Bürgerliches Grün

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Michi Herl /

Taxistände zu Fahrradscharen, äh -ständern

Unser Lutz Sikorski, seines Zeichens Frankfurter Verkehrsminister, hat ja unlängst auf den ersten Blick Sinnvolles geleistet. Einen riesigen Taxistand in Bornheim funktionierte er kurzerhand um zum Fahrradparkplatz. Potzblitz! Ferner gelobte er, den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr bis zum Jahre 2012 auf 15 Prozent zu erhöhen, indem er das Radeln in der Stadt bequemer machen will. Klingt gut. Doch, werte Leserinnen und Leser, lieber Lutz, wisst ihr, was das in Wahrheit bedeutet? Das ist der Anfang des Niedergangs einer Kultur! Wieder einmal wird klammheimlich ein Lebensgefühl zermalmt – und das auch noch als Triumph gefeiert.

Es ist aber auch wirklich ein Kreuz mit den Grünen. Alles, was einem lieb und recht ist, machen sie unwiderruflich kaputt. „Die Grünen sind die bürgerlichste Partei Frankfurts“, sagte Sikorski Anfang des Jahres bei einem Empfang. Das mag flapsig klingen – doch der Mann hat recht. Alles wird verbürgerlicht. Seit die Grünen was zu melden haben, gibt es keine Tramper mehr, stattdessen Mitfahrzentralen. Aus Volxküchen wurden zuerst Alternativkneipen, dann Edelschmecklokale, aus verwanzten Jeans Abendgarderoben, aus klapprigen Enten glänzende Smarts, aus kiffenden Gammlern koksende Anlageberater, aus Hinterhof-theatern Tigerpaläste. Das Gammeln wurde zur Meditation, das warme Henninger zum warmen Corona und das Energiebällchen zum kleinen Kalbssteak an Rosmarinjus. Ja, selbst das Nichtwählen wurde unlängst verbürgerlicht, als Cohn-Bendit öffentlich dazu aufrief. Seither sitzen Sachbearbeiter, Sozialkundelehrer und sonstige Sesselfurzer sonntags beim Brunch, statt brav ihr Kreuzchen abzuliefern. Wo kommen wir denn da hin? Zu einer Brigitte Mohnhaupt als erster Bundespräsidentin? Nichts dagegen. Gerne. Doch es geht hier ums Prinzip, also zurück zu Radfahrer Sikorski.

Was war das früher für ein Leben als Fahrradfahrer in Frankfurt. Wir waren die heimliche Elite in den Schluchten der Großstadt. Vier-, fünfmal schneller als jedes Auto kamen wir voran, unsere Helden waren die Fahrradkuriere, doch auch wir Normalfahrer fürchteten weder Tod noch Teufel. Wir brauchten keine Radwege, keine Beleuchtung, keine Parkplätze, keine Helme und Schienbeinschoner und erst recht keine Schilder, die uns das Fahren entgegen der Einbahn erlauben zu müssen glaubten. Pah!

Und heute? Heute müssen wir kämpfen, um nicht als Teil jener breiten Masse zu gelten, die bräsig an der Kreuzung stehen bleibt und auf Grün wartet. Es ist doch vollkommen zweckfrei, an einer roten Ampel anzuhalten. Umso sinnloser erscheint mir dieses Unterfangen, da es in 98 Prozent aller Fälle von Radfahrern begangen wird, die eh wie rollende Festungen daherkommen. Wenn schon Helm, Warnweste, signalrote Fähnchen sowie Ellenbogen- und Schienbeinschützer, dann könnte man sich doch erst recht wacker ins Getümmel stürzen und sich ritterlich den Weg bahnen zwischen Omnibussen, Taxis und Betonmischern. Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle für gelbe Rundumleuchten auf den Köpfen von Radfahrern plädieren sowie für einen akustischen Warnton. Er sollte ähnlich geartet sein wie jener bei einem rückwärtsfahrenden Müllabfuhrlaster und immer dann erschallen, wenn sich der Radfahrer in Bewegung setzt. Sicher ist sicher, doch das nur am Rande.

Dass solcherlei Schutzvorrichtungen besonders für Kinder von höchstem Unfug sind, ergibt sich übrigens von selbst. Die armen Dinger lernen es sonst ja nie, sich einigermaßen galant im Straßenverkehr zu bewegen. Gleiches gilt selbstredend für das Warten an roten Fußgänger-ampeln. Ich jedenfalls gehe immer mit gutem Beispiel voran, mögen die daneben wartenden Weiber mit ihren verzogenen Bälgern auch noch so keifen. Wir alle haben das Bild des jungen Ulrich Wickert vor Augen, wie er einst nonchalant durch den brodelnden Verkehr der Champs-Elysées spazierte. Mütter, gebt zu, da habt ihr doch gebebt vor Verlangen! So ein Mann! Und dann setzt ihr euren Söhnen alberne Plastikhütchen auf, nur weil sie mit dem Rad durch die Wolfsgangstraße strampeln wollen? Mütter, schämt euch! Lutz, du auch!

Erschienen im Journal Frankfurt, 5/2007.


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