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Krieg in der Ukraine
„Wieder ist die kulturelle Identität einer noch jungen Demokratie bedroht“
Der Frankfurter Musiker Stefan Hantel ist unter dem Künstlernamen Shantel bekannt. Die Ukraine ist auch die Heimat eines Teils seiner Familie. Mit Blick auf die Vergangenheit hätte man es besser wissen müssen, sagt er. Ein Gastbeitrag.
„Wer keine Zähne hat, bekommt auch keinen Karies!“, sagte eine gute ukrainische Freundin gestern zu mir. Im Morgengrauen nach der ersten russischen Bomben-Attacke sprachen wir am Telefon miteinander. Sie lebt in Czernowitz, im Westen der Ukraine. Hier, wenige hundert Kilometer von Lemberg/L`viv, dem aktuellen ukrainischen Regierungssitz entfernt, hört man deutlich, durch das Telefon, die Granateinschläge und Detonationen der russischen Kriegsmaschine.
Was fast niemand zu glauben meinte, ist am 24. Februar 2022, zur tödlichen Gewissheit geworden. Zum ersten Mal seit dem 1. September 1939, als Deutschland den Angriffsbefehl gegen Polen gegeben hat, wird in Europa wieder ein Invasionskrieg gegen einen souveränen Staat geführt. Die Ukraine ist auch die Heimat eines Teils meiner Familie. Czernowitz, ein mystischer Ort im Herzen Südosteuropas, war vielleicht einmal die wichtigste Schnittstelle zwischen Orient und Okzident, der Bauchnabel Europas sozusagen. Ein friedliches Miteinander aus verschiedenen Kulturen und Nationalitäten. Die Region war immer eine heterogene Anordnung von marginalisierten Gruppen und Kulturen. Zeitweise lag der Anteil der jüdischen Bevölkerung bei fast 60 Prozent. Es gab 40 Tageszeitungen und es wurde auf Ukrainisch, Russisch, Polnisch, Jiddisch und Deutsch geflucht, diskutiert und philosophiert. Dann kamen rumänische Nationalisten, später Stalins Rote Armee und am Ende die deutschen Einsatzgruppen der Wehrmacht. Alles wurde zerstört und war versunken, vergessen und verloren.
Heute liegt Czernowitz in der Ukraine. Es ist die fast östlichste Grenze Kontinentaleuropas und wieder ist die kulturelle Identität einer noch jungen Demokratie bedroht. Seit dem Morgengrauen wird geschossen und gebombt, und das mitten im Herzen Europas. Wir sind sprachlos und erschüttert. Die Europäische Politik agiert, wie so oft, hilflos und unentschlossen. Putin ist der uneingeschränkte Aggressor und Kriegsherr. Er hat uns alle belogen und betrogen. Wir hätten es eigentlich nach Syrien und der Annexion der Krim im Jahre 2014 besser wissen müssen. Haben wir aber nicht!
In diesen bitteren Stunden denke ich an meine ukrainischen Freundinnen und Freunde, an die großartigen Konzerte und Partys, die ich dort erleben durfte. Egal, ob in Odessa, Kiew, Lemberg oder Czernowitz. Das Bemerkenswerteste war, dass Russen und Ukrainer immer friedlich auf meinen Konzerten gemeinsam gefeiert haben. Ich kann nicht unterscheiden zwischen Gut und Böse, vielleicht ist das aber auch der falsche Ansatz. Ich sehe nur Menschen mit Wünschen, Zielen und Hoffnungen. Wir sollten nun alles dafür tun, dass diese Hoffnungen nicht wieder zerstört werden, die Region lag schon einmal in Trümmern. Meine uneingeschränkte Solidarität mit den Menschen in der Ukraine!
Der Gastautor „Shantel“ im Wolkenfoyer des Schauspiel Frankfurt © Wonge Bergmann
Was fast niemand zu glauben meinte, ist am 24. Februar 2022, zur tödlichen Gewissheit geworden. Zum ersten Mal seit dem 1. September 1939, als Deutschland den Angriffsbefehl gegen Polen gegeben hat, wird in Europa wieder ein Invasionskrieg gegen einen souveränen Staat geführt. Die Ukraine ist auch die Heimat eines Teils meiner Familie. Czernowitz, ein mystischer Ort im Herzen Südosteuropas, war vielleicht einmal die wichtigste Schnittstelle zwischen Orient und Okzident, der Bauchnabel Europas sozusagen. Ein friedliches Miteinander aus verschiedenen Kulturen und Nationalitäten. Die Region war immer eine heterogene Anordnung von marginalisierten Gruppen und Kulturen. Zeitweise lag der Anteil der jüdischen Bevölkerung bei fast 60 Prozent. Es gab 40 Tageszeitungen und es wurde auf Ukrainisch, Russisch, Polnisch, Jiddisch und Deutsch geflucht, diskutiert und philosophiert. Dann kamen rumänische Nationalisten, später Stalins Rote Armee und am Ende die deutschen Einsatzgruppen der Wehrmacht. Alles wurde zerstört und war versunken, vergessen und verloren.
Heute liegt Czernowitz in der Ukraine. Es ist die fast östlichste Grenze Kontinentaleuropas und wieder ist die kulturelle Identität einer noch jungen Demokratie bedroht. Seit dem Morgengrauen wird geschossen und gebombt, und das mitten im Herzen Europas. Wir sind sprachlos und erschüttert. Die Europäische Politik agiert, wie so oft, hilflos und unentschlossen. Putin ist der uneingeschränkte Aggressor und Kriegsherr. Er hat uns alle belogen und betrogen. Wir hätten es eigentlich nach Syrien und der Annexion der Krim im Jahre 2014 besser wissen müssen. Haben wir aber nicht!
In diesen bitteren Stunden denke ich an meine ukrainischen Freundinnen und Freunde, an die großartigen Konzerte und Partys, die ich dort erleben durfte. Egal, ob in Odessa, Kiew, Lemberg oder Czernowitz. Das Bemerkenswerteste war, dass Russen und Ukrainer immer friedlich auf meinen Konzerten gemeinsam gefeiert haben. Ich kann nicht unterscheiden zwischen Gut und Böse, vielleicht ist das aber auch der falsche Ansatz. Ich sehe nur Menschen mit Wünschen, Zielen und Hoffnungen. Wir sollten nun alles dafür tun, dass diese Hoffnungen nicht wieder zerstört werden, die Region lag schon einmal in Trümmern. Meine uneingeschränkte Solidarität mit den Menschen in der Ukraine!
Der Gastautor „Shantel“ im Wolkenfoyer des Schauspiel Frankfurt © Wonge Bergmann
25. Februar 2022, 10.50 Uhr
Shantel
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24. Dezember 2024
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