Bad Jews im English Theatre

Ein bitterböser Streit der Erben um Religion

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Am Freitag fand die umjubelte Deutschlandpremiere von Joshua Harmons Erstlingswerk "Bad Jews" im English Theatre statt. Auf der Bühne ging es verbal und handgreiflich zur Sache – mit einem großartigen Ensemble.

Nicole Brevoord /

Lassen Sie sich von dem provozierenden Titel „Bad Jews“ der satirischen Geschichte von Joshua Harmon nicht verunsichern. Ja, es geht in dem gefeierten Theaterstück um Judenschelte, genauer um die unterschiedlichen Lebensanschauungen innerhalb einer jüdischen Familie.

Eingebettet in ein mit zunehmender Personenanzahl beengtem Apartment in New York mit Blick auf dem Hudson – im English Theatre wieder brillant in ein Bühnenbild verpackt – braut sich ein Familienstreit zusammen, der viele sonst bekannte Zwistigkeiten ums Erbe in den Schatten stellt. Jonah (seine Bühnenpräsenz ist trotz der verordneten Zurückhaltung erstaunlich: Cory Kahane), ein junger Mann, der gerne seine Ruhe hat und sich aus allem raushält, gehört das tolle Apartment, seine wohlhabenden Eltern haben es ihm gekauft. Doch von Ruhe ist nach der Beerdigung des Holocaustüberlebenden Großvaters Poppy keine Spur. Stattdessen versammeln sich nach und nach die drei Enkel, die unterschiedlicher nicht sein könnten, in Jonahs Wohnung. Daphna (Grandiose Furie: Eden Malyn) ist eine, wie sie sagen würde, gute Jüdin. Die Frau mit der wilden Wuschelmähne ist tief gläubig, da hält sie schon mal Moralpredigten und natürlich nennt sie sich nicht Diane, sondern nach ihrem hebräischen Namen. Der letzte im Bunde ist Liam (Wehe, wenn er über die Bühne fegt: Adam Silver). Er hat kein Problem damit, der „böse Jude“ zu sein, gläubig ist er ohnehin nicht und nie im Traum würde er sich Shlomo nennen, wie Daphne ihn gern aufzieht. Aber Liam hat andere Prioritäten als Religion, er studiert lieber Japanologie und will sich mit der naiv wirkenden Blondine Melody (ganz wundervoll verkörpert von Stephanie Burden) verloben und benötigt dafür keinen Ring, sondern das Amulett, das „Chai“, des Großvaters. „Chai“ bedeutet auf Hebräisch Leben. Poppy hatte das Amulett im KZ unter der Zunge getragen und es so auch herausgeschmuggelt. Daphna hängt daher an dem Schmuckstück. Und so entbrennt nicht nur ein Erbschaftsstreit, es herrscht ein Glaubenskrieg im Wohnzimmer und über allem schwebt die Frage, wie es um die eigene Identität so bestellt ist.

Etwas über 90 Minuten, ohne Pause, wirbeln die Darsteller der Ensemble Theatre Company of Santa Barbara über die Bühne und geben mit ihrem amerikanischen und nicht, wie sonst oft im English Theatre britischen Akzent, dem Stück die nötige Authentizität. Während Cory Kahane als Jonah oft dramaturgisch in den Hintergrund gedrängt wird und dennoch auf der Bühne besteht und in seiner ruhigen, aber wichtigen, Rolle bleibt, ist sehenswert. Fulminant aber ist die stürmische Eden Malyn, die sich buchstäblich mit Adam Silver in die Haare kriegt, brüllt und rot anläuft. Ja, da fühlt sich der Zuschauer wie ein Voyeur, der einer realen Szene beiwohnt. Während man anfangs der Daphna-Darstellerin abnimmt, das sittsame Mädchen zu sein, das sich zunehmend zur Nörglerin entwickelt, überzeugt sie später als Furie, die ihr Innerstes nach außen kehrt, deren Worte wie Gewehrsalven klingen und die nicht davor zurückschreckt, die Krallen auszufahren.Wenn Adam Silver mit ausladenden Bewegungen melodramatisch die Bühne überquert, dann kann das Publikum nicht umhin zu lachen.

Ein Streit, kann eben vor Allem für Außenstehende, sehr unterhaltsam sein. Das Publikum hat sich bei der Deutschlandpremiere im English Theatre jedenfalls fürstlich amüsiert, aber auch Stoff für anschließende Diskussionen gefunden.

Bad Jews, bis 1. Juli im English Theatre, Gallusanlage 7

Nicole Brevoord
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig
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