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"Der Kulturcampus braucht einen Kümmerer"
Es fehlt an Mut, Geld, Willen und der gemeinsamen Vision
Bei einer Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie wurde über den Kulturcampus gestritten, der einst ein mutiger Leuchtturm hätte werden können und nun seit Jahren nicht realisiert wird.
Mit dem sukzessiven Wegzug der Universität ins Westend, hätte Frankfurt die einmalige Gelegenheit, auf dem einstigen Campus Bockenheim ein „Leuchtturmprojekt“ zu errichten, wie es die damalige Oberbürgermeisterin Petra Roth bezeichnet hatte. Diverse kulturelle Institutionen sollten auf den sogenannten Kulturcampus ziehen, sich gegenseitig befruchten. Es fanden übereifrige Planungswerkstätten an, es gab Visionen, die Stadt kaufte das Areal dem Land Hessen für 70 Millionen Euro ab und setzte die städtische ABG Frankfurt Holding für das Grundstück ein. Jahre später ist vom Kulturcampus noch nichts zu sehen und wie die Podiumsdiskussion der FAZ, „Größer denken? Perspektiven für den Kulturcampus“, am Dienstagabend in der Evangelischen Akademie zeigte, ist es bis zu einem Kulturcampus, wie er einst gedacht war, noch ein weiter, teils verstellter Weg. Am Ende des Abends musste erstens festgestellt werden, dass keiner der Podiumsteilnehmer, auch nicht Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) oder der kulturpolitische Sprecher Thomas Dürbeck, sich zum Kulturcampus bekannten. Es wurde auch konstatiert, dass es an einem „Kümmerer“ fehle.
Das Podium (v.l.n.r.): Rainer Schulze, Christopher Brandt, Ina Hartwig, Tim Schuster, Sebastian Popp, Thomas Dürbeck
Unterschiedliche Visionen
Die Lage ist aber auch verquast. Der Wegzug der Uni verschob sich mehrfach, jetzt geht man vom Jahr 2022 oder 2023 aus. Damit war die Fläche nicht frei. Auch fehlt es an Verve des Landes, endlich den dringenden Umzug der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) auf das Areal des Juridicum in die Wege zu leiten. Und dann kommen noch unterschiedliche Visionen der Politiker hinzu. Hartwig etwa möchte das Spannungsfeld zwischen Forschung und Kultur auf dem Campus erhalten wissen. Da gebe es das Senckenberg Institut und das Max Planck Institut, das Institut für Sozialforschung und das jetzt schon aktive Offene Haus der Kulturen. Als einen Ort der „Königsdisziplin“ für Professionelle, etwa Schauspiel und Oper, sieht sie den Campus nicht, eher als Experimentierfeld. Sie könne sich aber vorstellen, ein Interimsgebäude auf dem Campus zu errichten, für die Sanierungszeit der Städtischen Bühnen, das dann umgenutzt werden könne. Das müsse man prüfen. Von einer Ansiedlung des Frankfurt LAB oder des Ensemble Modern, wie einst angedacht, spricht Hartwig explizit nicht. Christopher Brandt hingegen, Präsident der HfMDK, hingegen könne sich Synergien vorstellen. Aus seinen Äußerungen aber wurde deutlich, dass es am jetzigen Standort und an den angemieteten Flächen einfach eine Raumnot gibt und man nun einfach darauf warte, dass das Land Hessen seine Finanzierungszusage von 100 Millionen Euro nun auch umsetzt. Tim Schuster vom Verein Offenes Haus der Kulturen findet, es gebe mit Lesungen, Konzerten und Veranstaltungen ja schon eine Art Kulturcampus in klein. Es mangele noch an Formen des gemeinschaftlichen Wohnens auf dem Areal. Es sei auch zu viel privatisiert worden. „Den AfE-Turm und das Philosophicum – das hätte man sich sparen können. Das ist eine vertane Chance für die Stadtgesellschaft“, sagt Schuster.
