Eigentlich geht es im S&K-Prozess um bandenmäßigen Betrug und einen Schaden von 240 Millionen. Am Mittwoch aber drehte sich vieles um Datenwust, ein Katzenvideo und um die vermeintliche Befangenheit der Richter.
Nicole Brevoord /
Mehr als zwei Wochen ist es her, da dachte der geneigte Prozessbeobachter des S&K-Verfahrens, endlich ist es vorbei. Endlich geht es ums eigentliche Thema. Um zwei Haupt- und vier Mitangeklagte, die verkürzt gesagt, gemeinsam Anleger um ihr Geld geprellt haben sollen, um sich so persönlich zu bereichern, sich also ein spektakuläres Leben in Saus und Braus zu ermöglichen. Eine Schadenssumme von 240 Millionen Euro steht im Raum. 1700 Seiten ist die Anklageschrift stark, davon war bislang nur die Kurzfassung, die abstrakte Anklage, verlesen worden. Zuvor hatten sich die Verteidiger ins juristische Kleinklein geflüchtet, Anträge ohne Unterlass gestellt, versucht Revisionsgründe zu finden und den Fortgang des Prozesses somit nicht eben beschleunigt.
Am Mittwoch, dem siebten Prozesstag ließ man sich dann aber wieder Zeit mit dem weiteren Verlesen der Anklageschrift. Zuvor mussten noch Befangenheitsanträge gestellt und Organisatorisches geklärt werden, so als würde alles noch mal von vorn anfangen. Das vorweg: 20 der insgesamt 1750 Seiten starken Anklageschrift wurden durch den Oberstaatsanwalt letztlich verlesen, was etwa eine Stunde dauerte und in der Monotonie Gerichtsdiener dazu verführte entweder ein Nickerchen zu machen oder mit ihren Handys Spiele zu spielen. Während der Presse die Mitnahme von Mobiltelefonen in den Gerichtssaal untersagt ist, nutzen die Anwälte und Gerichtsdiener diese offenbar rege. Eine von vielen Merkwürdigkeiten in diesem Verfahren.
Dazu gehört auch, dass die Verhandlungstage selten pünktlich beginnen und so ziemlich jede Pause länger wird als angekündigt. Dem Hauptangeklagten Stephan S. ist das Grinsen während des Verfahrens noch nicht vergangen, seine Kumpel sitzen im Zuschauerraum und ihnen zwinkert und winkt er stets beim Betreten des Saals freudig zu. Locker auch sein einstiger Kompagnon Jonas K., der neuerdings die Krawatte weglässt, Anzug und Dauerlächeln müssen reichen. Ohnehin argwöhnt er anscheinend, dass vor Gericht nicht alles mit rechten Dingen vor sich geht. Seine Anwältin verliest jedenfalls gleich zu Beginn einen Befangenheitsantrag. So was dauert schon mal 45 Minuten. Zusammengefasst sollen die Richter die Maxime In dubio pro reo missachtet haben und Herrn K. das denkbar Schlimmste unterstellt haben, was auch die Details des Haftbefehls nahelegen sollen. Darüber wird befunden werden müssen, weshalb am Freitag die Verhandlung ausfallen wird.
Der digitale Wust Richter El Duwaik, an sich sehr zurückhaltend, empfahl allgemeine Anträge außerhalb der Hauptverhandlung zu stellen und das persönliche Gespräch zu suchen, um die Hauptverhandlung zu beschleunigen. Doch wieder regten die Verteidiger eine Diskussion an, denn es sei ihnen immer noch nicht möglich, sämtliche Unterlagen zu dem Fall zu sichten. Ein digitaler Wust an E-Mails, aber auch an Telefonprotokollen sei im Polizeirevier asservatisch verwahrt. Doch einerseits vergebe das Präsidium kaum Termine, um all das zu sichten, anderseits sei das Polizeipräsidium weder in der Anzahl der Arbeitsplätze noch technisch dazu in der Lage, die digitalen Beweismittel adäquat anzuzeigen, so dass die Anwälte sich einen umfassenden Eindruck verschaffen könnten. So habe man bislang nur 18 000 von insgesamt 500 000 Mails lesbar machen können. Ein Unding.
Katze mit Eiern Aus Datenschutzgründen seien zudem angeblich private, intime Mails und Anrufprotokolle gelöscht worden. Das aber weckt die Skepsis der Verteidiger, die der Staatsanwaltschaft unterstellen, dass sie zuwenig entlastendes Material gesichert habe. Hingegen fänden sich sehr wohl noch Protokolle von Telefonaten über die Planung der Silberhochzeit der Tante von Stephan S. Auch gehöre folgende Mail vom August 2012 zu den Akten im Polizeipräsidium. Betreff: Mutiger Hüpfer. Darin ein Link zu einem Video auf Youtube, geschickt von der Verlobten von Stephan S. an den Angeklagten. „Die Katze will ich haben, die hat Eier“, soll dieser geantwortet haben. Und so wurde tatsächlich der Dialog zu einem Katzenvideo zum Thema im Gerichtssaal. Dabei legten die Verteidiger nahe, dass wenn diese Mailkorrespondenz erhalten geblieben sei, dann wohl entlastende Mails gelöscht worden sein müssen. „90 Prozent des entlastenden Materials ist eliminiert worden“, schimpfte ein Verteidiger, der seit Anfang an verbale Pfeile gegen die Staatsanwaltschaft schießt. Diese will das protokolliert haben, was sowohl die Verteidigung als auch der Richter ablehnen.
Und dann kommt die Lesung Letztlich will es sich die Staatsanwaltschaft nicht nehmen lassen, endlich mit der Verlesung der Anklageschrift zu beginnen. Am liebsten noch mal ganz von vorne, mit dem abstrakten Teil, dann sei alles aus eine Guss ohne die lästige Unterbrechung durch die Verteidigung. Das kann der Richter aber verhindern. Und so beginnt endlich der offizielle Teil: Zwanzig Seiten zu der Entstehung der vermeintlich kriminellen Verflechtungen des S&K-Unternehmens mit seinen zahlreichen Gesellschaften und Fonds und der jeweiligen Beteiligung der sechs Angeklagten, wovon allein einer Geschäftsführer von mehr als fünfzig namentlich erwähnten Gesellschaften gewesen ist. Nein, vergnügungssteuerpflichtig ist dieser Teil des Verfahrens nicht. Das Verlesen wird wohl noch einige Wochen dauern, am Donnerstag geht es weiter….
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig