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Podiumsdiskussion zu Alt-Sachsenhausen
"Hibbdebach bauen sie die Altstadt auf, Dribbdebach verelendet"
"Wir haben doch schon eine Altstadt und die verkommt!", hört man gerne Gegner der neugebauten Altstadt in der City sagen. Eine Podiumsdiskussion zeigte Dienstag, dass es in Alt-Sachsenhausen Handlungsbedarf gibt, die Stadt diesen aber nicht erkennt.
Frankfurt hat sein Herz für die Altstadt, für kleinteilige Bebauung und Fachwerkhäuser entdeckt und scheut deshalb weder Kosten noch Mühen, diese neue Altstadt in der Innenstadt zu errichten. Gleichzeitig gibt es auch im Süden Frankfurts eine Altstadt, eine originale, die verkümmert und mit Shishabars und Ballermannkneipen nur noch als Kulisse für Junggesellenabschiede von Menschen aus dem Vogelsbergkreis dient. Dort zeigt sich der Magistrat sehr viel weniger entschlussfreudig als im Stadtkern. Da werde mal ein Kuhhirtenturm saniert, man gestalte auch mal einen Platz, etwa an der Jugendherberge, und stückele für den Bodenbelag gerne mal drei verschiedene Pflastersorten zusammen so als sei es ein Symbol für die Planlosigkeit der Stadt, die nur Flickschusterei betreibt. So ähnlich lässt sich zusammenfassen, was am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion besprochen wurde.
Überlassen wir Alt-Sachsenhausen vollends dem Ballermann und was kann die alte Altstadt von der neuen lernen? Um dies zu klären befragte FAZ-Redakteur Rainer Schulze auf dem Podium die Architektin Marie-Theres Deutsch, die seit vier Jahren in der Paradiesgasse wohnt,Franziska Nori, seit sieben Monaten Leiterin des Kunstvereins, Michael Guntersdorf, den Geschäftsführer der DomRömer GmbH und Immobilienentwickler Steen Rothenberger, der in Alt Sachsenhausen zwei Projekte hat.
Die neue Altstadt macht vieles anders
Marie Theres Deutsch berichtete über das „Remmidemmi“, das man vor allem immer freitags bis samstags als Anwohner ertragen müsse, speziell ab 23 Uhr. Den Lärmhöhepunkt gebe es zwischen zwei und drei Uhr. Dennoch ist sich Deutsch sicher: „Die Lage ist so lohnenswert und ich hoffe, dass sich die Partyzone bald reduziert.“ Aus einem traditionsreichen Apfelweinviertel habe sich mit den in Frankfurt stationierten Amerikanern ein Vergnügungsviertel entwickelt. Die Amerikaner seien weg, dafür fühle sich der Frankfurter dort kaum mehr wohl. „Doch es gibt einen Generationswechsel und damit eine Chance auf Veränderung hin zu mehr Niveau“, sagt Deutsch. Rothenberger indes glaubt, dass die Kleinteiligkeit der Schlüssel zum Erfolg Alt-Sachsenhausens darstelle. Man brauche eine Permakultur, etwas, dass sich gegenseitig befruchtet und man müsse weg von der Monokultur.
Von Monokultur werde in der neuen Altstadt keine Rede sein, wusste Michael Guntersdorf zu berichten. Es werde dort keine Junggesellinnenabschiede geben, die Nutzungen habe man selbst ausgesucht und zusammengestellt. „Nachts um 2 Uhr gibt es keinen Alkoholausschank mehr, die Außenbestuhlung ist auf 23 Uhr begrenzt, außerdem wird es eher weniger Vollgastronomie geben“, erklärt Guntersdorf und sagt über Alt-Sachsenhausen: „Der erklärte Wille etwas zu ändern fehlt, es gibt eine gewisse Halbherzigkeit von Seiten der Stadt.“
Der Kunstverein sei nur eine von vielen kulturellen Einrichtungen, die sich in Laufnähe der neuen Altstadt befinden werden, sagte Nori. „Ich gehe davon aus, dass die Altstadt nicht zum Disneyland wird.“ Für Alt-Sachsenhausen könne sie sich vorstellen, dass subkulturelle Einrichtungen das Viertel beleben könnten. Kultur sei einer der ersten Schritte, argumentierte Rothenberger, aber dafür müsse man erstmal den Boden schaffen. Er habe die Idee eines Manifestes gehabt und Gastronomen, Architekten und Künstler zur Unterschrift verpflichtet, die alle versprochen hätten, sich um das Wohl Alt-Sachsenhausens zu kümmern.
