Routine statt Schock – Marilyn Manson in Offenbach

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red /

Noch immer sind Konzerte von Marilyn Manson, dem Prototypen des provozierenden Schockrockers schlechthin, ein Ereignis. Die Fans säumen die Straßen und den Platz vor der Konzerthalle. Die Halle selbst ist prall gefüllt. Fotoapparate werden beschlagnahmt, weil Manson nicht fotografiert werden will. Als Vorbands werden sicherheitshalber bekannte Namen gebucht, weil Mansons-Fans alles andere gerne von der Bühne pfeifen. Dann wird etwas umgebaut und der Auftritt des Stars des Abends ist gekommen.



So auch gestern in Offenbach beim Manson-Konzert in der Stadthalle. Schon aus weiter Ferne war an der Masse der Fans zu sehen, dass ein besonderes Konzert auf der Tagesordnung steht. Beim Einlass wurden die Kameras beschlagnahmt, inkonsequenterweise aber nicht Handys mit eingebauten Fotokameras (womit die Aussage „Der Künstler will nicht fotografiert werden“ einiges an Gewicht verlor). Als Vorgruppe traten die norwegischen Porno-Rocker bzw. Death Punker Turbonegro auf, die sofort feststellten, woran es in Deutschland harpert: „You don’t know how to su... co... The next song is all about it: Blow me (like the wind)”. Schlecht war ihre Show nicht, jedenfalls sehr selbstironisch und unterhaltsam. Unterhaltsamer als die Stunde danach, denn Marilyn Manson, der Hauptact, ließ eine Stunde auf sich warten.


Dann wurden die Lichter gedimmt, die Fans schrien, was ihre Kehlen hergaben und es erklang: Schuberts Klaviertrio Nr.2, das durch Kubricks Film „Barry Lyndon“ an Bekanntheit gewann. Ganz im Kontrast dazu der Auftritt Mansons: mit einem messerartigen Mikrofon in bester Michael Myers-Manier und weißem Gesicht und rotgefärbten Augen. Sehr ästhetisch, gut eingeübt. Man hatte im weiteren Verlauf oft den Eindruck, man wohne einem Konzert einer Pop-Diva bei, die mindestens fünf Mal während des Auftritts ihre Garderobe wechselt. Nach jedem zweiten Lied wurde die Bühne dunkel und nach der Pause kam Manson in neuem Anzug und mit neuem Hut. Manson sagt selbst, dass er mit seinem neuen Album „Eat me, drink me“ persönlicher als je zuvor geworden ist. Wenn man seine Karriere betrachet, ist das Umziehen, das ständige äußerliche Sich-Verändern ein unverzichtbarer Bestandteils Mansons. Aber während eines Konzert doch ziemlich nervig, vor allem, weil es keine über den Akt des Umziehens hinausgehende Bedeutung hat. Aber vielleicht ist es eine dem Meister willkommene Verschnaufpause.



Auch ein bewährtes Element der Manson’schen Bühnenshow ist das Hochfahren mit einem Plateau bis an die Bühnendecke und das Aufsetzen einer Laternen-Brille. Wie gesagt: nett, aber oberflächlich, ganz das Gegenteil der Manson’schen Songs, die immer gesellschaftliche Missstände und Seelenbefindlichkeiten thematisieren. Auch das aus seinen Clips bekannte Rednerpult mit einem Blitz als Hakenkreuz-Verschnitt darauf kam zur Anwendung. Besonders witzig wurde es, als er auf dem Pult ein Buch anzündete und es auf die Bühne warf: sofort sprang ein Crew-Mitglied auf die Szene, warf ein Handtuch über das brennende Buch und trug es hinter die Kulissen. In unserer Welt ist es, denkt man dann, wirklich schwierig geworden, jemanden auf der Bühne zu schocken.


Manson bot eine gute Show, das Konzert war aber fast ausschließlich eine Präsentation seiner neuen Songs. Auf Hits aus früheren Tagen hatte er an diesem Tag wohl keine Lust, auch sein seinerzeit überaus erfolgreiches Soft Cell-Cover „Tainted Love“ wurde in den ersten Akkorden angestimmt und nicht weiter aufgenommen. So war die Show denn auch schon nach anderthalb Stunden zu Ende, an Zugabe dachten selbst die treuesten Fans nicht und gingen gleich Richtung Ausgang. Wirklich schade, dass Manson so routiniert geworden ist.

Text: Gary Vanisian


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