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Foto: © Hesselbach-Media
Foto: © Hesselbach-Media

Interview

Hessenkult: Kall, mei Drobbe!

Der Schauspieler und Sänger Jo van Nelsen hat seit 2006 großen Spaß mit seinen „Familie-Hesselbach“-Lesungen. In diesem Jahr feiert die Kultserie ihren 75. Geburtstag. Ein Gespräch über Dialekt, Humor und Humanismus.
JOURNAL FRANKFURT: Was war Ihre erste Begegnung mit den Hesselbachs?
Jo van Nelsen: Ich hatte schon in meinem Kinderzimmer einen eigenen kleinen Fernseher, damit ich nicht immer das Wohnzimmer belege. Ich habe immer viel und gerne Fernsehen geguckt, auch beispielsweise UFA-Filme in Schwarz-Weiß. Und im HR liefen die Hesselbachs über Jahrzehnte hinweg in Dauerschleife, wenn auch immer auf unterschiedlichen Sendeplätzen. Ich habe mich in die Hesselbachs sofort verliebt, wirklich. Und ich habe über die Serie auch mein Hessisch gelernt, denn ich selbst bin zwar in Bad Homburg geboren und aufgewachsen, aber bei uns zu Hause wurde Hochdeutsch gesprochen.

Was mochten und mögen Sie an den Hesselbachs?
Sehr viel. Zunächst einmal gefällt mir, dass Wolf Schmidt, der Erfinder und Hauptdarsteller der Serie, positive Figuren geschaffen hat. Keine aalglatten, nur guten Figuren. Die haben schon ihre Ecken und Kanten; man denkt immer: Das könnte auch meine Familie sein. Das hat mir vielleicht auch deshalb gefallen, weil ich als Einzel- und Scheidungskind Familie immer ein wenig vermisst habe. Der Gedanke kommt mir gerade erst.

„Dieser Karl „Babba“ Hesselbach war für mich auch immer so ein Ideal-Familienoberhaupt“

Das heißt, Sie haben sich emotional als ein Hesselbach gefühlt?
Ja, das würde ich fast vermuten. Dieser Karl „Babba“ Hesselbach war für mich auch immer so ein Ideal-Familienoberhaupt. Ein Choleriker, ja, aber einer, der am Ende des Tages immer auf Versöhnung aus war. Die Kräche werden ja oft dramatisch geführt, gerade in den Radiofolgen, als Lia Wöhr noch die Mama gespielt hat. Aber es gibt ja diesen Satz, dass man nie unversöhnt schlafen gehen darf, und an den haben die Hesselbachs sich auch gehalten.

Das Hessisch der Hesselbachs ist eine universalhessische Kunstsprache ...
Ja, aber sehr am Frankfurterischen orientiert. Wolf Schmidt kam aus Friedberg. Und er hat dann immer mal Figuren eingebaut, die dann beispielsweise ein ganz breites Nord-Hessisch sprechen. Wolf Schmidt hat Wert darauf gelegt, dass seine Geschichten nicht nur in Hessen verstanden werden. Das ist das, was mich an Mundarten so fasziniert. Man kann wirklich hören, wie sich ein Dialekt auf das Temperament auswirkt.

„Wolf Schmidt hat große dramaturgische Fähigkeiten gehabt“

Sie treten mit Ihren Hesselbach-Lesungen jetzt seit 18 Jahren auf. Das Publikum kommt nach wie vor. Warum sind die Hesselbachs so zeitlos?
Da ist zum einen das Beziehungsthema. Das kennt jeder. Mein Publikum ist zwischen 18 und 80. Und ich freue mich immer besonders, wenn ich sehe, dass ganze Familien zu meinen Lesungen kommen. Das zeigt mir: Wolf Schmidt hat große dramaturgische Fähigkeiten gehabt. Er hat die Themen genau im Blick gehabt und die Handlung dann darum herum geschrieben.

Man merkt auch, dass die Konflikte, mit denen er sich beschäftigt hat, sehr tief in der Kriegserfahrung wurzeln. Das waren humanistische Fragen, die bis heute gültig sind: Wie gehen Menschen miteinander um? Wie löse ich einen Konflikt? Und zugleich hatte Schmidt ungeheuren Spaß daran, alles immer wieder durcheinanderzuwirbeln und neue Volten zu schlagen. Das ist diese Mischung aus Tiefgründigkeit und Unterhaltung, die er perfekt beherrscht hat.

„Wenn Babba sich eine halbe Folge lang aufregt, spüre ich die Anspannung am nächsten Tag in den Schulterblättern“

War es schwierig für Sie, sich die unterschiedlichen Stimmen der Figuren für Ihre Lesungen zu erfinden?
Hm, das kommt bei mir wirklich sehr aus dem Körper. Man hat ein inneres Bild der Figur vor Augen. Und dann fängt das an zu sprechen. Das macht manche Folgen recht anstrengend: Wenn Babba sich beispielsweise eine halbe Folge lang sehr aufregt, dann spüre ich die Anspannung am nächsten Tag in den Schulterblättern.

Sind die Hesselbachs gut gealtert?
Im Großen und Ganzen ja. Klar, es gibt so Sätze, da zuckt man heute zusammen. „Ihr kurzes Röckchen war ein angenehmer Morgengruß.“ So etwas würde heute nicht mehr geschrieben werden. Das lese ich dann mit Süffisanz vor und ordne es mit einem Kommentar in die Zeit ein.

„Ich hätte nie gedacht, dass diese Hesselbachs mich so lange auch selbst unterhalten würden“

Was aber doch bemerkenswert ist: Sie machen das noch immer. Warum?
Ich bin jemand, der sich extrem schnell langweilt. Ich hätte nie gedacht, dass diese Hesselbachs mich so lange auch selbst unterhalten würden. Das funktioniert deshalb, weil Wolf Schmidt so gut schreiben konnte. Weil das rhetorisch brillant ist in den Dialogen und so pointiert. So ist ja auch Wolf Schmidts Humor, der sehr hessisch ist: sehr schnell, ein bisschen ruppig. Da wird oft mal etwas rausgehauen, aber so ein „gell“ am Ende eines Satzes entschärft dann vieles. So sind die Hessen; das liebe ich sehr.

Info
Am 17. September 1949 strahlte der Hessische Rundfunk das erste Hörspiel der Familie Hesselbach aus. Es folgten bis 1967 diverse Serien, Hörspiele und Filme, allesamt geschrieben von Wolf Schmidt, der auch die Rolle des Karl „Babba“ Hesselbach übernahm.

Der Schauspieler Jo van Nelsen ist seit 2006 mit seinen mittlerweile berühmten Lesungen aus den Hesselbach-Episoden unterwegs. Im Dezember ist er mit dem Programm „Weihnachten mit den Hesselbachs“ in Friedberg (1.12.), Friedrichsdorf (3.12.), Hattersheim (7.12.), Frankfurt (12.12. und 28.12.), Kronberg (18.12.) und Bad Vilbel (22.12.) unterwegs.

Alle Informationen unter www.jovannelsen.de
 
Fotogalerie:
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29. November 2024, 10.50 Uhr
Christoph Schröder
 
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. – Mehr von Christoph Schröder >>
 
 
 
 
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