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Die andere Tanzstunde
Walzer hinter Gittern
Nein, es war kein Kriminal-Tango, den Tanzlehrer Bäppi im Knast tanzte. Er übte mit Strafgefangenen der JVA Frankfurt IV und Studenten einen Walzer ein für das Knasttheater, dass Ende November auf einem Schiff die Oper Carmen aufführt.
Lokaltermin an der Justizvollzugsanstalt IV in Preungesheim: Es geht vorbei an einer gefühlt zehn Meter hohen Mauer im Plattenbaustil, gesäumt mit Natozaun. Kein Vergleich mit der plüschigen Tanzschule von Thomas Bäppler alias Bäppi la Belle. Dennoch soll auf dem Areal, dass die meisten Frankfurter für gewöhnlich nicht von innen zu sehen bekommen, eine Tanzstunde stattfinden. Nach Sicherheitskontrollen an der Pforte, die verdeutlichen - hier kommt so leicht keiner rein und schon gar nicht raus - treffen wir im Innenhof auf eine Gruppe von derzeit acht Strafgefangenen, von denen einige schon seit acht Monaten wöchentlich an einer modernen Opernfassung von Carmen arbeiten. Angeleitet werden die Inhaftierten unter anderem von der Regisseurin Maja Wolff, die Frankfurter auch vom Grüne Soße Festival als Anton le Goff kennen. Tatkräftig unterstützt wird das Projekt von insgesamt 30 Studenten der Fachhochschule mit dem Schwerpunktmodul „Kultur und Medien“.
Bis Ende November will die Gruppe unterschiedlichster Menschen Carmen in einer modernen Fassung bühnenreif ausgearbeitet haben. Denn am 29. November wird das Knasttheater auf der MS Carmen seine Premiere feiern. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Schubleichter, einem Schiff aus Tonnen von Stahl, das seit Wochen im Osthafen von 30 Studenten der Sozialen Arbeit und 30 Strafgefangenen der JVA Preungesheim zu einem Theaterschiff umfunktioniert wird. Der Umbau der MS Carmen ist Teil eines sozialen Kulturprojektes, zu dem eben auch eine Theater- und eine Musikgruppe innerhalb der Gefängnismauern gehören. „Das Projekt ist mit einem Mordssicherheitsaufwand verbunden“, sagt Maja Wolff, „daher wird es auf dem Schiff auch nur sechs Theateraufführungen geben.“
Bis das Theaterschiff am Nizzaufer anlegt und seine Türen für das Publikum öffnet, gibt es jedoch noch viel zu tun. Etwa „Walzer“ lernen, denn der soll in der Carmen-Inszenierung wenn auch nur zwei Minuten lang für die richtige Atmosphäre sorgen. Da die Projektleiterin Maja Wolff und Bäppi sich schon lange kennen, lag die Entscheidung nahe, für den Tanzunterricht gleich den Walzerprofi anzuheuern.
„Irgendwie erinnert mich das alles an die Wegscheide“, sagt Bäppi im Innenhof und blickt auf die verschiedenen Klinkergebäude, in denen teilweise die Verwaltung untergebracht ist. Getanzt wird im Speiseraum, was die Assoziation mit einem mit Pfefferminz- und Hagebuttentee-Aroma geschwängerten Schullandheim nur verstärkt. Doch so leicht ist das Leben hinter Gefängnismauern denn doch nicht. Fest steht, jeder Inhaftierte hat seine eigene, oft tragische Geschichte. „Oft hat die mit Alkohol, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen zu tun“, sagt Maja Wolff. Die Haftstrafen, de die Theaterteilnehmer verbüßen müssen sind meist eher kurz, letztlich handelt es sich bei ihren Vergehen nicht um Kapitalverbrechen, sondern um Vorfälle wie mehrfaches Fahren ohne Führerschein oder das Nichtzahlen von Strafgeldern, die letztlich zu einem Gefängnisaufenthalt führen.
