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Frauen in der Gastronomie

Wo sind die Küchenchefinnen?

Vier Köchinnen berichten von ihren Erfahrungen in der Gastronomiebranche. Wie muss diese sich ändern, um gerechter, diverser und attraktiver zu werden – nicht nur, aber insbesondere für Frauen?
Es ist kein Geheimnis: Während in Restaurants mit internationaler Küche, Cafés oder gutbürgerlichen Gaststätten Küchenchefinnen keine Seltenheit sind, sieht das im Fine-Dining-Bereich ganz anders aus. Leitende Positionen in der Küche sind hier nach wie vor von männlichen Kollegen besetzt. Die Gründe für dieses Gefälle sind vielseitig und wurden in den vergangenen Jahren immer wieder thematisiert.

Zum 8. März: Sexismus in der Gastronomie

Investigative Berichte in der New York Times und Washington Post sowie in Deutschland in der ZEIT, der Süddeutschen Zeitung und der FAZ haben in diesem Zusammenhang die fordernden Arbeitsbedingungen und die vorherrschenden patriarchalen Strukturen in den professionellen Küchen der Spitzengastronomie thematisiert. Im Hinblick auf Frauen standen dabei die Diskriminierung von Köchinnen in Jobinterviews, Sexismus in der Küche und die Vereinbarkeit von Familie und Kochberuf im Fokus.

Wenn es um die Abwesenheit von Frauen in Führungspositionen in den Küchen der gehobenen Gastronomie geht, ist Frankfurt im deutschen wie im internationalen Vergleich keine Ausnahme. Bis zur Schließung des Stanley im September 2022 war Beate Braun die einzige Küchenchefin im Fine-Dining-Bereich der Mainmetropole – aktuell gibt es keine.

In der Küche gibt es kaum weiblichen Nachwuchs

Wer, wo, wann und ob überhaupt eine junge Kollegin Brauns Erbe antreten wird, ist ungewiss, schließlich gibt es nur wenig weiblichen Nachwuchs. Von 122 Köchinnen und Köchen, die in diesem Jahr in Frankfurt, dem Hochtaunus- und dem Main-Taunus-Kreis ihre Ausbildung begonnen haben, waren laut Industrie- und Handelskammer (IHK) nur 35 Frauen.

Vorbilder und Netzwerke fehlen

„Mir hat immer die Fantasie gefehlt, wie man den Beruf der Küchenchefin und die Familie unter einen Hut bringen kann“, sagt Kimberley Unser. Als Küchenchefin war sie 2010 an der Eröffnung des heutigen Sternerestaurant Seven Swans beteiligt, wo sie bis 2014 arbeitete. Diese Zeit, in der sich das Seven Swans vom Private-Dining-Club zum Fine-Dining-Restaurant entwickelte, sei herausfordernd gewesen, so Unser. Gefehlt haben ihr damals sowohl Vorbilder als auch der Austausch mit anderen Küchenchefinnen, denn beides gab es nicht.

Anders war das während ihrer Ausbildung im Restaurant Artisan in Hamburg. „Mein Ausbilder hat total gerne mit Köchinnen gearbeitet, weil er
die Atmosphäre in der Küche so angenehm fand“, erinnert sich Unser. Dadurch habe sie auch keinerlei Berührungspunkte mit Macho-Verhalten oder Sexismus in der Küche gehabt. Eine ähnliche Situation erlebt
Lisa Schmidt heute im Lafleur, wo sie als Junior Sous Chefin als eine von vier Frauen im zehnköpfigen Küchenteam von Zwei-Sterne-Koch Andreas Krolik arbeitet.

Kaum Frauen in leitenden Küchenposten

Verallgemeinern lassen sich diese Situationen aber nicht, das machen die Zahlen der IHK deutlich. Nicht nur der geringe Anteil an Köchinnen ist der Grund dafür, dass kaum Frauen leitende Küchenposten übernehmen. „Ich glaube, dass Männer erstmal Männer fragen, um wichtige Positionen zu besetzen“, resümiert Unser. Das liege auch daran, dass Köche untereinander besser vernetzt seien als mit ihren Kolleginnen. „Die meisten Jobs und Aufträge sind mir von Frauen zugespielt worden“, so Unser. Doch gerade diese Netzwerke sind für den weiblichen Kochnachwuchs wichtig, um in höhere Positionen zu kommen und Küchenchefin zu werden.

Balanceakt zwischen Privatleben und Beruf

Wann in der Gastronomie gearbeitet wird, steht zum Großteil im Gegensatz zum übrigen gesellschaftlichen Leben. Wenn andere abends oder am Wochenende frei haben, geht es in der Küche oder im Service erst richtig los. Diese Diskrepanz führte dazu, dass sich die Gastronomie zu einer Branche entwickelt hat, die sich schwer mit dem Privatleben ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einklang bringen lässt.

