Istanbul-Konvention

Heilig: „Weg zurück ins Mittelalter“

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Vor wenigen Tagen gab die Türkei ihren Austritt aus der Istanbul-Konvention bekannt. Das internationale Abkommen soll Frauen vor Gewalt schützen; weltweit ist die Empörung groß angesichts der Entscheidung von Präsident Erdogan. Regelmäßig werden in der Türkei Frauen ermordet.

rom /

2011 unterschrieben die ersten 13 Mitgliedstaaten des Europarats ein Übereinkommen „zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“. Zehn Jahre später ist ausgerechnet die Türkei aus dem auch als Istanbul-Konvention bekannten Abkommen ausgetreten. Nachvollziehbare Gründe für den Austritt nannte die Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht, der Schritt passt jedoch zu der grundsätzlichen Politik des Landes, in dem allein im Jahr 2020 mindestens 300 Frauen ermordet wurden, meist durch Familienangehörige. Die Dunkelziffer der mutmaßlichen Femizide liegt weit höher.

Die türkische Familienministerin Zehra Zümrüt Selçuk teilte mit, die türkischen Gesetze reichten aus, um die Frauen des Landes vor Gewalt zu schützen. Tatsächlich weist jedoch vieles darauf hin, dass die türkische Justiz gezielt Morde und andere Verbrechen an Frauen verschleiert, und Femizide oftmals als Suizide deklariert.

EU, Europarat und Vereinte Nationen zeigen sich besorgt angesichts des türkischen Austritts aus der Konvention; auch in Frankfurt wird der Schritt scharf kritisiert. „Der türkische Staat hatte bisher schon wenig getan, um die Anforderungen der Konvention umzusetzen“, teilte Ursula auf der Heide, frauenpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Römer mit. „Die demonstrative Abkehr von dieser Konvention ausgerechnet durch die Türkei, fast 10 Jahre, nachdem sie in der Türkei in Istanbul vom Europarat verfasst wurde, stellt jedoch eine gefährliche Eskalation dar.“

Der Austritt sende ein „fatales Signal in die Zivilgesellschaft. Gendergewalt und Femizide sind in der Türkei wie auf der ganzen Welt Alltag“, so auf der Heide. Frauendezernentin Rosemarie Heilig (Bündnis 90/Die Grünen) spricht von einem „Weg zurück ins Mittelalter“. „Nur, weil konservative Politiker überholte, vermeintlich traditionelle Familienstrukturen gefährdet sehen und einen Machtverlust befürchten, hat die Türkei mit dem Austritt aus der Istanbul Konvention nun Fakten geschaffen“, sagte Heilig.

Erdogan entspricht mit der Entscheidung primär den Forderungen fundamental-konservativer und -islamistischer Gruppen. Die behaupten schon länger, die Istanbul-Konvention fördere Scheidungen, außerdem werde das Abkommen genutzt, „um Homosexualität zu normalisieren“. Kurzum, der Schutz der Frauen passt nicht in das durch und durch patriarchale System, dessen islamische Glaubenslehre unvereinbar ist sowohl mit Gleichberechtigung als auch mit Homosexualität.

Doch auch in Deutschland kritisieren Frauenrechtler:innen und Politiker:innen, die bisher mangelhafte Umsetzung der Istanbul-Konvention. Unter anderem die Linke im Römer kritisiert die Frankfurter Stadtregierung für ihre vermeintliche Tatenlosigkeit: „Von der Stadtregierung kam niemand von sich aus auf die Idee, dass mit In-Kraft-Treten der Konvention unverzüglich mit der Umsetzung begonnen werden müsste. Die Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt steht immer noch nicht im Fokus der bisherigen Koalitionsparteien.“


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