Mounir ist einer der Theaterteilnehmer, die in der JVA bleiben müssen. Anfang November wird der 25-Jährige sechs Monate seiner Haftstrafe abgesessen haben, bis Ende Februar wird das mindestens noch so weitergehen. Der junge Mann tanzt engagiert mit und ist dankbar für die Abwechslung vom Knastalltag, „Ich mach alles, was gut ist und hilft, die Zeit zu vertreiben.“ Also auch Theater spielen. „Das macht viel Spaß und es ist schön zu sehen, wie alles zu einem Projekt zusammenwächst.“
Die männlichen Strafgefangenen, die alle im geschlossenen Vollzug sind und weinrote Hemden, graue Hosen und graue Wollpullis tragen, stellen sich mit den Studentinnen und Studenten im Kreis auf und spielen sich warm. Dann beginnt Bäppi mit dem Unterricht, wobei sich die Herren und Damen getrennt aufstellen müssen, um sich alsbald rhythmisch im Takt zu bewegen. Alles nicht so einfach, denn die Theatergruppe erfährt bald, dass es sich bei Carmen nicht um einen herkömmlichen Walzer, sondern um einen Sechsachtel-Takt handelt. Und das umzusetzen ist tückisch. Der Tanzlehrer wickelt sich den weißen Wollmantel um die Hüfte, um zu zeigen, wie man als Zigeunermädchen mit dem Rock wedelt und kurz danach mahnt er: „Das soll hier nicht aussehen wie beim Fernsehballett!“ Es wird viel gelacht und gescherzt, aber auch engagiert getanzt, auch wenn das mit dem Taktgefühl nicht jedermanns Sache ist. „Eins, zwei und eins, zwei“, gebetsmühlenartig gibt Bäppi alles vor und ruft dann mit einem Grinsen. „Die Schritte stimmen, nur ihr hört nicht auf das, was ich sage!“ Mounir gefällt die lockere Art des Tanzlehrers und auch Bäppi, der sogar zur Gitarre gegriffen hat, ist nach der Tanzstunde ganz von seinen Schülern angetan. „Die waren gut drauf und hatten gar keine Berührungsängste“.
Das Theaterprojekt läuft also prima. Maja Wolff erklärt, was es bringen soll. „Neben der Kunst geht es mir als Regisseurin und Dramatherapeutin sowie Ulrike Pfeifer als Musiktherapeutin auch um den Bildungsauftrag, der den Studierenden zu gute kommt und natürlich zu einem großen Teil um die Resozialisierung der Strafgefangenen.“ Teamgeist und Verantwortungsgefühl zu lernen, das sei für einige eine neue Erfahrung. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe und arbeiten an einer gemeinsamen Sache. Das hat etwas Heilendes“. Umso schöner, wenn am Ende der Aufführung dann die Anerkennung steht, spürbar durch den Applaus des Publikums.
Bis Ende November will die Gruppe unterschiedlichster Menschen Carmen in einer modernen Fassung bühnenreif ausgearbeitet haben. Denn am 29. November wird das Knasttheater auf der MS Carmen seine Premiere feiern. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Schubleichter, einem Schiff aus Tonnen von Stahl, das seit Wochen im Osthafen von 30 Studenten der Sozialen Arbeit und 30 Strafgefangenen der JVA Preungesheim zu einem Theaterschiff umfunktioniert wird. Der Umbau der MS Carmen ist Teil eines sozialen Kulturprojektes, zu dem eben auch eine Theater- und eine Musikgruppe innerhalb der Gefängnismauern gehören. „Das Projekt ist mit einem Mordssicherheitsaufwand verbunden“, sagt Maja Wolff, „daher wird es auf dem Schiff auch nur sechs Theateraufführungen geben.“
Bis das Theaterschiff am Nizzaufer anlegt und seine Türen für das Publikum öffnet, gibt es jedoch noch viel zu tun. Etwa „Walzer“ lernen, denn der soll in der Carmen-Inszenierung wenn auch nur zwei Minuten lang für die richtige Atmosphäre sorgen. Da die Projektleiterin Maja Wolff und Bäppi sich schon lange kennen, lag die Entscheidung nahe, für den Tanzunterricht gleich den Walzerprofi anzuheuern.
