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Eintracht vom Main

„Das ist schön, so schön“

Eine entfesselte Fangemeinde feiert die Spieler der Eintracht. Diese fahren in einem Triumphzug vom Flughafen durch Frankfurt bis zum Römer, um sich dort ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. Es ist ein Tag, der in Frankfurts Sportgeschichte eingehen wird.
Bereits am Nachmittag geht nichts mehr in der Frankfurter Innenstadt und die Temperaturen können es fast mit denen in Sevilla aufnehmen. Hunderttausend Fans sollen gekommen sein, um die Fußballmannschaft zu feiern, die in der Nacht in einem packenden Elfmeter-Finale die Frankfurter in den Fußball-Olymp schoss. Gefühlt ist die gesamte Stadt auf den Beinen. Auf dem Römerberg ist kein Stehplatz mehr zu haben, schwarz-weiß-rote Fahnen werden geschwenkt, Pyros gezündet. 13 000 Menschen dürfen auf den Römerberg. Bereits am Nachmittag ist ein Zugang nicht mehr möglich. „Ich habe die Nacht durchgemacht“, sagt ein Fan, der fast keine Stimme mehr hat. Er war im Deutsche Bank Park, wie 50 000 andere auch, die dort die Übertragung des Spiels gesehen haben. Ein anderer hat das Shirt ausgezogen und zeigt seine Adler-Tätowierung. Frankfurt im Ausnahmezustand. Es ertönen Sprechchöre: „Kevin Trapp, Kevin Trapp.“ Der Eintracht-Torhüter hatte einige brenzliche Situationen geklärt und einen Elfmeter gehalten. Die Menge singt zu Major Tom: „Völlig losgelöst schwebt das Raumschiff, völlig schwerelos“. Auch vor der Paulskirche, an der Hauptwache und am Mainufer haben sich die Fans versammelt. Und in Alt-Sachsenhausen geht sowieso nichts mehr. So manch eine(r) sitzt am Bordstein, die schlaflose Nacht in Kombination mit Alkohol zeigen Wirkung. Rettungssanitäter sind im Dauereinsatz.

Pünktlich um 17.45 Uhr landet die Maschine samt Eintracht-Lackierung – glücklicherweise vor der Gewitterfront, die sich von Westen nähert. Während die Maschine zur Parkposition rollt, hält der Kapitän der Sun Express eine Eintracht-Fahne aus dem Cockpit-Fenster, anschließend winkt Kevin Trapp mit dem Pokal, der rund 15 Kilo wiegt, wie der hr weiß. Die Tür öffnet sich, als erstes steigt die Entourage aus. Dann folgt Trainer Oliver Glasner mit dem Pokal und hinter ihm: die Mannschaft. Die Cabrios, die die Spieler vom Flughafen durch die Stadt zum Römerberg bringen, fahren vor. Schnell noch ein paar Selfies, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundespolizei, Feuerwehr, der Fraport sind gekommen, um die Fußballer zu sehen. Auch die Eintracht-Legenden Uwe Bein, Charly Körbel und Anthony Yeboah werden gesichtet. Der Konvoi setzt sich in Bewegung, kommt allerdings nicht weit: Am Cargo-Tor, aus dem die Eintracht kommt, warten Dutzende Fans. Ein Mädchen im Eintracht-Trikot wird zu Oliver Glasner ins Cabrio gesetzt. Dieser umklammert den Pokal und wird ihn die ganze Fahrt nicht mehr loslassen.

Wenn das so weitergeht, werden die Spieler lange zum Römer brauchen.
Die Fußballer der Eintracht sind blendend gelaunt, schwenken Fahnen und prosten den Fans mit Bierflaschen zu. Viele der Spieler tragen Sonnenbrillen, die Nacht war offenbar noch lang. Eingeweihte berichten von einer Party, die bis 6 Uhr dauerte und erst an der Hotelbar endete. Sebastian Rode wird gefragt, was ihm mehr weh tue, der Brummschädel oder seine Kopfverletzung, worauf er antwortet: „Eindeutig die Verletzung.“ Der bange Blick richtet sich gen Himmel, das Gewitter kommt näher, in Frankfurt geht schon der erste Regenschauer nieder. Das juckt die Fans allerdings wenig, sie haben seit Stunden auf ihre Mannschaft gewartet und lassen sich nicht vom Feiern abhalten. Unterdessen sind die Spieler auf dem Weg, fahren auf der B44 in Richtung Deutsche Bank Park.

Oliver Glasner gibt auf der Fahrt Interviews. „Die Party endete im Hotelpool.“ Frage des hr-Kollegen: „Wer hat die beste Figur gemacht?“ Glasner: „Das konnte ich nicht sehen, es war ja dunkel.“ Am Römer schüttet es wie aus Kübeln. Fahnen als Regenschutz werden über den Köpfen ausgebreitet. „Es kann schütten wie es will, ich geh nicht weg“, sagt ein Fan. Es ist auf mehreren Ebenen ein feucht-fröhlicher Abend. Viele haben ihre T-Shirts ausgezogen. „Das ist schön, so schön“, sagt ein Mann mit einer Jeansweste voller Eintracht-Abzeichen. Er hat Tränen in den Augen.

Es ist kurz vor 19 Uhr. Die Mannschaft ist noch auf der B44 unterwegs, auch hier regnet es mittlerweile. Auf dem Standstreifen stehen Autos mit Fußballfans, je näher der Konvoi der Innenstadt kommt, desto mehr Fußballfans stehen am Straßenrand. Die Autos müssen immer wieder halten, weil Fans auf die Fahrbahn laufen, um ihre Idole zu bejubeln. Alle sind nass, Spieler, Fans, Ordner. Der Konvoi ist so langsam, dass man bequem mit dem Fahrrad mithalten kann. Wie viele Selfies heute wohl gemacht werden? Früher wollte man ein Autogramm. In irgendeiner Schublade liegt noch eins von Uli Stein. Bis zur Kennedyallee braucht der Autokorso eine Stunde. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz gratuliert der Eintracht: „Was für ein großartiger Erfolg. Wir freuen uns alle mit Euch über den Europapokalsieg.“

Um 21.25 Uhr erreicht die Mannschaft den Römer. OB Peter Feldmann (SPD) lässt jegliches Augenmaß, das er ja bei öffentlichen Auftritten angekündigt hat, vermissen. Er betritt mit den Spielern den Kaisersaal, um dort eine Dankesrede zu halten. Feldmann weiß schließlich um die Wirkung der Bilder, die in die ganze Welt gesendet werden. Unterdessen warten die Fans auf dem Römerberg darauf, ihre Mannschaft zu bejubeln. Dann ist es endlich soweit: Die Mannschaft betritt den Balkon, der Römerberg kocht und leuchtet knallrot vor lauter Pyro, irgendwo wird ein Feuerwerk abgebrannt. Auch auf dem Balkon wird Pyro gezündet. Die Fans singen und jubeln. Es ist der Beginn einer weiteren schlaflosen Nacht.
 
Fotogalerie:
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20. Mai 2022, 09.40 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
 
 
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