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Blick auf Mond, Mars und Milchstraße
Seit dem 30. Mai 1960 kann man in der Sternwarte des Physikalischen Vereins an der Senckenberg-Anlage einen Blick ins All werfen. Das Teleskop in der Kuppel ist ihr Herzstück. Einst für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung genutzt, werden heute den interessierten Laien in der Sternwarte das Sonnensystem und die Sterne nahe gebracht.
Die Kurbel will nicht. Aber Volker Heinrich lässt sich nicht beirren. Weiter und immer weiter dreht er an dem Eisenrad. Langsam öffnet sich ein Spalt in der Kuppel. Seit mehr als 30 Jahren kurbelt Heinrich, der seit vielen Jahren als Ehrenamtlicher in der Sternwarte arbeitet, diesen Spalt in der Kuppel auf - und jedes Mal entfährt ihm ein ehrfürchtiges Gemurmel, wenn der Himmel sichtbar wird und sich dann beim Blick durch das Teleskop die Schönheiten des Universums offenbaren.
Wer die 132 Stufen zur Kuppel der Sternwarte erklommen oder den mehr als 30 Meter hohen Turm mit dem Aufzug überwunden hat, der will einen Blick durch das Fernrohr werfen. Um die Krater, Täler und Berge des Mondes zu sehen, das Farbenspiel von Mars und Jupiter, den Andromedanebel, die Milchstraße. Seit nun genau 50 Jahren können Bürger auf die Sternwarte hinauf und ins All schauen. Es war der 30. Mai 1960, als der Turm des Physikalischen Vereins an der Senckenberg-Anlage fertig gestellt war - wieder aufgebaut nach altem Vorbild. Denn der originale Turm von 1908 wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Doch die Tradition der Sternwarte in Frankfurt reicht sogar noch viele Jahre weiter zurück - bis ins Jahr 1838.
Damals errichtete der einige Jahre zuvor gegründete Physikalische Verein - Frankfurter Ärzte, Apotheker, Kaufleute und andere Bürger - die erste Warte. Im Turm der Paulskirche. Um das Firmament zu beobachten, aber auch zur Regulierung der Turmuhren. "Der Verein bekam damals den Auftrag, die Zeit zu checken", berichtet Gerd Sandstede, Ehrenpräsident des Physikalischen Vereins und Chemiker. Jeden Mittag kletterte einer auf den Turm, bestimmte die Zeit nach dem Sonnen- und Sternestand. Um Punkt 12 Uhr blies er dann in eine Tröte. "Das war das Signal für die Türmer, ihre Uhren zu stellen", sagt Sandstede. So konnten in Frankfurt alle ganz und gar richtig ticken.
Die Tröten hatten irgendwann ausgedient. Endgültig packte man sie in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts weg. Da war die Sternwarte schon längst in das neu errichtete Gebäude des Physikalischen Vereins an der Ecke zur Robert-Mayer-Straße umgezogen. Dort, wo sie heute noch ist, die sechs Meter durchmessende Kuppel, mit den Fensterkreuzen der sieben Luken, die exakt die Himmelsrichtungen anzeigen und dem nach Osten gerichteten Kuppelspalt. Wobei die Kuppel natürlich rotieren kann, um das Teleskop auf jede Stelle des Sternenhimmels zu richten.
Das Teleskop, das Herzstück jeder Sternwarte, thront raumfüllend in der Mitte der Kuppel. Auf einer vier Meter hohen blauen Säule mit Jugendstilverzierungen. Sie stand schon in der alten Sternwarte, überstand den Krieg im Keller. Genauso wie die Linse des Teleskops: 21 Zentimeter Durchmesser, drei Meter Brennweite und "sehr kostbar", setzt Sandstede achtungsvoll hinzu. Durch sie beobachtete man schon 1908 den Sternenhimmel in 500-facher Vergrößerung. Wollte man doch kleine Planetoiden zwischen Mars und Jupiter finden und vermessen. Dutzende Mitarbeiter saßen Tag für Tag vor elektrischen Kalkulatoren und Logarithmustabellen, um die Bahnen zu berechnen. 30 im Jahr kamen dabei heraus. "Darüber würde sich aber heute jeder PC schlapp lachen", scherzt Heinrich.
