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Foto: Der Industriepark Höchst: eine Stadt  in der Stadt, die niemals schläft. © Harald Schröder
Foto: Der Industriepark Höchst: eine Stadt in der Stadt, die niemals schläft. © Harald Schröder

Januar-Titelstory

Höchst kontrastreich: Streifzüge im Frankfurter Westen

Der Frankfurter Stadtteil Höchst hat eine bewegte Geschichte und eine Gegenwart, in der vieles liebenswert und manches ausbaufähig ist, um Chancen für die Zukunft zu bieten. Ein Gastbeitrag von Peter von Freyberg.
Hoch droben thront ein Bergmann mit Grubenlampe auf einem rund geschwungenen Volutengiebel über einer reichhaltig verschnörkelten Front. Direkt daneben steht ein ebenfalls üppig verzierter Klinkerbau mit Türmchen und Treppengiebel. Beim Streifzug durch Höchst lohnt der Blick nach oben. Der Stadtteil ist zwar unter anderem berühmt für seine denkmalgeschützte Altstadt, aber nicht minder schön sind die etlichen, prächtigen Bauten aus der Gründerzeit: pittoreske Preziosen mit faszinierend facettenreichen Fassaden. Hier bietet so manche Häuserzeile mehr architektonische Vielfalt als das gesamte Europaviertel und der Riedberg zusammen.

In Höchst finden sich viele Spielarten des Historismus: Neoromanik wie die Kirche St. Josef oder gegenüber davon das neobarocke, prunkvoll gestaltete Alte Postamt. Sein stürmisches Wachstum in der Gründerzeit verdankte der Ort vor allem den 1863 entstandenen Farbwerken, die später als Hoechst AG für lange Zeit als global größtes Chemie- und Pharmaunternehmen galten und Höchst zur „Apotheke der Welt“ machten.

Leise rieselt der Industrieschnee in Frankfurt-Höchst

Rauchende Fabrikschlote sind noch heute prägend. Der größte davon, der 167 Meter hohe Kamin D582, ist eine weithin sichtbare Landmarke und belegt Platz 16 im Ranking der höchsten Bauwerke der Stadt. Die vielen Schornsteine führen an so manchem Wintertag zu einem Phänomen, wenn es in der ganzen Umgebung nicht schneit, aber in Höchst: Dort rieselt leise der Industrieschnee.

Der Hoechst-Konzern wurde Ende der 1990er zerschlagen. Aus dem Gelände des Stammwerks wurde der Industriepark Höchst, wo heute mehr als 20 000 Menschen in rund 90 Firmen arbeiten. Die nach dem Flughafen zweitgrößte Arbeitsstätte Frankfurts ist eine Stadt in der Stadt und verfügt beispielsweise über einen eigenen Hafen und ein internes Schienennetz mit einer Ausdehnung von 55 Gleis-Kilometern. Zum Vergleich: Das Frankfurter U-Bahn-Netz misst 65 Kilometer (bezogen auf die reinen Strecken).



Die Bauwagen im Garten des Bolongaropalasts werden noch einige Zeit auf dieser Dauerbaustelle zu sehen sein. © Harald Schröder

Wenn ein indigener Höchster auf die Zeil möchte, sagt er, dass er „nach Frankfurt“ fahre

Auch Höchst selbst ist eine eigene Stadt in der Stadt. Stadtrecht genoss es ab 1355, war jahrhundertelang Amtsstadt und verleibte sich 1917 Sindlingen, Zeilsheim sowie Unterliederbach ein. Elf Jahre später wiederum wurde Höchst nach Frankfurt eingemeindet, blieb aber dennoch ein in vielerlei Hinsicht recht eigenständiges Subzentrum. Nach wie vor verfügt es über ein eigenes Finanzamt, eine von zwei Außenstellen des Amtsgerichts Frankfurt (zumindest noch bis 2028) sowie ein eigenes Standesamt – und was für eins: In einem wunderschönen Pavillon im Garten des Bolongaropalasts. Der eigentliche Palast indes ist seit Jahren eine Baustelle.

Sogar ein eigenes Auto-Kennzeichen hatte Höchst von 1956 bis 1980, als es Kreisstadt des Main-Taunus-Kreises war. Noch heute gibt es 2245 Autos mit dem Kürzel FH auf dem Nummernschild. Auch in den Köpfen vieler Einwohner ist Höchst noch eigenständig. Wenn ein indigener Höchster auf die Zeil möchte, sagt er, dass er „nach Frankfurt“ fahre. Kündigt er hingegen an, dass er „in die Stadt“ wolle, meint er die Fußgängerzone auf der Königsteiner Straße.



Viel Betrieb in der Fußgängerzone der Königsteiner Straße, früher „die Rutsch“ genannt. © Harald Schröder

Höchst hat den zweitgrößten Bahnhof in Frankfurt – gemessen an den Bahnsteiggleisen

Wer indes nach Höchst reisen möchte, kann dies seit 185 Jahren auf dem Schienenweg tun. Die früheste Eisenbahnverbindung in der Region führte ab 1839 von Frankfurt nach Höchst (ein Jahr später erfolgte die Verlängerung nach Wiesbaden). Seitdem ist Höchst ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, gemessen an seinen zwölf Bahnsteiggleisen hat es sogar den zweitgrößten Bahnhof der Stadt. Zigtausende Menschen steigen hier ein, aus und um. In Spitzenzeiten, werktags zwischen 7 und 8 Uhr morgens, fahren hier 19 Regional- und 16 S-Bahnen ab sowie 107 Busse: etwa alle 34 Sekunden einer!

Bis in die 1980er hielten hier auch Fernzüge, die heutigen ICEs indes rollen nur durch den Bahnhof hindurch auf dem Weg zur Waschanlage rund 800 Meter westlich. Immerhin kommt man heuer von Höchst umsteigefrei bis Koblenz, Mannheim oder Limburg – oder nach Königstein, und das mit nagelneuen Triebwagen, die mit Wasserstoff fahren. Den tanken sie nebenan im Industriepark, wo er als Nebenprodukt entsteht.

Eigentlich hätte auch die Bahn nach Bad Soden mit Wasserstoffzügen betrieben werden sollen, aber es gab noch nicht genügend davon, und inzwischen ist die Strecke komplett gesperrt für die kommenden Jahre, wegen des Baus der Regionaltangente, die das Angebot in Höchst zukünftig noch erweitern soll. Und die Straßenbahn? Deren Bau zum Höchster Bahnhof war bereits im Eingemeindungsvertrag versprochen worden. Seit 1952 erreicht die Tram zumindest die Zuckschwerdtstraße, rund 700 Meter westlich vom Bahnhof. Eine Weiterführung wird seitdem diskutiert, im September schrieb die Stadt mal wieder eine Machbarkeitsstudie aus.



Das Bahnhofsgebäude mit Anklängen an den Jugendstil ist bereits das dritte in Höchst. © Harald Schröder

Das „Neue Theater“ ist das kulturelle Aushängeschild des Stadtteils Höchst

Wer aus dem Bahnhofsgebäude am Südausgang heraustritt, findet rechter Hand das erst fünf Jahre alte, moderne Busterminal. Nach links geht es parallel zu den Gleisen durch die „Bruno-Asch-Anlage“, benannt nach dem früheren Höchster Bürgermeister, der erst von den französischen Besatzern und später von den Nazis vertrieben wurde. Versöhnliches Miteinander gibt es hingegen am Ende dieser einzigen expressionistischen Parkanlage Frankfurts: Beim Dalbergkreisel fand bereits ein Dutzend mal das „Internationale Suppenfest“ statt, veranstaltet vom „Bunten Tisch – Höchst miteinander“, einer Initiative des Bundes für Volksbildung (BfV).

Noch unter dem Namen „Höchster Fortbildungsverein“ entstand der Verein 1868, kurz nach Gründung der Farbwerke, um die vielen zugewanderten Arbeiter zu integrieren und ihnen Bildung angedeihen zu lassen. Bekanntestes Projekt des BfV ist seit 1987 das „Neue Theater“, das kulturelle Aushängeschild des Stadtteils. Nationale und internationale Stars aus Kabarett und anderer Kleinkunst geben sich dort die Klinke in die Hand. Jüngst vermeldete es einen Besucherrekord: Bei den 37 Shows des diesjährigen Varieté-Herbsts waren die 250 Sitzplätze zu 96,4 Prozent belegt.

„Es ist ein Publikumsmagnet. Sein Einzugsgebiet reicht weit über Frankfurt, sogar über Landesgrenzen hinaus“, freut sich Bernd Kuske-Schmittinger, der den BfV mit Unterbrechungen seit 2015 führt. Der 67 Jahre alte gebürtige Mannheimer wohnt schon sein halbes Leben lang in Höchst: „Es hat städtisches Flair. Und doch ist es irgendwie ein Dorf: Man kennt sich untereinander.“



Der Höchster Schlossturm ist das Höchster Wahrzeichen. Nach dem 2. Weltkrieg sendete der US-Soldatensender AFN von hier. © Harald Schröder

Königsteiner Straße: früher attraktive Einkaufsmeile, heute wenig einladend

Doch nicht alles ist rosarot rings um den Schlossturm, das Höchster Wahrzeichen. „Parkraummangel, Verkehrsbelastung und Fragen der Stadtbildpflege prägen den Alltag", berichtet Polizeihauptkommissarin Nicole Cuppens, die seit fast eineinhalb Jahrzehnten im 17. Revier tätig ist. Sie und ihr Kollege Falk Heinrich sind seit 2023 als „Schutzleute vor Ort“ direkte Ansprechpartner für die Bürger und versuchen „durch einen intensiven und inklusiven Dialog das Sicherheitsgefühl aller Bevölkerungsgruppen zu stärken“.

