Fast 30 Jahre hat Professor Bernhard Grzimek den Frankfurter Zoo entwickelt und geleitet. Weit über die Grenzen der Mainstadt hinaus bekannt geworden ist er jedoch vor allem durch seine Fernsehauftritte, die er immer in tierischer Begleitung aus seinem Zoo absolvierte. Am 24. April wäre Bernhard Grzimek 100 Jahre alt geworden.
Jasmin_Takim /
Die stadtbekannte Dame war pikiert. Schon zum wiederholten Male musste sie sich dem Professor vorstellen. "Madame", antwortete der Herr galant, "wenn Sie eine Schimpansin wären, hätte ich mir Ihr Gesicht besser merken können." Und das war nicht einmal unverschämt gemeint, sondern entsprach der Wahrheit. Der Frankfurter Zoodirektor und Tierforscher Bernhard Grzimek verfügte nämlich über ein äußerst schlechtes Personengedächtnis. Er kannte die Tiere. Weniger die Menschen. Ein Platz für wilde Tiere im Fernsehen
Ihn kannten dafür alle: aus dem Fernsehen. Seit 1956 präsentierte Grzimek seine Sendung "Ein Platz für wilde Tiere", später nur noch "Ein Platz für Tiere", insgesamt 175 Folgen lang bis zu seinem Tod 1987. Immer brachte er ein Tier aus dem Frankfurter Zoo mit ins Studio: Schon bei seiner legendär gewordenen Begrüßung ("Guten Abend, meine lieben Freunde!") hing ihm mal eine Schlange um den Hals, mal räkelte sich der Gepard Mausi vor ihm auf dem Tisch, oder es passierte einem ungewindelten Affenbaby ein kleines Malheur auf Grzimeks Jackett. Und der Professor vergaß nie, trotz der verzweifelt wiederholten Hinweise des Senders auf die Regeln des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zum Schluss die Nummer des Spendenkontos "Hilfe für die bedrohte Tierwelt" anzusagen. Damit schuf er die finanzielle Basis für die gleichnamige Stiftung, die heute, mit einem Kapital von 33 Millionen Euro im Jahr 2001 gegründet, die weltweiten Naturschutzprojekte der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) sichert. Ein Tierarzt in einer fast völlig zerstörten Stadt
Vor 100 Jahren, am 24. April 1909, wurde Bernhard Grzimek in Neiße in Oberschlesien geboren. Nach Frankfurt kam der promovierte Tierarzt, der seit 1938 als Regierungsrat im Reichsernährungsministerium in Berlin mit der Bekämpfung von Rinder- und Geflügelseuchen befasst war, eher zufällig in den Wirren der letzten Kriegswochen. Hier wollte er den befreundeten Journalisten Wilhelm Hollbach treffen, für dessen "Illustriertes Blatt" er früher wöchentlich einen Artikel über Tiere geliefert hatte. Hollbach, der inzwischen von der amerikanischen Militärregierung zum Bürgermeister von Frankfurt ernannt worden war, machte Grzimek kurzerhand zu seinem Adjutanten: "Gott sei Dank, dass Sie kommen", soll er ihn begrüßt haben. "Sie sind wenigstens Verwaltungsbeamter. Ich regiere hier die Stadt lediglich mit Zeitungsmenschen." Noch am gleichen Tag fand sich Grzimek in einem eigenen Dienstzimmer wieder - sozusagen als "Mädchen für alles" in einer fast völlig zerstörten Stadt. Bald, so erzählte er später selbst, wollte die amerikanische Besatzungsmacht ihn als Polizeipräsidenten von Frankfurt einsetzen. Da hatte er aber sein Interesse längst auf den in Trümmern liegenden Zoo gelenkt, dessen Schließung eigentlich schon beschlossene Sache war. Ein Werbeumzug mit Ziegen und Kamelen
Am 1. Mai 1945, noch vor dem offiziellen Kriegsende, wurde Bernhard Grzimek zum Direktor des Frankfurter Zoos ernannt. Zusammen mit dem Zoo-Inspektor Gustav Lederer und den wenigen verbliebenen Tierpflegern ließ er Plakate drucken: "Der Zoo ist wiedereröffnet!" Dann startete er "mit einer alten Ponykutsche, den paar Ziegen, den zwei Kamelen und großen, selber gemalten Inschriften" einen Werbeumzug "durch die Stadt (...), an der Ruine der Hauptwache vorbei". Gleich in den ersten 14 Tagen nach der Eröffnung am 24. Juni 1945 strömten über 25.000 Menschen in den Zoo. Außer dem Star des Affenhauses, dem Schimpansen Moritz, bekamen sie allerdings nicht allzu viele Tiere zu sehen. Den Tiermangel der ersten Nachkriegszeit glich Grzimek schnell durch die Ansiedlung eines attraktiven, weil in der deutschen Trümmerlandschaft einzigartigen Vergnügungsparks mit einer Achterbahn, einem Zirkus, einem Kino, einem Theater und einer Veranstaltungshalle im Zoo aus. Ein Okapi für den Frankfurter Zoo
Nach der Währungsreform von 1948 konnte Grzimek mit dem eigentlichen Wiederaufbau des Frankfurter Zoos beginnen. Zug um Zug entstanden neue Tierhäuser, etwa das Giraffenhaus, das erweiterte Raubtierhaus mit der Löwenanlage und das Exotarium. Beim Umbau des Menschenaffenhauses experimentierte der Zoodirektor erstmals mit Glasscheiben statt Gittern vor den Käfigen. Auch gelangen ihm viele Erfolge in der Haltung und Zucht seltener Tiere. So brachte er 1954 das erste Okapi nach Deutschland, und es glückten ihm u. a. die Erstnachzuchten von Spitzmaulnashorn, Bonobo und Gorilla. Im Januar 1951 war Bernhard Grzimek erstmals nach Afrika gereist, eigentlich um Tiere für den Frankfurter Zoo zu erwerben. Entsetzt über die bedrohte Lage der Tiere infolge von Jagd und Zerstörung ihres Lebensraums begann er, zusammen mit seinem Sohn Michael, in Afrika zu forschen und zu filmen. Nach einer Kongoreise veröffentlichten sie 1956 das Buch und den Film "Kein Platz für wilde Tiere". Ihr Film "Serengeti darf nicht sterben" (1959), bei dessen Dreharbeiten Michael Grzimek im Alter von 24 Jahren tödlich verunglückte, wurde als bester Dokumentarfilm mit einem Oscar ausgezeichnet. Spätestens seit dem Verlust des Sohnes lag Bernhard Grzimek das Engagement für den Naturschutz besonders am Herzen. Von 1969 bis 1973 fungierte er als erster Bundesbeauftragter für Naturschutz, und seit 1971 führte er den Vorsitz der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), die er, auch nach seiner Pensionierung als Zoodirektor 1974, zu einer bedeutenden internationalen Naturschutzorganisation ausbaute. Ein Grab in Afrika
Am Freitag, den 13. März 1987, starb Bernhard Grzimek in Frankfurt. Er, der früher selbst manchmal als Raubtierdompteur in die Manege gestiegen war, erlag während der Tigervorführung in der Nachmittagsvorstellung des Zirkus Williams-Althoff einem Herzschlag. Die Urne mit seiner Asche wurde neben seinem Sohn Michael am Rande des Ngorongoro-Kraters in Tansania beigesetzt. Manchmal, so heißt es, ruhen sich dort an der Steinpyramide mit der bronzenen Grabplatte die Löwen aus.
Quelle: Sabine Hock/pia
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