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Frankfurter Buchmesse 2022
„Es kommt alles langsam zurück“
Verleger Joachim Unseld fordert einen neuen Termin für die Frankfurter Buchmesse und blickt nach wie vor optimistisch auf die Zukunft des Mediums Buch. Ein Interview.
JOURNAL Frankfurt: Die Buchbranche ist in der Krise. Die Umsätze der Verlage sind nach wie vor deutlich unter dem Niveau vor der Corona-Krise. Wie beurteilen Sie die Situation der Verlage und des Buchhandels?
Joachim Unseld: Die Branche hat durch die Pandemie schwer gelitten, und das Schlimmste, was passieren konnte, war seinerzeit Mitte Dezember 2020 einen Lockdown zu verhängen und auch die Buchhandlungen mitten im Weihnachtsgeschäft zu schließen. Von diesem Schock hat sich der Handel bis heute nicht erholt. Als dann alle gerade die Scherben einigermaßen zusammengekehrt hatten, überfällt Putin die Ukraine, und jetzt haben die Verlage das Problem der drastisch gestiegenen Energie- und Papierpreise. Die gesamte Logistik ist unglaublich teuer geworden. Das heißt, wir waren aus einer Krise gerade so halbwegs heraus und sind direkt in die nächste hineingeraten.
Davon abgesehen, klagen viele Verlage ja aber bereits seit einiger Zeit über sinkende Buchverkäufe. Könnte es sein, dass potenzielle Käufer jetzt sagen: „Wir müssen unser Geld zusammenhalten“? Wird der Wert von Kultur weiter sinken?
Nein. Was das Buch betrifft, glaube ich das nicht. Die Buchkäufer als solche sind so nahe dran am Buch, sodass es keinen Unterschied ausmacht. Ich bin überzeugt davon, dass wirkliche Leser jederzeit lesen. Natürlich sehen wir seit etwa zehn oder fünfzehn Jahren einen kontinuierlichen Rückgang der Buchverkäufe. Das ist ein Trend, und ich fürchte, er wird sich fortsetzen. Es gibt viele Verlage, denen es nicht gut geht. Das liegt daran, dass die Käufer genauer auswählen. Es gibt Bücher, die sich sehr gut verkaufen, aber das, was wir die Midlist nennen, die Bücher, die sich eben so gerade selbst finanziell tragen, brechen weg. Das Buch, von dem ein Verlag früher 5000 Exemplare verkauft hat, wird heute 2000-mal verkauft, was finanziell eigentlich nicht mehr vertretbar ist.
Ist das ein Problem für alle Verlage gleichermaßen? Oder unterscheidet sich das je nach Verlagsgröße? Ihr Verlag, die Frankfurter Verlagsanstalt, bringt etwa zwölf bis vierzehn Titel pro Jahr auf den Markt …
Ja, wir sind ein übersichtlicher Verlag. Unsere Personal- und Mietkosten sind relativ gering. Durch die Krise sind wir gut gekommen, weil wir jedes einzelne unserer Bücher sehr genau auswählen und genau wissen, welche Leser wir dafür finden werden. Hinzu kommt, dass wir mit Nino Haratischwilis Roman „Das mangelnde Licht“, der ganz oben auf der Bestsellerliste stand, in einer günstigen Position sind. Wir hatten, anders als andere Verlage, ein ausgesprochen gutes Jahr. Aber die Tendenz geht dahin, dass größere Verlage auch nur noch die verkäuflichen Bücher machen werden. Was wiederum für uns unabhängige Verlage die große Chance ist, Entdeckungen zu machen.
Das heißt, Sie persönlich haben nach wie vor Lust auf das Büchermachen?
Oh ja! Ich habe gerade den Mietvertrag für den Verlag um fünf Jahre verlängert.
Sie sind nicht nur Verleger, sondern auch Vorstandsvorsitzender des Literaturhauses Frankfurt. Die Veranstalter klagen insgesamt, dass das Publikum noch nicht zurückgekommen ist. Und wie der Herbst wird, wissen wir auch nicht. Wie ist die Lage?
Es kursiert bei den Veranstaltern so ein Spruch: „50 sind die neuen 100.“ Das sagt eigentlich alles. Wir sehen eine Zurückhaltung, sich ins volle Leben zu stürzen. Die Menschen verlassen einfach ihre Wohnungen nicht mehr so oft. Deswegen hat das Literaturhaus ein Streaming-Angebot aufgebaut, das sehr erfolgreich ist. Aber selbstverständlich muss das Ziel sein, die Menschen wieder zu den Veranstaltungsorten zu locken.
Viele Hoffnungen legen sich auf die Frankfurter Buchmesse. Wie sind Ihre Erwartungen?
Die Frankfurter Buchmesse ist noch nicht wieder so groß wie 2019. Aber immerhin doppelt so groß wie 2021. Es kommt alles langsam zurück. Die Buchmesse lebt durch das Publikum und durch die persönlichen Beziehungen. Das ist durch nichts zu ersetzen, und das haben alle gemerkt.
Sie haben in den vergangenen Monaten immer wieder leidenschaftlich für eine Vorverlegung der Frankfurter Buchmesse in den September plädiert. Bleibt es dabei?
Unbedingt! Die Frankfurter Buchmesse muss endlich begreifen, dass ihre Terminplanung falsch ist, weil sie komplett an den Bedürfnissen der Verlage und des Publikums vorbeigeht. Es gibt dort keine neuen Bücher, nichts Neues mehr zu sehen. Die Herbstprogramme sind Ende Oktober seit zwei Monaten erschienen; der Aktualitätsdruck steigt aber immer mehr. Es kommt hinzu, dass Covid sich nun einmal an die Grippezeiten hält. In meiner Jugendzeit fand die Frankfurter Buchmesse immer Mitte bis Ende September statt. Und da gehört sie auch hin.