Wunsch und Wirklichkeit
Einzig Sebastian Popp, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Römer, vertrat etwas deutlicher die ursprüngliche Kulturcampusvision aus Roths Zeiten. Man habe das TAT verloren, Die Forsythe Company gebe es in der Form auch nicht mehr, es gebe aber einen großen Bedarf für ein kulturelles Experimentierfeld in der Stadt, für ein Zentrum der Avantgarde. Aber finanzielle Fragen habe man von Grund auf zu wenig mitdiskutiert. „Zu meinem Bedauern hat es [Ex-Kulturdezernent Felix] Semmelroth nicht geschafft, mehr Kultur auf das Gelände zu bringen. Bei der neuen Koalition und der neuen Kulturdezernentin ist auch noch nicht genug Druck auf dem Thema, wie ich ihn mir wünschen würde.“ Thomas Dürbeck von der CDU fand die ursprüngliche Idee der Mischung aus Kultur, Arbeit und Wohnen „charmant“, auch die Verknüpfung von Institutionen wie der HfMDK und etwa dem Ensemble Modern. „dennoch scheue ich mich zu sagen, alle Kultur soll dahin. Viele Entscheidungen können wir nur fällen, wenn wir wissen, wo die Hochschule genau hinkommt.“ Es sei in den vergangenen Jahren immer etwas dazwischengekommen, die Haushaltskonsolidierung etwa, der auch ein Neubau des Weltkulturenmuseums zum Opfer fiel, jetzt gebe es den sanierungsfall der Städtischen Bühnen. „Bei aller Begeisterung: Ensemble Modern und LAB sind jetzt schon unterfinanziert. Mit einem neuen Häuschen von 40 Millionen Euro können die auch nicht besser loslegen als jetzt. Man muss ehrlich sein und sehen, dass auch die Ausstattung gut sein muss. Da holt die Realität die Vision ein.“ Von einer Interimsspielstätte der Städtischen Bühnen am Campus hält Dürbeck nicht so viel, weil die benötigten Flächen ja nicht nur die Spielstätte an sich einschließen müsse, sondern auch die 80 Prozent jenseits des Bühnengeschehens. Dass so lange nichts auf dem Areal passiert sei, hänge mit dem verzögerten Wegzug der Uni zusammen, „nach ursprünglicher Planung wäre die Uni längst weg.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Avantgarde sei ohnehin eine abgeschlossene Epoche von gestern, sagt Ina Hartwig. „Das Gelände ist doch jetzt schon ziemlich aufgeteilt. Allzu viel Bewegungsfläche für kulturelle Bauten sind nicht mehr da, es sind nur noch einige Flecken. Wir bemühen uns die Scherben zusammenzukehren und aus den übrigen Flecken was zu machen.“ Christopher Brandt von der HfMDK ist zuversichtlich, dass das Land vor der Landtagswahl im Herbst bezüglich der Hochschule doch noch in die Gänge kommt und sich so in Sachen Kulturcampus doch noch etwas bewege. Indes, so wurde aus Kommentaren aus dem Plenum klar, fehle es den Bürgern an einem Ansprechpartner zum Thema Kulturcampus. Der sei, nach ihrer eigenen Aussage, Ina Hartwig. Dennoch wurde moniert, dass ein „Kümmerer“ fehle. Es fehle an der Koordination der einzelnen Interessen und an einer realistischen Einschätzung der Raumbedarfe. Ob der Kulturcampus kommen wird, diesbezüglich gab es in der Podiumsdiskussion keinen richtigen Hoffnungsschimmer. Aber Moderator Rainer Schulze fasste den Abend so zusammen: „Zumindest haben wir dem Thema eine neue Dringlichkeit gegeben.“
Das Podium (v.l.n.r.): Rainer Schulze, Christopher Brandt, Ina Hartwig, Tim Schuster, Sebastian Popp, Thomas Dürbeck
Unterschiedliche Visionen
Die Lage ist aber auch verquast. Der Wegzug der Uni verschob sich mehrfach, jetzt geht man vom Jahr 2022 oder 2023 aus. Damit war die Fläche nicht frei. Auch fehlt es an Verve des Landes, endlich den dringenden Umzug der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) auf das Areal des Juridicum in die Wege zu leiten. Und dann kommen noch unterschiedliche Visionen der Politiker hinzu. Hartwig etwa möchte das Spannungsfeld zwischen Forschung und Kultur auf dem Campus erhalten wissen. Da gebe es das Senckenberg Institut und das Max Planck Institut, das Institut für Sozialforschung und das jetzt schon aktive Offene Haus der Kulturen. Als einen Ort der „Königsdisziplin“ für Professionelle, etwa Schauspiel und Oper, sieht sie den Campus nicht, eher als Experimentierfeld. Sie könne sich aber vorstellen, ein Interimsgebäude auf dem Campus zu errichten, für die Sanierungszeit der Städtischen Bühnen, das dann umgenutzt werden könne. Das müsse man prüfen. Von einer Ansiedlung des Frankfurt LAB oder des Ensemble Modern, wie einst angedacht, spricht Hartwig explizit nicht. Christopher Brandt hingegen, Präsident der HfMDK, hingegen könne sich Synergien vorstellen. Aus seinen Äußerungen aber wurde deutlich, dass es am jetzigen Standort und an den angemieteten Flächen einfach eine Raumnot gibt und man nun einfach darauf warte, dass das Land Hessen seine Finanzierungszusage von 100 Millionen Euro nun auch umsetzt. Tim Schuster vom Verein Offenes Haus der Kulturen findet, es gebe mit Lesungen, Konzerten und Veranstaltungen ja schon eine Art Kulturcampus in klein. Es mangele noch an Formen des gemeinschaftlichen Wohnens auf dem Areal. Es sei auch zu viel privatisiert worden. „Den AfE-Turm und das Philosophicum – das hätte man sich sparen können. Das ist eine vertane Chance für die Stadtgesellschaft“, sagt Schuster.
