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Gesichter der Stadt
Weil er es kann
Tänzer, Model, Show-Produzent, Kunstsammler: Tyrown Vincent ist ein Mensch, der sich immer wieder neu erfindet und der keine Limits kennt. Ein Besuch in der Wohnung des gebürtigen Frankfurters, die er für Kunstinteressierte öffnet.
Wer Tyrown Vincents Wohnung zum ersten Mal betritt, ist überrascht. Nichts weist von außen darauf hin, dass sich hinter der unscheinbaren Fassade des 50er-Jahre-Wohnhauses unweit des Mains eine beachtliche Kunstsammlung befindet. In Petersburger Hängung finden sich altmeisterliche Grafiken neben zeitgenössischen Malereien, unter dem Fernseher stehen afrikanische Plastiken, in der Küche hängt Fotokunst. Es sind Arbeiten von zum Beispiel Thomas Bayrle, Martina Kügler, Rudolf Nicolai, Maximilian Prüfer, aber auch von Albrecht Dürer oder William Hogarth. Etwa hundert Kunstwerke hat Tyrown Vincent in seiner Wohnung, doch der weitaus größere Teil seiner Sammlung ist in einem Depot untergebracht. Im Gegensatz zu anderen Sammlern öffnet Vincent seine Wohnung, lässt die Besucher sogar durchs Schlafzimmer laufen. „Es macht unglaublichen Spaß, meinen privaten Raum für Unvorhergesehenes offen zu halten und zu teilen.“
Unvorhergesehene Wege ist Tyrown Vincent im Laufe seines Lebens schon einige gegangen: Der gebürtige Frankfurter machte eine Ausbildung zum Produktionsverfahrenstechniker in Darmstadt – auf Wunsch seiner Eltern. „Eigentlich wollte ich ja Gärtner werden, denn ich habe einen grünen Daumen.“ Neben seiner Ausbildung hat Vincent eine klassische Ausbildung in Jazz- und Balletttanz absolviert. Über diese Schiene kam er zum Modeln. Mit 17 Jahren ging er dann nach Paris, lief dort für Karl Lagerfeld und Yves Saint Laurent. „Es war in den 80er-Jahren nicht üblich, dass man mit meiner Hautfarbe auf den Laufsteg kam, die Modelszene war sehr europäisch geprägt.“ Über einen Umweg nach New York, wo er als Company-Manager am Broadway arbeitete, kam Vincent Anfang der 90er-Jahre wieder nach Frankfurt zurück und landete im Nachtleben, arbeitete in der „Music Hall“, tanzte für Sven Väth im „Omen“. Danach ging es in die Modewelt zurück. Vincent arbeitet seitdem als Fashion-Show-Produzent und schuf mit seiner Agentur in Spitzenjahren über hundert Shows. Außerdem ist er Gründer und Direktor der Frankfurt Art Experience.
2015 schrieb er an einem Konzept mit. Es wurde zu einem Blueprint für die Fashion Week Frankfurt, die nun zum ersten Mal in Präsenz stattfinden kann. „Das Messegeschäft hat sich verändert, wir müssen neue Themen besetzen“, sagt der Modeprofi. Passen Frankfurt und Mode zusammen? „Absolut“, ist sich Vincent sicher. Allerdings müssten sich besonders die Frankfurter Männer besser kleiden. „Sie tragen oftmals erstaunlich schlechte Anzüge.“ Gut angezogen zu sein sei keine Frage des Geldes. Es erschrecke ihn, wie schlecht die Qualität der Kleidung geworden ist. Daher versuche er, Klassiker neu zu interpretieren. „Ich habe Sakkos aus den 80er-Jahren, die ich zum Maßschneider bringe, um sie modernisieren zu lassen. Es ist erschreckend, dass wir die ganzen Jahre konsumiert haben, ohne uns damit zu beschäftigen, was wir schon haben.“
Tänzer, Model, Show-Produzent, Kunstsammler – was er auch macht, macht Vincent mit hundert Prozent. Seine Energie ist scheinbar grenzenlos, und er weiß, dass er Menschen damit oft überfordert. Limits setzt er sich nicht. „I can do this“ steht auf einem Zettel, den er neben seinen Schreibtisch geklebt hat. Sein Lebensmotto? „Ja, daran muss ich mich immer erinnern.“ Es sind Worte, die ihm seine Adoptivmutter hinterlassen hat. „Sie war eine sehr selbstbestimmte Frau, die mich ermutigt hat, meinen Weg zu gehen.“ Seine biologische Familie – Vincent ist der Sohn eines GIs, seine Mutter hat ungarisch-dänische Wurzeln – hat der 53-Jährige erst vor sieben Jahren kennengelernt. Es war ihm wichtig, seine Geschichte aufzuarbeiten und er empfindet seitdem Ruhe und Klärung.
Den Grundstein für seine Kunstsammlung hat er schon als junger Mann gelegt: Mit 17 hat Vincent sein erstes Kunstwerk gekauft, das er nach dem Tod seiner Adoptivmutter vor wenigen Monaten nun zurückbekommen hat. Sie hatte es für ihn aufbewahrt. Zwar hat die Kunst nicht immer die gleiche Rolle gespielt, aber sie war immer präsent. Und es war ihm auch immer ein Bedürfnis, Menschen seine Sammlung zu zeigen. Das führte schon mal dazu, dass ihn ein Freund aus dem Mittagsschlaf klingelte, der einer Gruppe japanischer Touristen unbedingt Vincents Sammlung zeigen wollte. Im September wird ein Teil dieser nun im Kunstverein Mannheim zu sehen sein. Er wünscht sich, dass seine Sammlung auch in Frankfurt, seiner Heimatstadt, an einem öffentlich zugänglichen Ort gezeigt wird.
