Bugge und Dea auf unterschiedlichen Planeten

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Detlef Kinsler /

bugge_kinsler

Bugge Wesseltoft war am zweiten Abend des Brotfabrik-Festival ganz klar der bekanntere Name. Und trotzdem begann das Konzert mit dem Auftritt des Norwegers. Das hatte nur dramaturgische Gründe, denn Wesseltoft trat solo auf, präsentierte sein neues Album „Playing“. Und davor eine wie auch immer geartete Band spielen zu lassen, hätte wenig Sinn gemacht. Bugge kommt auf die Bühne, setzt sich an den Stutzflügel, mit dem er nach einer leicht verstimmten Probe doch noch seinen Frieden geschlossen hat, will sich auf seinen ganz leisen Einstieg konzentrieren und hört als unerwartete und nicht geplante Begleitung stampfende Discorhythmen von unten aus der put Eventbühne. Gott sei Dank hat der Mann Humor (Keith Jarrett hätte fluchend die Bühne verlassen, wenn er sie überhaupt je betreten hätte), zählt die Beats aus, als wolle er sie spontan mit einkomponieren, ignoriert sie schließlich und beginnt seinen am Anfang verhaltenen Vortrag, sehr atmosphärisch, sehr „ambient“, sehr schön.

Mit Fortdauer des Auftritts zeigt Wesseltoft, was er mit Flügel, seinem Apple und ein weiteren kleinen Tastatur so alles anstellen kann. Der Mann braucht keine Mitstreiter, er spielt mit sich selbst, „sampelt“ sich, produzierte später elektronisch und real auf Tambourine und Trommeln Rhythmen, die mal indigen (auch samisch), mal afrikanisch (wie Fela Kuti remixt) klingen, zu denen er improvisiert, Auch seine Stimme setzt er ein, zu der scheint er aber eine ironische Distanz zu besitzen, denn er verfremdet sie und ein leichtes Drehen an einem Regler ersetzt hier den „Genuss“ von Helium aus einem Luftballon. Auch das Innenleben des Flügels wird in die „Kunst“, die hier als New Jazz durch geht, einbezogen. Die Saiten werden gedämpft und angezupft. Zwischen Harfe und Kora klingt das. Bugge legt auch CDs auf die Saiten, macht allerlei Sperenzien. Wenn hier ein ernsthafter Avantgardistist am Werke wäre, wie grauenhaft langweilig und prätentiös würde das dann klingen? Aber Wesseltoft hat auch Humor und von daher hat seine Musik, die eben keineswegs leiste und langsam bleibt, sondern Dynamik und Verve entwickelt, dass man mitunter denkt, hier hätte auch Ray Charles Spuren hinterlassen. Seine respektvoll-respektlose Interpretation von Brubecks „Take Five“. Mit einem „Oh Yeah“ verabschiedet sich Wesseltoft von seinem begeisterten Publikum

dea_kinslerUmbaupause und dann Dea Li. Die Frankfurterin hatte ihr eigenes Publikum, das im Verlauf des Abends nachrückte, mitgebracht. Das feierte das Livedebüt ihrer Songs begeistert während das Jazzpublikum vor so viel Rock die Segel strich. Niemand wusste so richtig, was an diesem Abend passieren würde. Man hatte sich nur zum Anlass (und der Konzeption des Festivals) eine vielleicht akustischere Performance gewünscht. Doch Dea Li setzte auf ein konventionelles, elektrisches Quartett mit großem Drum Kit, was auf Kosten der Subtilität von einem bewegenden Song wie „Little Brother“ ging, der in der Version von der myspace-Seite gespielt (Gitarre mit Computer-Treatments) bestens zu Wesseltoft gepasst hätte. Zu kurz ist die Band zusammen, um die angestrebte Fusion, die sich langsam formen muss und mehr Input der Musiker braucht als eine Ich-kann-alles-spielen-ich-bin-Profi-Einstellung, erfüllen zu können. Denn schließlich sucht Dea Li die Fusion von melodramatischem Elektro Pop mit ein bisschen Alternative, einer kleinen Brise Jazz und einem Hauch von 60`s. In der Brotfabrik klang das alles noch zu sehr nach Achtziger-Revival, was an den Covers (Bowie, Sheena Easton) vom „Hollywood, Mon Amour“-Sampler und Visages „Fade To Grey“, aber auch der optischen Präsentation gelegen haben mag. Es gibt viel zu tun. Packt es mal an.

Fotos: Detlef Kinsler


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