Doch die Zeiten wissenschaftlicher Forschung in der Sternwarte waren da ohnehin fast vorbei. Mit der Elektrifizierung wurde bald in allen großen Städten der Erde die Nacht für immer zum Tag, nicht gerade ideale Arbeitsbedingungen für Astronomen. So war dann Mitte der 30er Jahre auch Schluss für die Himmelsforschung im Observatorium. Damals gehörte die Sternwarte zu der 1914 gegründeten Goethe-Universität. Aber die wollte die Sternwarte wegen der allzu hellen Nächte dann nicht mehr haben. So deklarierte der Physikalische Verein seinen Turmbau zur Volkssternwarte: Das Sonnensystem und die Sterne sollten dort den Laien nahe gebracht werden.
Der Krieg verhinderte das, aber 1960 war es dann doch soweit. „Es wurde eine Warte fürs Volk", erzählt Volker Heinrich. "Und das Volk kommt." Gerappelt voll kann es werden in der Kuppel. Bei Sonnen- oder Mondfinsternissen, wenn Mer-kur die Sonne verdeckt und Kometen vorbei ziehen. Hunderte Frankfurter werden in solchen Nächten zu Sternenguckern. Aber auch jeden Freitag finden sich eine Menge Erdenbewohner im Observatorium ein, um dem Himmel mal ganz nahe zu sein. An diesen Abenden gibt es Vorträge über Sternenstaub und Galaxien, optische Täuschungen und die Herkunft der Meteoriten – Himmelgucken inklusive. Rund 30 Ehrenamtliche betreuen die Sternwarte, erzählen von Schwarzen Löchern und Sonnenflecken.
Mit den Entdeckungen von Planeten hat der Physikalische Verein inzwischen auch wieder begonnen. Nicht mehr an der Senckenberg-Anlage, sondern in der neuen Dependance auf dem Kleinen Feldberg. In den vergangenen vier Jahren entdeckten die Himmelsforscher dort 175 Kleinplaneten. Einer der ersten war 204852, so die offizielle Nummer: Er bewegt sich auf einer fast kreisförmigen Bahn zwischen Mars und Jupiter, braucht für einen Umlauf um die Sonne 4,5 Jahre und hat einen Durchmesser von zwei bis drei Kilometern. Die Forscher durften einen Namen für ihn aussuchen. Sie haben ihn Frankfurt genannt.
Sandra Busch/ pia
Die Kurbel will nicht. Aber Volker Heinrich lässt sich nicht beirren. Weiter und immer weiter dreht er an dem Eisenrad. Langsam öffnet sich ein Spalt in der Kuppel. Seit mehr als 30 Jahren kurbelt Heinrich, der seit vielen Jahren als Ehrenamtlicher in der Sternwarte arbeitet, diesen Spalt in der Kuppel auf - und jedes Mal entfährt ihm ein ehrfürchtiges Gemurmel, wenn der Himmel sichtbar wird und sich dann beim Blick durch das Teleskop die Schönheiten des Universums offenbaren.
Wer die 132 Stufen zur Kuppel der Sternwarte erklommen oder den mehr als 30 Meter hohen Turm mit dem Aufzug überwunden hat, der will einen Blick durch das Fernrohr werfen. Um die Krater, Täler und Berge des Mondes zu sehen, das Farbenspiel von Mars und Jupiter, den Andromedanebel, die Milchstraße. Seit nun genau 50 Jahren können Bürger auf die Sternwarte hinauf und ins All schauen. Es war der 30. Mai 1960, als der Turm des Physikalischen Vereins an der Senckenberg-Anlage fertig gestellt war - wieder aufgebaut nach altem Vorbild. Denn der originale Turm von 1908 wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Doch die Tradition der Sternwarte in Frankfurt reicht sogar noch viele Jahre weiter zurück - bis ins Jahr 1838.
Damals errichtete der einige Jahre zuvor gegründete Physikalische Verein - Frankfurter Ärzte, Apotheker, Kaufleute und andere Bürger - die erste Warte. Im Turm der Paulskirche. Um das Firmament zu beobachten, aber auch zur Regulierung der Turmuhren. "Der Verein bekam damals den Auftrag, die Zeit zu checken", berichtet Gerd Sandstede, Ehrenpräsident des Physikalischen Vereins und Chemiker. Jeden Mittag kletterte einer auf den Turm, bestimmte die Zeit nach dem Sonnen- und Sternestand. Um Punkt 12 Uhr blies er dann in eine Tröte. "Das war das Signal für die Türmer, ihre Uhren zu stellen", sagt Sandstede. So konnten in Frankfurt alle ganz und gar richtig ticken.