Die Stadt ist in der Pflicht
Marie Theres Deutsch appellierte an die Stadt die Rahmenbedingungen zu schaffen. Es gebe Einzelinitiativen, aber die Stadt könne beispielsweise die Eingangsbereiche zur Altstadt attraktiver gestalten. Derzeit werde der Straßenbelag an der Zufahrt zur Elisabethenstraße gelegt, ein technokratischer Vorgang, bei dem die Stadt keine Sekunde überlegt habe, wie man dort etwa gestalterisch einen Ortseingang schaffen könne. Beim DomRömer-Projekt habe man den Krönungsweg herausgearbeitet, ebenso habe man in Alt-Sachsenhausen die Möglichkeit, den historischen Weg der Händler nachzuempfinden. „Brunnen sanieren und Pflaster erneuern, das ist löblich, aber die Maßnahmen müssen weiter, ja darüber hinausgehen.“ Auch Michael Guntersdorf verwies auf ein 2001 aufgelegtes Förderprogramm, bei dem die Stadt ordentlich Geld in Einzelmaßnahmen investiert habe. „Aber das alles nutzt nichts, wenn man strukturell etwas ändern will.“
Nur die gemeinsame Willensbildung mache Alt-Sachsenhausen zum Erfolg, findet Rothenberger, aber es werde schwierig, weil keine Anwohner da seien. „Wir schaffen eine Müllhalde für Leute, die gar nicht in Frankfurt wohnen.“ Stellt sich nur die Frage, warum Alt-Sachsenhausen nicht mehr zum Wohnstandort ausgebaut wird und ob Frankfurt tatsächlich ein Vergnügungsviertel braucht. Zuletzt hatte die Stadt die Idee, mit der Fliegenden Volksbühne Kultur in das Viertel zu bringen und somit das Publikum zu verändern. „Derzeit gibt es doch gar keine Frequenz im Viertel, es ist laut und dreckig. Jede kulturelle Nutzung braucht einen Nährboden und der fehlt. Es gibt keine Lobby aus Sachsenhausen außer Shishabetreibern und dem Oberbayern vielleicht“, wettert Rothenberger. „Und die Ballermannnutzung kriegt man ohne Sperrstunden nicht in den Griff.“
Doch ob man mit Kultur das Viertel auch tagsüber beleben könne, dazu kamen im Verlauf der sehr homogenen Podiumsdiskussion Zweifel auf. Am Ende der neunzigminütigen Gesprächsrunde stand fest, dass Einzelprojekte wie etwa das recht neue Skatergeschäft Bonkers oder Rothenbergers Atelierhaus das Viertel beleben könnten, aber all das nichts nutze, wenn die Stadt nicht willens sei, das Viertel konsequent mit einem Masterplan voran zu treiben.
Überlassen wir Alt-Sachsenhausen vollends dem Ballermann und was kann die alte Altstadt von der neuen lernen? Um dies zu klären befragte FAZ-Redakteur Rainer Schulze auf dem Podium die Architektin Marie-Theres Deutsch, die seit vier Jahren in der Paradiesgasse wohnt,Franziska Nori, seit sieben Monaten Leiterin des Kunstvereins, Michael Guntersdorf, den Geschäftsführer der DomRömer GmbH und Immobilienentwickler Steen Rothenberger, der in Alt Sachsenhausen zwei Projekte hat.
Die neue Altstadt macht vieles anders
Marie Theres Deutsch berichtete über das „Remmidemmi“, das man vor allem immer freitags bis samstags als Anwohner ertragen müsse, speziell ab 23 Uhr. Den Lärmhöhepunkt gebe es zwischen zwei und drei Uhr. Dennoch ist sich Deutsch sicher: „Die Lage ist so lohnenswert und ich hoffe, dass sich die Partyzone bald reduziert.“ Aus einem traditionsreichen Apfelweinviertel habe sich mit den in Frankfurt stationierten Amerikanern ein Vergnügungsviertel entwickelt. Die Amerikaner seien weg, dafür fühle sich der Frankfurter dort kaum mehr wohl. „Doch es gibt einen Generationswechsel und damit eine Chance auf Veränderung hin zu mehr Niveau“, sagt Deutsch. Rothenberger indes glaubt, dass die Kleinteiligkeit der Schlüssel zum Erfolg Alt-Sachsenhausens darstelle. Man brauche eine Permakultur, etwas, dass sich gegenseitig befruchtet und man müsse weg von der Monokultur.