Wunsch und Wirklichkeit
Einzig Sebastian Popp, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Römer, vertrat etwas deutlicher die ursprüngliche Kulturcampusvision aus Roths Zeiten. Man habe das TAT verloren, Die Forsythe Company gebe es in der Form auch nicht mehr, es gebe aber einen großen Bedarf für ein kulturelles Experimentierfeld in der Stadt, für ein Zentrum der Avantgarde. Aber finanzielle Fragen habe man von Grund auf zu wenig mitdiskutiert. „Zu meinem Bedauern hat es [Ex-Kulturdezernent Felix] Semmelroth nicht geschafft, mehr Kultur auf das Gelände zu bringen. Bei der neuen Koalition und der neuen Kulturdezernentin ist auch noch nicht genug Druck auf dem Thema, wie ich ihn mir wünschen würde.“ Thomas Dürbeck von der CDU fand die ursprüngliche Idee der Mischung aus Kultur, Arbeit und Wohnen „charmant“, auch die Verknüpfung von Institutionen wie der HfMDK und etwa dem Ensemble Modern. „dennoch scheue ich mich zu sagen, alle Kultur soll dahin. Viele Entscheidungen können wir nur fällen, wenn wir wissen, wo die Hochschule genau hinkommt.“ Es sei in den vergangenen Jahren immer etwas dazwischengekommen, die Haushaltskonsolidierung etwa, der auch ein Neubau des Weltkulturenmuseums zum Opfer fiel, jetzt gebe es den sanierungsfall der Städtischen Bühnen. „Bei aller Begeisterung: Ensemble Modern und LAB sind jetzt schon unterfinanziert. Mit einem neuen Häuschen von 40 Millionen Euro können die auch nicht besser loslegen als jetzt. Man muss ehrlich sein und sehen, dass auch die Ausstattung gut sein muss. Da holt die Realität die Vision ein.“ Von einer Interimsspielstätte der Städtischen Bühnen am Campus hält Dürbeck nicht so viel, weil die benötigten Flächen ja nicht nur die Spielstätte an sich einschließen müsse, sondern auch die 80 Prozent jenseits des Bühnengeschehens. Dass so lange nichts auf dem Areal passiert sei, hänge mit dem verzögerten Wegzug der Uni zusammen, „nach ursprünglicher Planung wäre die Uni längst weg.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Avantgarde sei ohnehin eine abgeschlossene Epoche von gestern, sagt Ina Hartwig. „Das Gelände ist doch jetzt schon ziemlich aufgeteilt. Allzu viel Bewegungsfläche für kulturelle Bauten sind nicht mehr da, es sind nur noch einige Flecken. Wir bemühen uns die Scherben zusammenzukehren und aus den übrigen Flecken was zu machen.“ Christopher Brandt von der HfMDK ist zuversichtlich, dass das Land vor der Landtagswahl im Herbst bezüglich der Hochschule doch noch in die Gänge kommt und sich so in Sachen Kulturcampus doch noch etwas bewege. Indes, so wurde aus Kommentaren aus dem Plenum klar, fehle es den Bürgern an einem Ansprechpartner zum Thema Kulturcampus. Der sei, nach ihrer eigenen Aussage, Ina Hartwig. Dennoch wurde moniert, dass ein „Kümmerer“ fehle. Es fehle an der Koordination der einzelnen Interessen und an einer realistischen Einschätzung der Raumbedarfe. Ob der Kulturcampus kommen wird, diesbezüglich gab es in der Podiumsdiskussion keinen richtigen Hoffnungsschimmer. Aber Moderator Rainer Schulze fasste den Abend so zusammen: „Zumindest haben wir dem Thema eine neue Dringlichkeit gegeben.“
11. April 2018, 10.56 Uhr
Nicole Brevoord
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig Mehr von Nicole
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