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Trotz unbeantworteter Notrufe
Staatsanwaltschaft lehnt Ermittlungsverfahren ab
In der Nacht des Attentats von Hanau blieben mehrere Notrufe unbeantwortet. Der Vater eines Anschlagopfers warf der Behörde daraufhin fahrlässige Tötung vor. Die Staatsanwaltschaft Hanau hat ein Ermittlungsverfahren nun abgelehnt.
Ende Januar, knapp ein Jahr nach dem rassistischen Attentat von Hanau, wurde durch Medienberichte bekannt, dass die Notrufstelle an jenem Abend unterbesetzt war, einige Anrufe blieben unbeantwortet. Kurze Zeit später räumte auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) einen Engpass beim Notruf der Hanauer Polizeistation in der Tatnacht ein. So sollen auch jene Anrufe des zu Tode gekommenen Vili Viorel Păun nicht niemanden erreicht haben. Dessen Vater hatte daraufhin Anzeige erstattet. Diese wurde nun „mangels eines strafprozessualen Anfangsverdachtes“ abgelehnt, wie die Staatsanwaltschaft Hanau am Montag bekannt gab.
Der Vater von Vili Viorel Păun wirft sowohl den Betreibern der Notrufzentrale als auch den verantwortlichen Beamt:innen an diesem Abend fahrlässige Tötung zum Nachteil seines Sohnes vor. Der 22-Jährige hatte in der Nacht den Attentäter verfolgt, trotz mehrerer Versuche sei es nicht möglich gewesen, den polizeilichen Notruf zu erreichen. Er gehe davon aus, dass sein Sohn heute noch leben würde, wenn er die Notrufzentrale in Hanau erreicht hätte. In diesem Fall hätten ihm die Beamt:innen klare Anweisungen gegeben, um sich selbst nicht zu gefährden, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.
Die Staatsanwaltschaft Hanau leitete daraufhin ein Prüfverfahren ein. Das Ergebnis wurde nun veröffentlicht: Darin heißt es „ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten von Angehörigen der Polizeistation Hanau I wurde nicht festgestellt“. In diesem Zusammenhang habe man auch eine mögliche „pflichtwidrige“ Unterbesetzung der Notrufstelle geprüft. Neben Audiospuren der eingegangenen Notrufe, wurden laut Staatsanwaltschaft auch Mitschnitte des Polizeifunks sowie Einsatzprotokolle untersucht. In einem weiteren Schritt habe man die in jener Nacht zuständigen Beamtinnen und Beamten der Notrufstelle befragt.
Laut Staatsanwaltschaft waren in der Tatnacht sowohl ein Beamter als auch eine Beamtin an der Notrufannahmestelle im Einsatz. Aufgrund noch fehlender Zentralisierungsmaßnahmen des Notrufs war es zu jenem Zeitpunkt nur möglich, die Anrufe von zwei Personen gleichzeitig anzunehmen. Testungen zufolge erhielt ein „dritten Anrufer“ je nach Funknetz entweder ein Besetztzeichen oder es erwartete ihn „schlicht Stille“. In jener Nacht gingen mehrere Notrufe ein, die auch von den Beamt:innen vor Ort angenommen wurden, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft.
Die Auswertung des Mobiltelefons von Vili Viorel Păun wiederum habe nun gezeigt, dass dieser zwischen 21:57:54 und 21:59:56 Uhr insgesamt fünfmal versucht hatte, den Polizeinotruf zu erreichen, wobei er sich zweimal verwählt haben soll. Ob das Mobiltelefon tatsächlich eine Verbindung zu dem Polizeinotruf 110 aufbauen konnte oder eine solche aus technischen Gründen nicht zustande kam, sei laut Staatsanwalt nicht mehr nachvollziehbar. Da in jener Nacht bereits mehrere Notrufe eingingen, spreche „eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür“, dass Păun bei keinem seiner drei Versuche durchgekommen ist.
Im weiteren Verlauf wurde auch die vorgeschriebene Mindestwachstärke der Hanauer Polizeistation überprüft. Diese sei bei Dienstbeginn eingehalten worden, aufgrund eines Bombenfunds im Ortsteil Zeppelinheim wurden jedoch Kräfte entsandt. Dass durch den Bombenfund die Polizeikräfte anders eingesetzt und die Mindeststärken im Einzelfall unterschritten wurde, sei „nach den dienstlichen Vorgaben hinzunehmen“. Die Polizeibeamt:innen hätten laut Staatsanwaltschaft dennoch „im Rahmen ihrer dienstlichen Vorgaben“ agiert.
Ein mögliches Organisationsversagen im Zusammenhang mit der Überlastung des Notrufs könne nicht in kausalen Zusammenhang mit dem Tod von Păun gebracht werden, so die Staatsanwaltschaft. Auch wenn Păun bei seinem ersten Versuch direkt den Notruf erreicht hätte, sei der Tod der in der Arena Bar und dem Kiosk 24/7 in Hanau-Kesselstadt getöteten fünf Menschen zeitlich nicht zu verhindern gewesen.
