am Sachsenhäuser Mainufer aalen. Klar: Musiker! Die Messe selbst war, nun ja, irgendwie wie jedes Jahr. Am Besten gefällt mir immer die Halle in der die Schlagzeugproduzenten residieren, weil dort ein dumpfer, nur durch einige Schellen aufgehellter, nicht endenwollender Klangteppich ausgelegt ist. Cool aber auch, dass auf der Musikmesse sogar Rollen für das ganze Stage-Equipment ausgestellt waren - wenn Sie mal eben schauen mögen:
Musikmesse 2009

Der Traum eines jeden Roadies, oder? In Berlin wurden derweil die Größen des deutschen Web 2.0-Wahns ausgestellt, die, juchu, Re:Publica, da muss man dabei sein - ach, aber bevor der Zynismus des Nichtdabeigewesenen diesen Text durchtränkt (oder schlimmer), verlinken wir rasch auf den Vortrag von Peter Glaser, der uns auch etwas ratlos zurücklässt, aber dafür schön geschrieben ist und zudem Weisheiten enthält wie: "Die Globalisierung der Dummheit macht erstaunliche Fortschritte."

Dabei fällt mir ein, dass die Zeit einen Text von Ilija Trojanow abgedruckt hat, in der dieser über die Frankfurter Krisen-Demo vor gut einer Woche schreibt, eine kleine Reportage, in der er sich an die Fersen von Jean T. und Siggi B. heftet und zu einigermaßen seltsamen Schlüssen kommt (noch nicht online zu finden). Etwa:

Außerdem scheinen selbst Autonome und Anarchisten von der Verspießerung der Gesellschaft angekränkelt zu sein. Von ihrem Lastwagen herab drohen sie zuerst der Polizei, sie solle Abstand nehmen; einige Minuten später verkünden sie die frohe Botschaft, der Einsatzleiter habe mitgeteilt, die Polizei habe sich ein wenig zurückgezogen. Wenn sich Anarchisten und Polizisten bürokratisch absprechen, weiß man, dass etwas faul ist im Staat.

Jedenfalls scheinen die Autonomen eifrige Zeit-Leser zu sein, denn mit der bürokratischen Absprache war es dann ja auf dem Nato-Gipfel vorbei. Den Vorwurf man sei ein Anarcho-Spießer lässt man nicht auf sich sitzen. Gut so. Subversivität hatten wir eh genug. Derweil durfte der andere, nicht-autonome Teil der Jugend mit Barack himself sprechen. "Worum es geht, ist, es gibt nichts Edleres, als für das Gemeinwohl zu arbeiten", sagte er in einem Townhall-Meeting in Straßburg. Demysthifiziert wurde er dort nicht. Da müssen wir schon auf die Künstlerin Justine Lai warten, die Gemälde malt, auf denen sie Sex mit allen US-Präsidenten hat - in chronologischer Reihenfolge. Warum? Nun: "I am interested in humanizing and demythologizing the Presidents by addressing their public legacies and private lives."

Bis sie bei Obama angekommen ist, kann es noch ein wenig dauern, aber auch so, kann man nur hoffen, dass Lai von diesen Damen ins Gebet eingeschlossen wird, die gestern auf der Zeil patrouillierten. Dabei fällt uns die große christliche Volkspartei ein, Sie wissen schon, jene, die gerne Liedbücher mit dem Untertitel "Volkslieder und Schlager für fröhliche Stunden" herausgibt und in denen dann solch Perlen wie das "Panzerlied" stehen. "Ob's stürmt und schneit, Voraus die Kameraden, im Kampf sind wir allein. So stoßen wir tief in die feindlichen Reih'n." Das Buch wurde nun leider eingestampft, aber immerhin nicht verbrannt, was ein Anliegen von Baden-Württemberg CDU-Generalsekretär Thomas Strobl war, wie man in der Netzeitung nachlesen kann. Diese CDU jedenfalls feiert in diesen Tagen, dass "ihr" Roland Koch nun schon zehn Jahre Ministerpräsident unseres schönes Hessenlandes ist. Am 7. April 1999 wurde er gewählt.

roko

Erinnern wir uns also an die großen Moment unseres Landesvaters. An die Unterschriftenkampagne "gesche Ausländer", mit der er einst ins Amt kam, an seine brutalsmögliche Aufklärung der Spendenaffäre, die glasklar mit "jüdischen Vermächtnissen" erklärt werden konnte, an seine Aussage, die Benennung von Reichen durch den Verdi-Chef Bsirske sei "eine neue Form von Stern an der Brust" und schließlich an den Wahlkampf von 2008, in der Koch nicht nur wieder das Schwert über "kriminelle Ausländer" hob, sondern auch mit dem Slogan "Ypsilanti, al-Wazir und die Kommunisten stoppen!" möglichen Koalitionen mit SPD und Grünen galant eine Absage erteilte. Ein feiner Herr! Und damit noch eine schöne Frühlingssonnenwoche.


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