Dieses Interview ist zuerst in der Oktober-Ausgabe (10/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
Joachim Unseld: Die Branche hat durch die Pandemie schwer gelitten, und das Schlimmste, was passieren konnte, war seinerzeit Mitte Dezember 2020 einen Lockdown zu verhängen und auch die Buchhandlungen mitten im Weihnachtsgeschäft zu schließen. Von diesem Schock hat sich der Handel bis heute nicht erholt. Als dann alle gerade die Scherben einigermaßen zusammengekehrt hatten, überfällt Putin die Ukraine, und jetzt haben die Verlage das Problem der drastisch gestiegenen Energie- und Papierpreise. Die gesamte Logistik ist unglaublich teuer geworden. Das heißt, wir waren aus einer Krise gerade so halbwegs heraus und sind direkt in die nächste hineingeraten.
Davon abgesehen, klagen viele Verlage ja aber bereits seit einiger Zeit über sinkende Buchverkäufe. Könnte es sein, dass potenzielle Käufer jetzt sagen: „Wir müssen unser Geld zusammenhalten“? Wird der Wert von Kultur weiter sinken?
Nein. Was das Buch betrifft, glaube ich das nicht. Die Buchkäufer als solche sind so nahe dran am Buch, sodass es keinen Unterschied ausmacht. Ich bin überzeugt davon, dass wirkliche Leser jederzeit lesen. Natürlich sehen wir seit etwa zehn oder fünfzehn Jahren einen kontinuierlichen Rückgang der Buchverkäufe. Das ist ein Trend, und ich fürchte, er wird sich fortsetzen. Es gibt viele Verlage, denen es nicht gut geht. Das liegt daran, dass die Käufer genauer auswählen. Es gibt Bücher, die sich sehr gut verkaufen, aber das, was wir die Midlist nennen, die Bücher, die sich eben so gerade selbst finanziell tragen, brechen weg. Das Buch, von dem ein Verlag früher 5000 Exemplare verkauft hat, wird heute 2000-mal verkauft, was finanziell eigentlich nicht mehr vertretbar ist.
Ist das ein Problem für alle Verlage gleichermaßen? Oder unterscheidet sich das je nach Verlagsgröße? Ihr Verlag, die Frankfurter Verlagsanstalt, bringt etwa zwölf bis vierzehn Titel pro Jahr auf den Markt …
Ja, wir sind ein übersichtlicher Verlag. Unsere Personal- und Mietkosten sind relativ gering. Durch die Krise sind wir gut gekommen, weil wir jedes einzelne unserer Bücher sehr genau auswählen und genau wissen, welche Leser wir dafür finden werden. Hinzu kommt, dass wir mit Nino Haratischwilis Roman „Das mangelnde Licht“, der ganz oben auf der Bestsellerliste stand, in einer günstigen Position sind. Wir hatten, anders als andere Verlage, ein ausgesprochen gutes Jahr. Aber die Tendenz geht dahin, dass größere Verlage auch nur noch die verkäuflichen Bücher machen werden. Was wiederum für uns unabhängige Verlage die große Chance ist, Entdeckungen zu machen.
Das heißt, Sie persönlich haben nach wie vor Lust auf das Büchermachen?
Oh ja! Ich habe gerade den Mietvertrag für den Verlag um fünf Jahre verlängert.
Sie sind nicht nur Verleger, sondern auch Vorstandsvorsitzender des Literaturhauses Frankfurt. Die Veranstalter klagen insgesamt, dass das Publikum noch nicht zurückgekommen ist. Und wie der Herbst wird, wissen wir auch nicht. Wie ist die Lage?
Es kursiert bei den Veranstaltern so ein Spruch: „50 sind die neuen 100.“ Das sagt eigentlich alles. Wir sehen eine Zurückhaltung, sich ins volle Leben zu stürzen. Die Menschen verlassen einfach ihre Wohnungen nicht mehr so oft. Deswegen hat das Literaturhaus ein Streaming-Angebot aufgebaut, das sehr erfolgreich ist. Aber selbstverständlich muss das Ziel sein, die Menschen wieder zu den Veranstaltungsorten zu locken.
Viele Hoffnungen legen sich auf die Frankfurter Buchmesse. Wie sind Ihre Erwartungen?
Die Frankfurter Buchmesse ist noch nicht wieder so groß wie 2019. Aber immerhin doppelt so groß wie 2021. Es kommt alles langsam zurück. Die Buchmesse lebt durch das Publikum und durch die persönlichen Beziehungen. Das ist durch nichts zu ersetzen, und das haben alle gemerkt.
Sie haben in den vergangenen Monaten immer wieder leidenschaftlich für eine Vorverlegung der Frankfurter Buchmesse in den September plädiert. Bleibt es dabei?
Unbedingt! Die Frankfurter Buchmesse muss endlich begreifen, dass ihre Terminplanung falsch ist, weil sie komplett an den Bedürfnissen der Verlage und des Publikums vorbeigeht. Es gibt dort keine neuen Bücher, nichts Neues mehr zu sehen. Die Herbstprogramme sind Ende Oktober seit zwei Monaten erschienen; der Aktualitätsdruck steigt aber immer mehr. Es kommt hinzu, dass Covid sich nun einmal an die Grippezeiten hält. In meiner Jugendzeit fand die Frankfurter Buchmesse immer Mitte bis Ende September statt. Und da gehört sie auch hin.
Dieses Interview ist zuerst in der Oktober-Ausgabe (10/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
18. Oktober 2022, 10.17 Uhr
Christoph Schröder
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22. November 2024
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