„Man hat nicht nur das, was im Restaurant läuft, sondern man wird am freien Tag angerufen, dann klappt etwas mit der Bestellung nicht oder du hast Caterings, die außerhalb deiner normalen Arbeitszeiten sind“, erklärt Braun, die sich ihre Position als Küchenchefin hart erarbeiten musste. Bevor sie 2015 ins Stanley kam, kochte sie unter anderem im Maingau Hotel, im Français im Frankfurter Hof, bei Dieter Müller in Bergisch Gladbach und in der Villa Rothschild in Königstein.

Frauen auf Care-Arbeit festgelegt


Ein wichtiger Aspekt im Verlauf einer Küchenkarriere ist der Schritt zu Küchenchefin oder zum Küchenchef. Dieser Schritt erfolge allerdings in der Regel in einem Alter, wenn für die meisten anderen Menschen die Familienplanung in den Vordergrund rückt, erklärt Isabelle Pering, die in Bad Soden Altenhain bellasLokal betreibt und zuvor in Sternerestaurants in Mannheim, Hamburg und Frankfurt arbeitete.

Bei schwer zu planenden und unflexiblen Arbeitszeiten sowie einem ohnehin begrenzten Privatleben müsse sich der Küchennachwuchs zwischen Küche und Familie entscheiden. Fällt die Wahl auf die Familie, so Pering, werde es schwieriger, in der Branche vernetzt zu bleiben. Besonders für Frauen, die nach wie vor in den meisten Familien den Großteil der Care-Arbeit übernehmen, trifft das häufig zu.

Unser hat diese Erfahrung selbst gemacht: „Für mich war vollkommen klar, dass ich nicht mehr im Kochberuf arbeiten kann, wenn ich ein Kind habe.“ 2014 ging Unser in die Babypause. Heute ist die vom Gault&Millau zur „Entdeckung des Jahres 2011“ gekürte Köchin zweifache Mutter. Ihre Zukunft sieht sie nicht mehr in einer Restaurantküche.

Geht es doch?

Rückblickend sieht Unser aber Möglichkeiten, wie die Vereinbarkeit von Familie und Kochberuf funktionieren kann. Voraussetzung dafür sei zuallererst die Unterstützung durch das familiäre Umfeld, den Partner oder die Partnerin. Wichtig sei zudem, Arbeitszeiten besser zu organisieren, strenger zu regulieren und damit letztlich auch zu reduzieren.

Im Hinblick auf die Position der Küchenchefin oder des Küchenchefs sieht Unser eine Möglichkeit in geteilten Führungspositionen: „In anderen Berufen gibt es das ja auch. Ich wüsste jetzt keinen Grund, warum man das nicht auch im Kochberuf machen kann.“ Solche Modelle könnten dabei helfen, den Spagat zwischen Care-Arbeit und Beruf zu meistern.

Kochberuf und Privatleben müssen vereinbar werden

Wenngleich die Vereinbarkeit von Familie und Kochberuf alle Mitarbeitenden vor eine Herausforderung stellt, sind Frauen davon nach wie vor besonders betroffen. „Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Problem. Männer, die eine Familie gründen, sind auch hin und hergerissen zwischen Familie und Kochberuf.“ Das liege am Leistungsdruck in der Spitzengastronomie und den familienunfreundlichen Arbeitsbedingungen.

Kochberuf und Privatleben müssen vereinbar werden können

Bei Frauen komme jedoch hinzu, dass sie noch immer noch den Großteil der Care-Arbeit übernehmen, erklärt Unser. Dieser Punkt führe dazu, dass Frauen sich häufiger gegen den Kochberuf entscheiden oder die Branche wechseln, wenn sie sich für die Familiengründung entscheiden. Bei Männern hingegen spielt die gesellschaftliche Erwartung, Care-Arbeit zu übernehmen, eher eine untergeordnete Rolle.

Der zentrale Punkt bleibt: Kochberuf und Privatleben müssen besser miteinander vereinbar werden – nicht nur, aber insbesondere für Frauen. Branchenverbände, wie der DEHOGA, die Initiative Gastronomie Frankfurt e. V. oder der Verband der Köche Deutschland, sind sich der Besonderheiten der Branche bewusst und setzen sich aktiv für Veränderungen ein. Und während die zunehmende Verbreitung der Vier-Tage-Woche, steigende Löhne und Ausbildungsgehälter sowie der generelle Wandel des Arbeitsklimas in professionellen Küchen zeigen, dass sich die Brache wandelt, können Gründerinnen wie Isabelle Pering und Köchinnen wie Lisa Schmidt als Vorbild für die nächste Generation dienen.
 
8. März 2023, 11.38 Uhr
Lisa Veitenhansl
 
Lisa Veitenhansl
Jahrgang 1997, Studium der Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt, seit November 2021 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Lisa Veitenhansl >>
 
 
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