Café Karin, Harvey’s, Metropol, Größenwahn – in diese Reihe Frankfurter Gastronomie-Klassiker gehört auch die Wunderbar. In Höchst wird jetzt der 25. Geburtstag gefeiert. Hot Snack & Cool Drinks, Livemusik und DJ.
Detlef Kinsler /
Ihrem Vater werden sie wohl ewig dankbar sein. Denn obwohl die Brüder Ralf und Siegfried die schwarzen Schafe der Familie waren, mit 29 und 35 im bürgerlichen Sinne noch nichts Gescheites auf die Beine gestellt hatten, bot er – gerade Rentner geworden – seinen Jungs an, er könne doch bei der Bank mit seinem Häuschen bürgen. „Wir hätten uns nicht getraut ihn zu fragen“, erinnert sich der Jüngere der beiden. Die Ottos hatten bis dato für ihr selbstverwaltetes Jugendzentrum in Königstein und mit einem Hüttendorf auf dem „Damm“ gegen den Weiterbau der B8 zur „Taunusautobahn“ gekämpft. An die Zeit als „Freaks“ und „Feuerköpfe“ erinnern sie sich gerne, zumal ihre Aktion von 1979 bis 1981 als die längste erfolgreiche Platzbesetzung Geschichte schrieb. „Ich hatte einen Kumpel in Berlin, der hatte in Kreuzberg die Szenekneipe Rizz. Wenn ich ihn besuchte, habe ich mir das alles angeguckt“, erzählt Ralf Otto. Da meldete sich beim „alten Projektheimer“ plötzlich „das kleine Kaufmännchen“ in ihm, schließlich guckte er sich eine leer stehenden Kneipe in Höchst an, „ein Loch, der Tresen verfault, da hatte sich lange keiner mehr reingetraut“, aber die Ottos ergriffen mit den Freunden Mikesch Steiner und Uschi Mader die Chance: Sekt oder Selters. Mit 200 000 Mark von der Bank und nach sechsmonatigem Umbau eröffnete das Lokal im April 1988. Selbst die konservative Altstadtvereinigung klatschte Beifall, „dass junge Deutsche kamen und aus dem türkisch geführten Laden namens Harem mit Zockern im Nebenraum eine Wunderbar im ehemaligen Kolpinghaus machten“, lacht Ralf Otto. „Für uns ging es von da an nur nach vorne, auch weil wir den Vater moralisch im Rücken hatten.“
Szenekneipe, Stadtteiltreff, Familienrestaurant, den Main-Taunus-Kreis ansprechen, die Frankfurter an die Peripherie locken – keine leichte Aufgabe für die frisch gebackenen Kneipiers. Schließlich war Höchst damals Kreisstadt, hatte mit FH ein eigenes Autokennzeichen (die 65-er Postleitzahlen sind geblieben) und war als weithin sichtbarerer Industriestandort kein Lieblingsausflugsziel der Großstädter. Ein Begriff wie „Erlebnisgastronomie“ kursierte schon. „Ich wollte von vorne herein Ausstellungen anbieten, dazu Partys, sogar mit Live-Musik, ohne Eintritt zu nehmen, um damit den Leuten zu zeigen, dass du nicht gierig bist und immer wieder was ans Publikum zurückgeben willst“, formuliert Otto seinen Anspruch. „Und der Laden sollte immer lebendig bleiben, auch indem wir ihm immer neue Gesichter geben.“ In 25 Jahren zehn verschiedene Anstriche, der aktuelle von Künstler Peter Damm, mal ist das Erscheinungsbild indianisch, mal afrikanisch oder „spacy“ wie Otto die momentan gelb-orange-auberginen Farbgebung empfindet. „In grauen Städten brauchen die Leute Farbtupfer, was Lebendiges, Buntes, Schönes, wo sie sich wohl fühlen können.“ Passend zum Ausstattung findet man auf der Speisekarte von Küchenchef Stefan Dychto auch ein buntes, internationales Angebot, kalifornische Maiscremesuppe, mediterraner Vorspeisenteller, Hawaii-Salat, Thai Putencurry oder mexikanische Karottentalern.
Mit den Nachbarn des Neuen Theater Höchst pflegt man ein fast symbiotisches Verhältnis. „Die Leute wollen heute gerne ein Paket, sagen: wir machen uns einen schönen Abend, gehen vorher zum Essen in die Wunderbar, dann zur Vorstellung ins Theater und danach noch mal zu einem Absacker zurück in die Bar“, ist Ottos Erfahrung. Da sitzen dann auch gerne die Künstler, früher Dirk Back, heute schon mal Bülent Ceylan, Kabarettisten wie Dieter Thomas und Hendrike von Sydow oder Retro-Entertainer Robert Kreis haben über die Jahre ein freundschaftliches Verhältnis zu den Gastronomen aufgebaut. Mal sehen, wer alles mitfeiert am 6. April. Da gibt es bei der Jubiläumsparty zu Hot Snack & Cool Drinks Livemusik mit Neal Black & The Healers und Bluesrock aus Texas, vorab die Höchster Urgesteine Good Old Boys, danach legt DJ Settka auf, ganz nach dem Geschmack des Musiksüchtigen Ralf Otto. Dieser Leidenschaft kann er übrigens in seinem zweiten Lokal nachgehen. Einmal pro Woche gibt es in der Wunderbar Weite Welt im Bahnhof von Eppstein Americana, Singer/Songwriter, Rock, Blues und Afro auf hohem Qualitätsniveau.