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Frankfurter Auschwitzprozess
Gerhard Wiese: Der letzte Zeitzeuge
Gerhard Wiese ist der letzte verbliebene Ankläger aus dem Auschwitzprozess. Am Mittwochabend berichtete der 91-Jährige von „dem Prozess seines Lebens“ und dem Schicksal eines Häftlings, das ihm besonders in Erinnerung geblieben ist.
Er ist der letzte verbliebene Zeitzeuge: Der 91-jährige Gerhard Wiese war einer der vier Ankläger im Frankfurter Auschwitzprozess. Vergangenen Mittwochabend sprach er beim Oberlandesgericht über diesen „Prozess seines Lebens“, wie Wiese ihn selbst nennt. Wiese, der jüngste Vertreter der Staatsanwaltschaft, bereitete zusammen mit den Staatsanwälten Joachim Kügler und Georg Friedrich Vogel die Anklageschrift gegen die beiden SS-Führer Wilhelm Boger und Oswald Kaduk vor. Wiese bezeichnet sie als die „schlimmsten NS-Verbrecher“ im Frankfurter Auschwitzprozess.
Wilhelm Boger wird häufig als „Teufel von Auschwitz“ bezeichnet. Boger tötete und folterte die KZ-Häftlinge nicht nur, er konstruierte ein eigenes Folterinstrument, die sogenannte Boger-Schaukel. Auch Kaduk war für seine besondere Grausamkeit bekannt: In einem Fall trat er mit seinen Stiefelabsätzen so lange auf den Brustkorb eines Häftlings bis dieser starb. All die Verbrechen dieser beiden Männer in den Akten nachzulesen, sei zu Beginn hart für Gerhard Wiese gewesen. „Ich war froh, wenn ich abends in die überfüllte Straßenbahn steigen konnte“, sagte er. Auf die Frage, ob es einen Angeklagten gegeben habe, der seine Tat bereute, antwortete Wiese mit einem entschiedenen „Nein!“
Das Schicksal des Zeugens Doktor Mauritius Berner sei ihm besonders im Gedächtnis geblieben: Berner sei bei seiner Ankunft in Auschwitz einem SS-Mann begegnet, den er als Pharmavertreter kannte. Berner versuchte über ihn, die Trennung von seiner Frau und seinen Zwillingen zu umgehen. Der SS-Mann jedoch präsentierte die Zwillinge Josef Mengele, der in Auschwitz vor allem Experimente an eineiigen Zwillingen durchführte. Da es sich bei den Zwillingen von Berner jedoch um zweieiige Zwillinge handelte, wurden sie und Berners Ehefrau in die Gaskammer geschickt. Auf der Tonbandaufnahme des Prozesses, die das Fritz Bauer Institut 2013 veröffentlichte, hört man Berner sagen: „Ich begann zu schluchzen und er sagte auf Ungarisch ‚weinen Sie nicht‘, die gehen nur baden. In einer Stunde werden Sie sich wiedersehen.“ Gerhard Wiese erinnert sich: „Nach Berners Aussage war es ganz still im Sitzungssaal.“
Der Vortrag am Mittwochabend im Oberlandesgericht in Frankfurt ist keine Seltenheit, Wiese steht häufig vor – meist jungen – Zuhörerinnen und Zuhörern und erzählt von seinen Erlebnissen während des Prozesses. Er hofft, „dass die Gemeinschaft daraus lernt, wozu Menschen fähig sein können“ und vor allem wünsche er sich, „dass sich so etwas niemals wiederholt.“
Wilhelm Boger wird häufig als „Teufel von Auschwitz“ bezeichnet. Boger tötete und folterte die KZ-Häftlinge nicht nur, er konstruierte ein eigenes Folterinstrument, die sogenannte Boger-Schaukel. Auch Kaduk war für seine besondere Grausamkeit bekannt: In einem Fall trat er mit seinen Stiefelabsätzen so lange auf den Brustkorb eines Häftlings bis dieser starb. All die Verbrechen dieser beiden Männer in den Akten nachzulesen, sei zu Beginn hart für Gerhard Wiese gewesen. „Ich war froh, wenn ich abends in die überfüllte Straßenbahn steigen konnte“, sagte er. Auf die Frage, ob es einen Angeklagten gegeben habe, der seine Tat bereute, antwortete Wiese mit einem entschiedenen „Nein!“
Das Schicksal des Zeugens Doktor Mauritius Berner sei ihm besonders im Gedächtnis geblieben: Berner sei bei seiner Ankunft in Auschwitz einem SS-Mann begegnet, den er als Pharmavertreter kannte. Berner versuchte über ihn, die Trennung von seiner Frau und seinen Zwillingen zu umgehen. Der SS-Mann jedoch präsentierte die Zwillinge Josef Mengele, der in Auschwitz vor allem Experimente an eineiigen Zwillingen durchführte. Da es sich bei den Zwillingen von Berner jedoch um zweieiige Zwillinge handelte, wurden sie und Berners Ehefrau in die Gaskammer geschickt. Auf der Tonbandaufnahme des Prozesses, die das Fritz Bauer Institut 2013 veröffentlichte, hört man Berner sagen: „Ich begann zu schluchzen und er sagte auf Ungarisch ‚weinen Sie nicht‘, die gehen nur baden. In einer Stunde werden Sie sich wiedersehen.“ Gerhard Wiese erinnert sich: „Nach Berners Aussage war es ganz still im Sitzungssaal.“
Der Vortrag am Mittwochabend im Oberlandesgericht in Frankfurt ist keine Seltenheit, Wiese steht häufig vor – meist jungen – Zuhörerinnen und Zuhörern und erzählt von seinen Erlebnissen während des Prozesses. Er hofft, „dass die Gemeinschaft daraus lernt, wozu Menschen fähig sein können“ und vor allem wünsche er sich, „dass sich so etwas niemals wiederholt.“
20. Februar 2020, 13.50 Uhr
Elena Zompi
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