Wenn der Asylantrag scheitert

Abschiebung, was heißt das eigentlich?

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Angesichts des Flüchtlingszustroms fallen in der öffentlichen Debatte immer wieder die nüchternen Begriffe Ausweisung und Abschiebung. Für die Betroffenen sind diese Worte dramatisch, sie bedeuten Perspektivlosigkeit.

Nicole Brevoord /

Im vergangenen Jahr haben laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 476.649 Menschen einen Asylantrag gestellt; mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2014. Bundesweit wurden im letzten Jahr die Anträge von rund 8000 Personen abgelehnt. Nicht jeder, der auf ein Leben in Deutschland hofft, darf bleiben. Wenn die Aufenthaltserlaubnis erloschen ist oder der Asylantrag endgültig abgelehnt wurde, dann zerplatzen Träume. Für die Behörden ist es ein Verwaltungsakt. Sie belehren die gescheiterten Asylbewerber, dass sie ausreisen müssen und nicht wieder zurückkommen dürfen. Und wenn sie nicht freiwillig gehen, dann droht die Abschiebung – entweder in das Heimatland oder entsprechend des Dublin-Abkommens in jenes EU-Land, in dem sie zuerst registriert wurden.

Die Abschiebung erfolgt unangekündigt. Die Behörden sprechen von einem Zwangsmittel.

Laut Aufenthaltsgesetz darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem Leben oder Freiheit wegen Rasse, Religion, Nationalität oder politischer Überzeugung bedroht sind. Doch für viele Abgeschobene ist die harmlos klingende „Rückführung“ dramatisch. Viele „Schüblinge“, so werden die Betroffenen genannt, stehen im Heimatland vor dem Nichts. 21.000 Abschiebungen aus Deutschland hat es im Jahr 2015 gegeben, laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge doppelt soviele wie im Jahr 2014.

Stark gestiegen ist auch die Zahl der Abschiebungen am Frankfurter Flughafen.

3.975 Personen wurden im vergangenen Jahr vom Frankfurter Flughafen aus abgeschoben. 67 Prozent Männer, ein Viertel Familien und allein reisende Frauen. Die meisten kamen aus der Balkanregion. Insgesamt soll es neun Sammelrückflüge, u.a. in den in den Kosovo, nach Mazedonien und Albanien gegeben haben. Dazu werden Flugzeuge für bis zu 120 Menschen gechartert.

Die Bundespolizei nimmt die „Schüblinge“ von den Behörden am Flughafen entgegen und koordiniert die Ausreise. „Wir checken die Personen ein und führen eine Luftsicherheitskontrolle durch“, sagt Christian Altenhofen, Sprecher der Bundespolizei. All das in einem von den Passagieren abgetrennten Bereich des Terminals. Die Menschen betreten die Linienflugzeuge meist unauffällig vor den anderen Passagieren und sitzen ganz hinten, manchmal - bei zu erwartender Gegenwehr – in Begleitung von zwei Beamten, die den Ausreisenden dann an die Behörden am Zielflughafen übergeben. Recht selten werden auch Straftäter abgeschoben, die mit Klettbändern an einen Gürtel - einem sogenannten Bodycuff – fixiert werden. „Abschiebungen sind eine schwierige Aufgabe, dafür braucht man speziell geschultes Personal und manchmal geht es einfach nicht ohne Zwangsmaßnahmen“, sagt Altenhofen.

Der Sprecher der Bundespolizei sagt auch: „Keine Abschiebung ist es wert, dass dafür ein Menschenleben oder die Gesundheit gefährdet wird.“

In 163 Fällen brach die Bundespolizei die Abschiebung im vergangenen Jahr ab.Aus vielerlei Gründen: Psychische oder körperliche Gebrechen der Abgeschobenen gehören ebenso dazu wie „behördliche Gründe“. Altenhofen berichtet von einem Mann, der eine kleine Rasierklinge versteckt hatte, mit der er sich in seiner Verzweiflung selbst Verletzungen beibrachte – er blutete stark. „Da wurde die Abschiebung natürlich abgebrochen.“ Der Widerstand gegen die Polizisten komme selten vor, eher bestehe die Gefahr der Selbstverletzung, oder dass sich die Menschen an der Gangway festklammern und passiven Widerstand leisten. „Gewalt gegen das Begleitpersonal ist aber selten. Es bewirkt ja nichts“, sagt Altenhofen.

Seit 2006 sind am Frankfurter Flughafen auch zwei Abschiebe-Beobachter im Auftrag der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau sowie des Bistums Limburg im Einsatz. Sie vermitteln zwischen den Abzuschiebenden und den Behörden, sollen das staatliche Handeln transparent machen und melden, wenn sich Beamte unangemessen verhalten. Auch vor folgendem Hintergrund: 1999 war ein 30-jähriger Sudanese bei der Abschiebung ums Leben gekommen. Er war an Füßen und Händen gefesselt, trug einen Motorradhelm und erstickte nach einer massiven Gewalteinwirkung. Das soll nicht wieder passieren.

Nicole Brevoord
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig
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