Für Zivilcourage posthum ausgezeichnet
Für sein selbstloses Handeln in der Tatnacht wurde der 22-jährige Vili Viorel Păun im April von der Hessischen Landesregierung posthum mit der Hessischen Medaille für Zivilcourage ausgezeichnet. Statt zu- oder wegzuschauen, habe Păun blitzschnell und mutig reagiert und mit entschlossenem Eintreten versucht, Menschenleben zu retten, teilte Ministerpräsident Volker Bouffier mit. Bereits im vergangenen Jahr war auf dem Parkplatz des Supermarktes am Hanauer Kurt-Schumacher-Platz – dem Ort, an dem Vili Viorel Păun erschossen wurde – ein weißes Steinkreuz errichtet worden.
Der Vater von Vili Viorel Păun wirft sowohl den Betreibern der Notrufzentrale als auch den verantwortlichen Beamt:innen an diesem Abend fahrlässige Tötung zum Nachteil seines Sohnes vor. Der 22-Jährige hatte in der Nacht den Attentäter verfolgt, trotz mehrerer Versuche sei es nicht möglich gewesen, den polizeilichen Notruf zu erreichen. Er gehe davon aus, dass sein Sohn heute noch leben würde, wenn er die Notrufzentrale in Hanau erreicht hätte. In diesem Fall hätten ihm die Beamt:innen klare Anweisungen gegeben, um sich selbst nicht zu gefährden, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.
Die Staatsanwaltschaft Hanau leitete daraufhin ein Prüfverfahren ein. Das Ergebnis wurde nun veröffentlicht: Darin heißt es „ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten von Angehörigen der Polizeistation Hanau I wurde nicht festgestellt“. In diesem Zusammenhang habe man auch eine mögliche „pflichtwidrige“ Unterbesetzung der Notrufstelle geprüft. Neben Audiospuren der eingegangenen Notrufe, wurden laut Staatsanwaltschaft auch Mitschnitte des Polizeifunks sowie Einsatzprotokolle untersucht. In einem weiteren Schritt habe man die in jener Nacht zuständigen Beamtinnen und Beamten der Notrufstelle befragt.
Laut Staatsanwaltschaft waren in der Tatnacht sowohl ein Beamter als auch eine Beamtin an der Notrufannahmestelle im Einsatz. Aufgrund noch fehlender Zentralisierungsmaßnahmen des Notrufs war es zu jenem Zeitpunkt nur möglich, die Anrufe von zwei Personen gleichzeitig anzunehmen. Testungen zufolge erhielt ein „dritten Anrufer“ je nach Funknetz entweder ein Besetztzeichen oder es erwartete ihn „schlicht Stille“. In jener Nacht gingen mehrere Notrufe ein, die auch von den Beamt:innen vor Ort angenommen wurden, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft.
Die Auswertung des Mobiltelefons von Vili Viorel Păun wiederum habe nun gezeigt, dass dieser zwischen 21:57:54 und 21:59:56 Uhr insgesamt fünfmal versucht hatte, den Polizeinotruf zu erreichen, wobei er sich zweimal verwählt haben soll. Ob das Mobiltelefon tatsächlich eine Verbindung zu dem Polizeinotruf 110 aufbauen konnte oder eine solche aus technischen Gründen nicht zustande kam, sei laut Staatsanwalt nicht mehr nachvollziehbar. Da in jener Nacht bereits mehrere Notrufe eingingen, spreche „eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür“, dass Păun bei keinem seiner drei Versuche durchgekommen ist.
Im weiteren Verlauf wurde auch die vorgeschriebene Mindestwachstärke der Hanauer Polizeistation überprüft. Diese sei bei Dienstbeginn eingehalten worden, aufgrund eines Bombenfunds im Ortsteil Zeppelinheim wurden jedoch Kräfte entsandt. Dass durch den Bombenfund die Polizeikräfte anders eingesetzt und die Mindeststärken im Einzelfall unterschritten wurde, sei „nach den dienstlichen Vorgaben hinzunehmen“. Die Polizeibeamt:innen hätten laut Staatsanwaltschaft dennoch „im Rahmen ihrer dienstlichen Vorgaben“ agiert.
Ein mögliches Organisationsversagen im Zusammenhang mit der Überlastung des Notrufs könne nicht in kausalen Zusammenhang mit dem Tod von Păun gebracht werden, so die Staatsanwaltschaft. Auch wenn Păun bei seinem ersten Versuch direkt den Notruf erreicht hätte, sei der Tod der in der Arena Bar und dem Kiosk 24/7 in Hanau-Kesselstadt getöteten fünf Menschen zeitlich nicht zu verhindern gewesen.
Für Zivilcourage posthum ausgezeichnet
Für sein selbstloses Handeln in der Tatnacht wurde der 22-jährige Vili Viorel Păun im April von der Hessischen Landesregierung posthum mit der Hessischen Medaille für Zivilcourage ausgezeichnet. Statt zu- oder wegzuschauen, habe Păun blitzschnell und mutig reagiert und mit entschlossenem Eintreten versucht, Menschenleben zu retten, teilte Ministerpräsident Volker Bouffier mit. Bereits im vergangenen Jahr war auf dem Parkplatz des Supermarktes am Hanauer Kurt-Schumacher-Platz – dem Ort, an dem Vili Viorel Păun erschossen wurde – ein weißes Steinkreuz errichtet worden.
6. Juli 2021, 13.30 Uhr
Sina Eichhorn
Sina Eichhorn
Geboren 1994 in Gelnhausen. Nach einem Studium der Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen seit Oktober 2018 beim Journal Frankfurt. Zunächst als Redakteurin, seit 2021 Chefin vom Dienst. Mehr von Sina
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