Die Tröten hatten irgendwann ausgedient. Endgültig packte man sie in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts weg. Da war die Sternwarte schon längst in das neu errichtete Gebäude des Physikalischen Vereins an der Ecke zur Robert-Mayer-Straße umgezogen. Dort, wo sie heute noch ist, die sechs Meter durchmessende Kuppel, mit den Fensterkreuzen der sieben Luken, die exakt die Himmelsrichtungen anzeigen und dem nach Osten gerichteten Kuppelspalt. Wobei die Kuppel natürlich rotieren kann, um das Teleskop auf jede Stelle des Sternenhimmels zu richten.
Das Teleskop, das Herzstück jeder Sternwarte, thront raumfüllend in der Mitte der Kuppel. Auf einer vier Meter hohen blauen Säule mit Jugendstilverzierungen. Sie stand schon in der alten Sternwarte, überstand den Krieg im Keller. Genauso wie die Linse des Teleskops: 21 Zentimeter Durchmesser, drei Meter Brennweite und "sehr kostbar", setzt Sandstede achtungsvoll hinzu. Durch sie beobachtete man schon 1908 den Sternenhimmel in 500-facher Vergrößerung. Wollte man doch kleine Planetoiden zwischen Mars und Jupiter finden und vermessen. Dutzende Mitarbeiter saßen Tag für Tag vor elektrischen Kalkulatoren und Logarithmustabellen, um die Bahnen zu berechnen. 30 im Jahr kamen dabei heraus. "Darüber würde sich aber heute jeder PC schlapp lachen", scherzt Heinrich.
Doch die Zeiten wissenschaftlicher Forschung in der Sternwarte waren da ohnehin fast vorbei. Mit der Elektrifizierung wurde bald in allen großen Städten der Erde die Nacht für immer zum Tag, nicht gerade ideale Arbeitsbedingungen für Astronomen. So war dann Mitte der 30er Jahre auch Schluss für die Himmelsforschung im Observatorium. Damals gehörte die Sternwarte zu der 1914 gegründeten Goethe-Universität. Aber die wollte die Sternwarte wegen der allzu hellen Nächte dann nicht mehr haben. So deklarierte der Physikalische Verein seinen Turmbau zur Volkssternwarte: Das Sonnensystem und die Sterne sollten dort den Laien nahe gebracht werden.
Der Krieg verhinderte das, aber 1960 war es dann doch soweit. „Es wurde eine Warte fürs Volk", erzählt Volker Heinrich. "Und das Volk kommt." Gerappelt voll kann es werden in der Kuppel. Bei Sonnen- oder Mondfinsternissen, wenn Mer-kur die Sonne verdeckt und Kometen vorbei ziehen. Hunderte Frankfurter werden in solchen Nächten zu Sternenguckern. Aber auch jeden Freitag finden sich eine Menge Erdenbewohner im Observatorium ein, um dem Himmel mal ganz nahe zu sein. An diesen Abenden gibt es Vorträge über Sternenstaub und Galaxien, optische Täuschungen und die Herkunft der Meteoriten – Himmelgucken inklusive. Rund 30 Ehrenamtliche betreuen die Sternwarte, erzählen von Schwarzen Löchern und Sonnenflecken.
Mit den Entdeckungen von Planeten hat der Physikalische Verein inzwischen auch wieder begonnen. Nicht mehr an der Senckenberg-Anlage, sondern in der neuen Dependance auf dem Kleinen Feldberg. In den vergangenen vier Jahren entdeckten die Himmelsforscher dort 175 Kleinplaneten. Einer der ersten war 204852, so die offizielle Nummer: Er bewegt sich auf einer fast kreisförmigen Bahn zwischen Mars und Jupiter, braucht für einen Umlauf um die Sonne 4,5 Jahre und hat einen Durchmesser von zwei bis drei Kilometern. Die Forscher durften einen Namen für ihn aussuchen. Sie haben ihn Frankfurt genannt.
Sandra Busch/ pia
30. Mai 2010, 14.30 Uhr
red
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