„Irgendwie erinnert mich das alles an die Wegscheide“, sagt Bäppi im Innenhof und blickt auf die verschiedenen Klinkergebäude, in denen teilweise die Verwaltung untergebracht ist. Getanzt wird im Speiseraum, was die Assoziation mit einem mit Pfefferminz- und Hagebuttentee-Aroma geschwängerten Schullandheim nur verstärkt. Doch so leicht ist das Leben hinter Gefängnismauern denn doch nicht. Fest steht, jeder Inhaftierte hat seine eigene, oft tragische Geschichte. „Oft hat die mit Alkohol, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen zu tun“, sagt Maja Wolff. Die Haftstrafen, de die Theaterteilnehmer verbüßen müssen sind meist eher kurz, letztlich handelt es sich bei ihren Vergehen nicht um Kapitalverbrechen, sondern um Vorfälle wie mehrfaches Fahren ohne Führerschein oder das Nichtzahlen von Strafgeldern, die letztlich zu einem Gefängnisaufenthalt führen.
Mounir ist einer der Theaterteilnehmer, die in der JVA bleiben müssen. Anfang November wird der 25-Jährige sechs Monate seiner Haftstrafe abgesessen haben, bis Ende Februar wird das mindestens noch so weitergehen. Der junge Mann tanzt engagiert mit und ist dankbar für die Abwechslung vom Knastalltag, „Ich mach alles, was gut ist und hilft, die Zeit zu vertreiben.“ Also auch Theater spielen. „Das macht viel Spaß und es ist schön zu sehen, wie alles zu einem Projekt zusammenwächst.“
Die männlichen Strafgefangenen, die alle im geschlossenen Vollzug sind und weinrote Hemden, graue Hosen und graue Wollpullis tragen, stellen sich mit den Studentinnen und Studenten im Kreis auf und spielen sich warm. Dann beginnt Bäppi mit dem Unterricht, wobei sich die Herren und Damen getrennt aufstellen müssen, um sich alsbald rhythmisch im Takt zu bewegen. Alles nicht so einfach, denn die Theatergruppe erfährt bald, dass es sich bei Carmen nicht um einen herkömmlichen Walzer, sondern um einen Sechsachtel-Takt handelt. Und das umzusetzen ist tückisch. Der Tanzlehrer wickelt sich den weißen Wollmantel um die Hüfte, um zu zeigen, wie man als Zigeunermädchen mit dem Rock wedelt und kurz danach mahnt er: „Das soll hier nicht aussehen wie beim Fernsehballett!“ Es wird viel gelacht und gescherzt, aber auch engagiert getanzt, auch wenn das mit dem Taktgefühl nicht jedermanns Sache ist. „Eins, zwei und eins, zwei“, gebetsmühlenartig gibt Bäppi alles vor und ruft dann mit einem Grinsen. „Die Schritte stimmen, nur ihr hört nicht auf das, was ich sage!“ Mounir gefällt die lockere Art des Tanzlehrers und auch Bäppi, der sogar zur Gitarre gegriffen hat, ist nach der Tanzstunde ganz von seinen Schülern angetan. „Die waren gut drauf und hatten gar keine Berührungsängste“.
Das Theaterprojekt läuft also prima. Maja Wolff erklärt, was es bringen soll. „Neben der Kunst geht es mir als Regisseurin und Dramatherapeutin sowie Ulrike Pfeifer als Musiktherapeutin auch um den Bildungsauftrag, der den Studierenden zu gute kommt und natürlich zu einem großen Teil um die Resozialisierung der Strafgefangenen.“ Teamgeist und Verantwortungsgefühl zu lernen, das sei für einige eine neue Erfahrung. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe und arbeiten an einer gemeinsamen Sache. Das hat etwas Heilendes“. Umso schöner, wenn am Ende der Aufführung dann die Anerkennung steht, spürbar durch den Applaus des Publikums.
Web: www.knasttheater.de
27. Oktober 2011, 11.34 Uhr
Nicole Brevoord
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24. Dezember 2024
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