Von Monokultur werde in der neuen Altstadt keine Rede sein, wusste Michael Guntersdorf zu berichten. Es werde dort keine Junggesellinnenabschiede geben, die Nutzungen habe man selbst ausgesucht und zusammengestellt. „Nachts um 2 Uhr gibt es keinen Alkoholausschank mehr, die Außenbestuhlung ist auf 23 Uhr begrenzt, außerdem wird es eher weniger Vollgastronomie geben“, erklärt Guntersdorf und sagt über Alt-Sachsenhausen: „Der erklärte Wille etwas zu ändern fehlt, es gibt eine gewisse Halbherzigkeit von Seiten der Stadt.“
Der Kunstverein sei nur eine von vielen kulturellen Einrichtungen, die sich in Laufnähe der neuen Altstadt befinden werden, sagte Nori. „Ich gehe davon aus, dass die Altstadt nicht zum Disneyland wird.“ Für Alt-Sachsenhausen könne sie sich vorstellen, dass subkulturelle Einrichtungen das Viertel beleben könnten. Kultur sei einer der ersten Schritte, argumentierte Rothenberger, aber dafür müsse man erstmal den Boden schaffen. Er habe die Idee eines Manifestes gehabt und Gastronomen, Architekten und Künstler zur Unterschrift verpflichtet, die alle versprochen hätten, sich um das Wohl Alt-Sachsenhausens zu kümmern.
Die Stadt ist in der Pflicht
Marie Theres Deutsch appellierte an die Stadt die Rahmenbedingungen zu schaffen. Es gebe Einzelinitiativen, aber die Stadt könne beispielsweise die Eingangsbereiche zur Altstadt attraktiver gestalten. Derzeit werde der Straßenbelag an der Zufahrt zur Elisabethenstraße gelegt, ein technokratischer Vorgang, bei dem die Stadt keine Sekunde überlegt habe, wie man dort etwa gestalterisch einen Ortseingang schaffen könne. Beim DomRömer-Projekt habe man den Krönungsweg herausgearbeitet, ebenso habe man in Alt-Sachsenhausen die Möglichkeit, den historischen Weg der Händler nachzuempfinden. „Brunnen sanieren und Pflaster erneuern, das ist löblich, aber die Maßnahmen müssen weiter, ja darüber hinausgehen.“ Auch Michael Guntersdorf verwies auf ein 2001 aufgelegtes Förderprogramm, bei dem die Stadt ordentlich Geld in Einzelmaßnahmen investiert habe. „Aber das alles nutzt nichts, wenn man strukturell etwas ändern will.“
Nur die gemeinsame Willensbildung mache Alt-Sachsenhausen zum Erfolg, findet Rothenberger, aber es werde schwierig, weil keine Anwohner da seien. „Wir schaffen eine Müllhalde für Leute, die gar nicht in Frankfurt wohnen.“ Stellt sich nur die Frage, warum Alt-Sachsenhausen nicht mehr zum Wohnstandort ausgebaut wird und ob Frankfurt tatsächlich ein Vergnügungsviertel braucht. Zuletzt hatte die Stadt die Idee, mit der Fliegenden Volksbühne Kultur in das Viertel zu bringen und somit das Publikum zu verändern. „Derzeit gibt es doch gar keine Frequenz im Viertel, es ist laut und dreckig. Jede kulturelle Nutzung braucht einen Nährboden und der fehlt. Es gibt keine Lobby aus Sachsenhausen außer Shishabetreibern und dem Oberbayern vielleicht“, wettert Rothenberger. „Und die Ballermannnutzung kriegt man ohne Sperrstunden nicht in den Griff.“
Doch ob man mit Kultur das Viertel auch tagsüber beleben könne, dazu kamen im Verlauf der sehr homogenen Podiumsdiskussion Zweifel auf. Am Ende der neunzigminütigen Gesprächsrunde stand fest, dass Einzelprojekte wie etwa das recht neue Skatergeschäft Bonkers oder Rothenbergers Atelierhaus das Viertel beleben könnten, aber all das nichts nutze, wenn die Stadt nicht willens sei, das Viertel konsequent mit einem Masterplan voran zu treiben.
1. Juli 2015, 10.21 Uhr
nb
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23. November 2024
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