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OECD-Studie
Wie arm sind Frankfurts Kinder?
Mehr als 40 Prozent der Kinder in Fechenheim leben von Hartz IV. Dennoch: Nach neuesten Berechnungen gibt es in Deutschland viel weniger arme Kinder als bisher behauptet. Wie sieht die Sache in Frankfurt aus?
Wann gilt ein Kind als arm? Fragt man drei Frankfurter Experten, erhält man am Ende drei Antworten. Auch wenn sie sich nicht eklatant unterscheiden: Eine eindeutige Definition zu bekommen ist schwierig. Alle Hilfsempfänger seien zu zählen, so lautet die Variante von Peter Feldmann, sozialpolitischer Sprecher der Frankfurter SPD. Sein Kollege von der CDU, Stephan Siegler, setzt auf eine andere gängige Definition: die unter Fünfzig-Prozent-Schwelle – die umfasst alle Familien, denen monatlich weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung steht. Das Sozialdezernat will sich gar nicht festlegen. „Es gibt nicht die eine verbindliche Definition, was Armut ist“, sagt Manuela Skotnik, Sprecherin des Sozialdezernats. „Wegen der vielen Unwägbarkeiten sprechen wir aber auch am ehesten von der Zahl der Kinder, deren Eltern auf öffentliche Leistungen angewiesen sind.“
Fakt ist: Das Thema Kinderarmut bewegt die Gemüter. Und die Lage von benachteiligten Familien lässt sich dramatisieren oder beschönigen. Je nachdem, was man damit bezwecken will. Denn wie viele Kinder als arm gelten, hängt von der Rechenmethode ab. Im Mai machte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Schlagzeilen: Falscher Alarm, Deutschlands Kinder sind doch nicht so arm wie immer behauptet. Statt der 2009 vermeldeten 16,3 Prozent seien im Untersuchungszeitraum 2005 bis 2008 doch nur 8,3 Prozent der Kinder bedürftig gewesen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das der OECD die Zahlen für ihre Studien liefert, hatte seine Zahlen deutlich nach unten korrigiert – es habe sich ein Messfehler eingeschlichen, der aus unvollständig ausgefüllten Fragebögen resultierte.. „Ich musste bei der Schlagzeile erstmal schmunzeln“, sagt Stephan Siegler. „Grundsätzlich halte ich nichts davon, Studien komplett an Institute auszusourcen, die dringend von staatlichen Zuschüssen abhängig sind.” In Frankfurt kümmert sich das Amt für Statistik um die Zahlen. „Die sind valide und verlässlich”, so der CDU-Mann.
„Solche Ungenauigkeiten lassen sich bei Studien wie der von der OECD nicht vermeiden”, sagt auch Manuela Skotnik. „Genau deshalb stützen wir uns gerne auf die gesicherten Zahlen der ALGII-Empfänger.” Das Problem bisher: Beschränkt man sich auf die Familien, die von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II leben, fallen viele durchs Raster – und zwar die Familien, die kein Artbeitslosengeld II beziehen, aber monatlich auch nicht viel mehr auf dem Konto haben. Seit der Einführung des Bildungspakets durch die Bundesregierung hätte die Stadt jedoch auch diese Gruppe im Visier, so Manuela Skotnik. „Es ist nun viel leichter geworden, auch die Gruppe der Geringverdiener zu erfassen”, sagt sie. „Wenn wir die Familien mit dazu rechnen, die Anspruch auf die Leistungen aus dem Bildungspaket, auf Wohngeld oder den Kinderzuschlag haben, kommen wir auf rund 30.000 bedürftige Kinder in Frankfurt.” Fakt ist: Der Westen und Osten Frankfurts sind noch immer die Armenhäuser der Stadt. In Fechenheim leben 42,7 Prozent der Kinder von Leistungen nach dem SGB II, in Sossenheim sind es 38 Prozent. Dagegen ist im Norden die Welt offenbar noch heil: In Nieder-Erlenbach müssen nur drei Prozent der Familien mit Hartz IV oder Sozialgeld über die Runden kommen.
Eine gewaltige Diskrepanz - und ein Armutszeugnis für die Stadt? “Es gibt auf jeden Fall einige Bereiche, in denen wir uns erheblich bemühen müssen”, sagt Stephan Siegler. Und in einer Hinsicht sind sich die Politiker aus dem Römer über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig: Allein über Statistiken zu diskutieren ändert nichts an der Lage der Kinder. „Jedes arme Kind ist eines zuviel”, sagt der Sozialpolitiker Feldmann. In der Sache helfe die Diskussion über Zahlen keinen Schritt weiter. „In der Stadt herrscht ein Konsens darüber, dass es auf die Hilfemaßnahmen ankommt und wir uns nicht in Definitonsfragen verrennen dürfen”, so Feldmann. “Den Parteien- und Expertenstreit über Zahlen kennen wir hier schon lange nicht mehr.” Über die Art und Weise der Hilfen wird jedoch weiterhin gestritten. Während Feldmann mit seiner im Oktober gegründeten Initiative gegen Kinderarmut an Forderungen wie kostenlosem Mittagessen für alle Kinder und freien Schülertickets festhält, setzt die CDU auf bereits bewährte Fördermaßnahmen - etwa den Ausbau von Familienbildungsstätten. „Und wenn das Land den Ausbau der Ganztagsschulen nicht zügig vorantreibt, wollen wir das auf eigene Rechnung machen”, versichert Siegler. Ein vollmundiges Versprechen.
