In einem Senatsantrag hat das Präsidium der Goethe-Universität die Einführung von elektronischen Wahlen in Aussicht gestellt. Der AStA wirft dem Präsidium vor, die Studierenden nicht an der Entscheidung zu beteiligen. Das Präsidium weist die Vorwürfe von sich.
Johanna Wendel /
Bei dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Goethe-Universität sorgt aktuell eine Beschlussvorlage für die Senatssitzung am Mittwochnachmittag für Verärgerung. Erwähnt werde darin laut AStA die Einführung elektronischer Wahlen durch den Anbieter Polyas. Das Präsidium habe die Studierendenschaft anders als zuvor angekündigt nicht an dieser Entscheidung beteiligt, heißt es vom AStA. „Aus Sicht der Studierendenschaft wurde das Versprechen, die Studierendenschaft einzubeziehen, massiv gebrochen“, sagt AStA-Vorsitzende Melissa Dutz. „Das Verhalten des Uni-Präsidiums, noch im März von einem 'Spektrum an Möglichkeiten' zu sprechen und nun sogar schon einen konkreten Anbieter zu nennen – ohne dass zwischenzeitlich der versprochene Austauschprozess in Gang gebracht worden wäre – ist aus Perspektive der Studierendenschaft unredlich.“ Der AStA wirft dem Präsidium zudem vor, „ausgerechnet in Zeiten der Covid-19-Pandemie einen Senatsbeschluss zu forcieren.“
„Eine Woche ist sehr wenig Zeit, um sich mit so einer Sache zu beschäftigten, deshalb haben wir den Eindruck, dass die Wahl des Zeitpunkts Absicht war“, so Dutz. Das Präsidium habe gegenüber dem AStA zudem betont, dass es sich dabei um den Anfang eines langen Prozesses handle, und dass es sich einen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Studierendenschaft in einem Arbeitskreis wünsche. „Am 2. März wurde der Themenkomplex im monatlichen Jour Fixe von AStA-Vorstand und Uni-Präsidium zum ersten Mal angesprochen“, so der AStA. Eine Einladung zu einem solchen Arbeitskreis sei aber nicht erfolgt. „Es handelt sich dabei schließlich um ein Thema, das die Studierendenschaft stark betrifft. Deshalb wäre es schön gewesen, zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen und uns nicht einfach eine Entscheidung vorzusetzen.“ Im Senat sind die Studierenden neben neun Mitgliedern der Professorengruppe, drei wissenschaftlichen Mitgliedern und zwei administrativ-technischen Mitgliedern mit drei Stimmen vertreten. Aufgrund der Corona-Pandemie finde die Senatssitzung allerdings nur in reduzierter Form statt, erklärt Dutz.
Präsidium: „Projekt ist noch nicht entscheidungsreif“
Das Universitäts-Präsidium weist die Vorwürfe des AStA zurück und gibt hingegen an, das Thema bereits im Jahr 2019 dem studentischen Wahlausschuss vorgestellt und im besagten Jour Fixe erneut angesprochen zu haben. „Entgegen der Darstellung des AStA hatte das Präsidium den AStA bereits in diesem Termin gebeten, Mitglieder in eine AG zu entsenden, die die Voraussetzungen für die Einführung einer solchen Software prüft und Empfehlungen erarbeitet. Dieser Bitte ist der AStA nicht nachgekommen“, heißt es vom Präsidium. Mit der erwähnten Senatsvorlage sei eine erste Information und Befassung des Senats beabsichtigt und nicht die Einführung als solche. „Diese wäre im Übrigen auch noch nicht entscheidungsreif, da sich das Projekt erst in einer frühen Phase befindet.“ Der AStA verkenne, dass es sich bei der Einführung von Online-Wahlen „bei weitem“ nicht exklusiv um studentische Wahlen handle, sondern um die digitale Durchführung der Wahlen zu den universitären Gremien insgesamt. „Insofern ist auch der Senat als Vertretung sämtlicher Statusgruppen hier bei der Willensbildung und Entscheidung gefragt“, so das Präsidium. Melissa Dutz befürchtet jedoch, dass die Studierendenschaft, falls sich diese gegen ein Online-Wahlverfahren stellt, die Kosten für studentische Wahlen wie die des Studierendenparlaments selbst tragen muss, da diese üblicherweise gesondert stattfänden.
Als positive Auswirkung, die die Einführung eines elektronischen Wahlsystems auf die Wahlen haben könnte, nennt das Präsidium einen eventuellen Anstieg der Wahlbeteiligung. An mehreren deutschen Universitäten seien solche Verfahren längst etabliert und die Wahlbeteiligung nachweislich gestiegen, führt das Präsidium an. Die Wahlbeteiligung an der Goethe-Universität lag bei den Großen Gremienwahlen im Wintersemester 2018/2019 bei zwölf Prozent (insgesamt rund 45 000 Studierende).
Die Sicherheit von E-Voting-Systemen ist fraglich
Die Sicherheit von Online-Wahlsystemen wird von Expertinnen und Experten infrage gestellt. So stellte Alex Halderman, Professor an der Universität von Michigan, bei Online-Wahlen in Estland im Jahr 2014 fest, dass es bei malware-infizierten Rechnern und Servern beispielsweise möglich sei, das Stimmverhalten nachträglich zu ändern. Auch Hacker des Chaos Computer Clubs (CCC) untersuchten eine in mehreren Bundesländern zur Erfassung und Auswertung der kommenden Bundestagswahl verwendete Software auf Angriffsmöglichkeiten. Die Analyse habe eine Vielzahl von Schwachstellen und mehrere praktikable Angriffsszenarien ergeben, die die Manipulation von Wahlergebnissen auch über die Grenzen von Wahlkreisen und Bundesländern hinweg ermöglichen würden. Die untersuchte Software „PC-Wahl“ werde bereits seit mehreren Jahrzehnten für die Erfassung, Auswertung und Präsentation von Wahlen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene eingesetzt.
Die Wahlsoftware von Polyas wurde vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert und als geeignet für Vereinswahlen, Gremienwahlen – etwa in den Hochschulen, im Bildungs- und Forschungsbereich – und insbesondere nicht-politische Wahlen mit geringem Angriffspotential eingestuft. „Warum Gremienwahlen an Hochschulen niedrigeren demokratischen Standards als öffentliche Wahlen genügen sollten, bleibt dabei offen. Die Wahlen an der Frankfurter Goethe-Uni stellen zudem keine nicht-politischen Wahlen dar, schließlich treten zu den Wahlen von Studierendenparlament und Senat auch politische Hochschulgruppen und parteinahe Listen an“, äußert sich der AStA zur Zertifizierung des BSI. Vorsitzende Dutz betont, dass der AStA aktuell generell eher gegen die Einführung eines E-Voting-Systems sei. „Es müsste eine ausführliche Evaluation erfolgen, die sich eben auch mit den Problemen durch Wahlmanipulation auseinandersetzt.“