Die Sicherheitslage beschäftigt auch den Ortsbeirat und dessen Vorsteherin Susanne Serke (CDU): „Immer wieder äußern Bürger Sorgen über bestimmte Problembereiche, wie insbesondere die Gegend rund um den Höchster Bahnhof und die Bruno-Asch-Anlage. Jüngst sagte mir eine Anwohnerin, dass sie als Frau abends bestimmte Stellen in Höchst meide, weil sie sich unwohl fühle.“ Die 45-Jährige klagt zudem: „Die Königsteiner Straße war früher eine attraktive Einkaufsmeile, doch heute ist die Atmosphäre insgesamt wenig einladend.“



Traditionelles Handwerk im Eiscafè Arnoldo: Elena Arnoldo (rechts) führt das Geschäft in dritter Genration, links Mutter Heidi © Harald Schröder

Elena Arnoldo: „Auf der Königsteiner Straße ist immer noch viel Betrieb“

Eine Institution auf der „Kö“ ist seit rund 60 Jahren das Eiscafè Arnoldo. Hier wird noch traditionelles Eis-Handwerk gepflegt. Elena Arnoldo führt den Betrieb in dritter Generation. Die 43-Jährige meint: „Früher war Höchst sehr angesehen. Vieles hat sich verändert, aber auf der Königsteiner Straße ist immer noch viel Betrieb.“ Davon spürt hingegen Ibrahim Dursun wenig. In seinem Fachgeschäft Fiba-Stoffe verkauft er Meterware in allen Farben des Regenbogens und manche auch glitzernd. Weniger glamourös findet der 45-Jährige jedoch die örtliche Klientel: „Viele nur Jobcenter. An den ersten 2–3 Tagen eines Monats haben sie Geld, und dann nicht mehr.“ Mit dem streitbaren Ruf des Quartiers kokettieren die Brüder Bruno und Igor Sisko. Die Wirte der „Westbar“ betreiben auch das Mode-Label „Höchst asozial“.



Igor und Bruno Sisko (von links) in ihrer „Westbar“ © Harald Schröder

„Höchst hatte in den 90ern und frühen 00ern kein so gutes Image. Wir waren genervt davon, ständig darauf angesprochen zu werden, also haben wir einfach mal 50 „Höchst asozial“-T-Shirts produziert“, berichten die beiden, „es war interessant zu sehen, wie der selbstbewusste Umgang mit der Thematik auch die öffentliche Wahrnehmung veränderte“. Das gefällt auch Susanne Serke: „Ich finde es gut und wichtig, Humor zu nutzen, um mit dem eigenen Ruf umzugehen und Vorurteilen zu begegnen.“ Die gebürtige Höchsterin wünscht sich „mehr politische Aufmerksamkeit und Ressourcen, um die Lebensqualität hier zu steigern. Die westlichen Stadtteile sind oft unterrepräsentiert“.

Ganz oben auf ihrer Wunschliste steht seit Jahren „ein umfassendes Verkehrskonzept, das die Interessen von Anwohnern, Gewerbetreibenden und Besuchern berücksichtigt“. Doch bis das umgesetzt wird, fließt wohl noch viel Wasser den Main hinab – gerade in Höchst, wo der Strom durch die Zuflüsse von Nidda und Liederbach verstärkt wird. Fest vor Anker liegt seit 1959 die „Mainod“, bis 2021 bekannt als „Hotelschiff Schlott“. Unweit davon pendelt die Fähre nach Schwanheim, seit mehr als 400 Jahren. Ob sie das noch lange tun wird, hängt davon ab, ob sich Unterstützer finden, denn von den Passagieren allein kann der Betrieb nicht existieren.



Die Nidda kurz vor ihrer Mündung mit Hausboot und Hotelschiff „Mainod“ im Hintergrund. © Harald Schröder

Höchster und Offenbacher hegen Unbehagen gegenüber dem großen Frankfurt

Viel Tradition und Geschichte finden sich in Höchst, sogar das älteste Gebäude der ganzen Stadt: die Justinuskirche. Teile des Bauwerks sind fast 1200 Jahre alt. Auch sonst bietet Höchst – wie eingangs beschrieben – viele schöne, alte Häuser, denn dort fielen im 2. Weltkrieg nur wenige Bomben. Komplett zerstört wurde es hingegen 1396 durch die Cronberger Ritter, die dazu vom Frankfurter Rat beauftragt worden waren, nach Streit um die Erhebung des Mainzolls.

Noch heute hegen manche Höchster ein gewisses Unbehagen gegenüber dem großen Frankfurt. Das haben sie mit den Offenbachern gemeinsam, wie auch die kulturelle Vielfalt und den manchmal etwas herben Charme. Die beiden einstigen Arbeiterstädte verbindet neuerdings noch mehr: Seit zwei Jahren ist die traditionsreiche Höchster Porzellanmanufaktur der Offenbacher Hochschule für Gestaltung angegliedert.

Info
Stadtteil Höchst-Tour
Höchst ist einer der ältesten und facettenreichsten Stadtteile Frankfurts. Wer bei einem Rundgang die interessante Geschichte und faszinierende Bebauung kennenlernen möchte, kann eine Tour der Stadtevents buchen: www.frankfurter-stadtevents.de/hoechst
 
Fotogalerie:
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