Fakt ist: Das Thema Kinderarmut bewegt die Gemüter. Und die Lage von benachteiligten Familien lässt sich dramatisieren oder beschönigen. Je nachdem, was man damit bezwecken will. Denn wie viele Kinder als arm gelten, hängt von der Rechenmethode ab. Im Mai machte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Schlagzeilen: Falscher Alarm, Deutschlands Kinder sind doch nicht so arm wie immer behauptet. Statt der 2009 vermeldeten 16,3 Prozent seien im Untersuchungszeitraum 2005 bis 2008 doch nur 8,3 Prozent der Kinder bedürftig gewesen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das der OECD die Zahlen für ihre Studien liefert, hatte seine Zahlen deutlich nach unten korrigiert – es habe sich ein Messfehler eingeschlichen, der aus unvollständig ausgefüllten Fragebögen resultierte.. „Ich musste bei der Schlagzeile erstmal schmunzeln“, sagt Stephan Siegler. „Grundsätzlich halte ich nichts davon, Studien komplett an Institute auszusourcen, die dringend von staatlichen Zuschüssen abhängig sind.” In Frankfurt kümmert sich das Amt für Statistik um die Zahlen. „Die sind valide und verlässlich”, so der CDU-Mann.
„Solche Ungenauigkeiten lassen sich bei Studien wie der von der OECD nicht vermeiden”, sagt auch Manuela Skotnik. „Genau deshalb stützen wir uns gerne auf die gesicherten Zahlen der ALGII-Empfänger.” Das Problem bisher: Beschränkt man sich auf die Familien, die von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II leben, fallen viele durchs Raster – und zwar die Familien, die kein Artbeitslosengeld II beziehen, aber monatlich auch nicht viel mehr auf dem Konto haben. Seit der Einführung des Bildungspakets durch die Bundesregierung hätte die Stadt jedoch auch diese Gruppe im Visier, so Manuela Skotnik. „Es ist nun viel leichter geworden, auch die Gruppe der Geringverdiener zu erfassen”, sagt sie. „Wenn wir die Familien mit dazu rechnen, die Anspruch auf die Leistungen aus dem Bildungspaket, auf Wohngeld oder den Kinderzuschlag haben, kommen wir auf rund 30.000 bedürftige Kinder in Frankfurt.” Fakt ist: Der Westen und Osten Frankfurts sind noch immer die Armenhäuser der Stadt. In Fechenheim leben 42,7 Prozent der Kinder von Leistungen nach dem SGB II, in Sossenheim sind es 38 Prozent. Dagegen ist im Norden die Welt offenbar noch heil: In Nieder-Erlenbach müssen nur drei Prozent der Familien mit Hartz IV oder Sozialgeld über die Runden kommen.
Eine gewaltige Diskrepanz - und ein Armutszeugnis für die Stadt? “Es gibt auf jeden Fall einige Bereiche, in denen wir uns erheblich bemühen müssen”, sagt Stephan Siegler. Und in einer Hinsicht sind sich die Politiker aus dem Römer über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig: Allein über Statistiken zu diskutieren ändert nichts an der Lage der Kinder. „Jedes arme Kind ist eines zuviel”, sagt der Sozialpolitiker Feldmann. In der Sache helfe die Diskussion über Zahlen keinen Schritt weiter. „In der Stadt herrscht ein Konsens darüber, dass es auf die Hilfemaßnahmen ankommt und wir uns nicht in Definitonsfragen verrennen dürfen”, so Feldmann. “Den Parteien- und Expertenstreit über Zahlen kennen wir hier schon lange nicht mehr.” Über die Art und Weise der Hilfen wird jedoch weiterhin gestritten. Während Feldmann mit seiner im Oktober gegründeten Initiative gegen Kinderarmut an Forderungen wie kostenlosem Mittagessen für alle Kinder und freien Schülertickets festhält, setzt die CDU auf bereits bewährte Fördermaßnahmen - etwa den Ausbau von Familienbildungsstätten. „Und wenn das Land den Ausbau der Ganztagsschulen nicht zügig vorantreibt, wollen wir das auf eigene Rechnung machen”, versichert Siegler. Ein vollmundiges Versprechen.
4. Juli 2011, 11.00 Uhr
Jasmin Takim
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