Beruflich wird Tyrown Vincent bald auf einem neuen Gleis unterwegs sein. „Ich bin noch in der Mitte des Lebens. Ich möchte mich nicht festlegen, dass ich das, was ich jetzt mache, auch die nächsten 30 Jahre machen werde.“ Wir sind gespannt, welche weiteren Stationen noch folgen.
Dieser Text ist zuerst in der Januar-Ausgabe (1/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen. Das ePaper finden Sie hier.
Unvorhergesehene Wege ist Tyrown Vincent im Laufe seines Lebens schon einige gegangen: Der gebürtige Frankfurter machte eine Ausbildung zum Produktionsverfahrenstechniker in Darmstadt – auf Wunsch seiner Eltern. „Eigentlich wollte ich ja Gärtner werden, denn ich habe einen grünen Daumen.“ Neben seiner Ausbildung hat Vincent eine klassische Ausbildung in Jazz- und Balletttanz absolviert. Über diese Schiene kam er zum Modeln. Mit 17 Jahren ging er dann nach Paris, lief dort für Karl Lagerfeld und Yves Saint Laurent. „Es war in den 80er-Jahren nicht üblich, dass man mit meiner Hautfarbe auf den Laufsteg kam, die Modelszene war sehr europäisch geprägt.“ Über einen Umweg nach New York, wo er als Company-Manager am Broadway arbeitete, kam Vincent Anfang der 90er-Jahre wieder nach Frankfurt zurück und landete im Nachtleben, arbeitete in der „Music Hall“, tanzte für Sven Väth im „Omen“. Danach ging es in die Modewelt zurück. Vincent arbeitet seitdem als Fashion-Show-Produzent und schuf mit seiner Agentur in Spitzenjahren über hundert Shows. Außerdem ist er Gründer und Direktor der Frankfurt Art Experience.
2015 schrieb er an einem Konzept mit. Es wurde zu einem Blueprint für die Fashion Week Frankfurt, die nun zum ersten Mal in Präsenz stattfinden kann. „Das Messegeschäft hat sich verändert, wir müssen neue Themen besetzen“, sagt der Modeprofi. Passen Frankfurt und Mode zusammen? „Absolut“, ist sich Vincent sicher. Allerdings müssten sich besonders die Frankfurter Männer besser kleiden. „Sie tragen oftmals erstaunlich schlechte Anzüge.“ Gut angezogen zu sein sei keine Frage des Geldes. Es erschrecke ihn, wie schlecht die Qualität der Kleidung geworden ist. Daher versuche er, Klassiker neu zu interpretieren. „Ich habe Sakkos aus den 80er-Jahren, die ich zum Maßschneider bringe, um sie modernisieren zu lassen. Es ist erschreckend, dass wir die ganzen Jahre konsumiert haben, ohne uns damit zu beschäftigen, was wir schon haben.“
Tänzer, Model, Show-Produzent, Kunstsammler – was er auch macht, macht Vincent mit hundert Prozent. Seine Energie ist scheinbar grenzenlos, und er weiß, dass er Menschen damit oft überfordert. Limits setzt er sich nicht. „I can do this“ steht auf einem Zettel, den er neben seinen Schreibtisch geklebt hat. Sein Lebensmotto? „Ja, daran muss ich mich immer erinnern.“ Es sind Worte, die ihm seine Adoptivmutter hinterlassen hat. „Sie war eine sehr selbstbestimmte Frau, die mich ermutigt hat, meinen Weg zu gehen.“ Seine biologische Familie – Vincent ist der Sohn eines GIs, seine Mutter hat ungarisch-dänische Wurzeln – hat der 53-Jährige erst vor sieben Jahren kennengelernt. Es war ihm wichtig, seine Geschichte aufzuarbeiten und er empfindet seitdem Ruhe und Klärung.
Den Grundstein für seine Kunstsammlung hat er schon als junger Mann gelegt: Mit 17 hat Vincent sein erstes Kunstwerk gekauft, das er nach dem Tod seiner Adoptivmutter vor wenigen Monaten nun zurückbekommen hat. Sie hatte es für ihn aufbewahrt. Zwar hat die Kunst nicht immer die gleiche Rolle gespielt, aber sie war immer präsent. Und es war ihm auch immer ein Bedürfnis, Menschen seine Sammlung zu zeigen. Das führte schon mal dazu, dass ihn ein Freund aus dem Mittagsschlaf klingelte, der einer Gruppe japanischer Touristen unbedingt Vincents Sammlung zeigen wollte. Im September wird ein Teil dieser nun im Kunstverein Mannheim zu sehen sein. Er wünscht sich, dass seine Sammlung auch in Frankfurt, seiner Heimatstadt, an einem öffentlich zugänglichen Ort gezeigt wird.
Beruflich wird Tyrown Vincent bald auf einem neuen Gleis unterwegs sein. „Ich bin noch in der Mitte des Lebens. Ich möchte mich nicht festlegen, dass ich das, was ich jetzt mache, auch die nächsten 30 Jahre machen werde.“ Wir sind gespannt, welche weiteren Stationen noch folgen.
Dieser Text ist zuerst in der Januar-Ausgabe (1/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen. Das ePaper finden Sie hier.
14. Januar 2022, 11.10 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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24. Dezember 2024
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