Die Woche (IV)

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Nils Bremer /

hammering Es war die letzte Woche im Februar, der Winter gab noch einmal alles und die Krise fegte übers Land wie ein eisiger Sturm. Nur eine kleine Stadt südlich und nördlich des Mains widersetzte sich dem deprimierenden Treiben und feierte wie im Rausch die Eröffnung eines neuen Einkaufszentrums, und zeigte damit, dass mit dem Aschermittwoch eben nicht alles vorbei sein muss. Beim Blättern durch die Tageszeitungen der vergangenen Tage könnte man fast den Eindruck gewinnen, sonst sei nicht viel passiert. Seitenweise erfuhren wir, was wir mit dem Gebilde names MyZeil wohl anfangen sollten. Auch gestern Abend noch: Traubenweise Krisengewinner vor dem Eingang der Kathedrale des Konsums, nur die Security kann sie davon abhalten ihr Sauerverdientes nicht gleich auf einmal loszuwerden und lässt die Kapitalismus-Freaks nur tröpfchenweise in ihr Paradies. Dass nun Zeiten hedonistischen Kommunismus anbrechen, können wir jedenfalls nicht bestätigen. Auch beim Opernball wurde gestern wieder bewiesen, dass die Pleiten in Weitweitweg stattfinden oder eben in Rüsselsheim, aber nicht in der Frankfurter City. Achso, unser Haus- und Hofkommentator weiß natürlich, wie Opel noch zu retten ist: mit Milliarden für Ökostandards. Na, immer noch besser als mit Pennälerüberschriften zu punkten. Vielleicht aber sollte sich der Konzern auch nur an wissenschaftlich einwandfrei belegte Rezepte halten: "In Hungerzeiten schnallen Zellen den Gürtel enger: Sie beginnen ihre eigenen Proteine und Zellorganellen zu verdauen." Interessanterweise muss auch unser liebster Flughafenbetreiber den Gürtel enger schnallen und 200 Hektar Wald verdauen: Kurzarbeit droht, meldet die FR. Vielleicht lassen sich die Besetzer ohne Wald ja nach diesen schlechten Nachrichten noch davon abhalten, diese Liste mittelständischer Betriebe mit krimineller Energie abzuarbeiten. Schließlich könnte das den stotternden Konjunkturmotor (um im Bild zu bleiben) vollends abwürgen. Was sagen eigentlich die "Bürger für Wohnen ohne Fluglärm und Absturzbedrohung" zu der Absturzbedrohung der BRD? Über den Absturz der Medien wollen wir lieber gar nicht reden, der ist schon längst keine Bedrohung mehr, sondern Wirklichkeit. Ausklingen lassen wollen wir diese Woche deshalb mit einem herzerweichenden Video, das die Belegschaft der am Freitag zum letzten Mal erschienenen Rocky Mountain News gedreht hat. Schnüff.
Final Edition from Matthew Roberts on Vimeo. Achso, gefunden haben wir den Hinweis auf Retromedia, dem Friedhof der Medienbranche. Gibt es eigentlich schon eine Abwrackprämie für das Einstampfen von Zeitungen? Weil mit dem Geld könnte man dann coole, nutzlose, rein werbefinanzierte Internet-Start-Ups gründen, um es den am Boden liegenden Holzmedien mal so richtig zu zeigen. Doch genug der schlechten Laune, wir nutzen den Sonntag lieber, um gemütlich zu frühstücken, taz zu lesen und darüber nachzusinnen, welche Verrücktheit wir morgen im Bembeltown-Strudel erstehen werden. Vielleicht ein neues Fahrrad?


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