Oxygène erfüllt die Oper

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jan-otto weber /

Zum 30. Geburtstag seines wegweisenden Albums „Oxygène“ war der 59-jährige Elektro-Musiker Jean Michel Jarre gestern Abend in der Alten Oper zu Gast.


Um 20.15 Uhr trat der Meister aus einem Eierschalen-förmigen Sessel auf die Bühne – und erzeugte auf Anhieb Stimmung wie bei einem Popkonzert. In seiner Begrüßung dankte er Frankfurt, der Stadt, die so viel für die elektronische Musik getan habe. „Es ist ein Privileg ein solch ungewöhnliches Konzert an diesem Ort zu spielen“, rief der Künstler seinen Fans im voll besetzten Großen Saal der Alten Oper zu. Seine Musik stamme aus einer Zeit, in der die Menschen noch eine poetische Vision der Zukunft gehabt hätten. Seine Instrumente, die allesamt Originale aus dieser Zeit seien, hätten ein eigenes Leben und seien wie Stradivaris in der klassischen Musik. „Haben Sie bitte etwas Geduld. Zunächst müssen wir testen, ob wirklich alles funktioniert. Denn die Instrumente sind etwas eigen, wie ältere Damen so sind.“


Mit den „älteren Damen“ waren rund ein Dutzend mehrmanualige Keyboards und Synthesizer gemeint, die auf einer Fläche von etwa 50 Quadratmetern auf der Bühne aufgebaut waren. Dazu kam eine Reihe an technischem Equipment, das für den Laien schwer zu kategorisieren war. Mischpulte, Schalttafeln mit Hunderten von Lichtern und elektronischen Anzeigen. Ebenso schwer zu kategorisieren war die Zusammensetzung des Publikums, das in der Alten Oper wohl selten so heterogen war. Schlipsträger und Leute in Trainingsjacke, Jugendliche und Senioren waren gekommen, um eineinhalb Stunden lang den sphärischen Klängen von Jean Michel Jarre und seinen drei Mitstreitern zu lauschen.


Und was sie zu hören bekamen war ein Streifzug durch das gesamte Spektrum elektronischer Musik. Die Klänge erinnerten zuweilen an stroboskopische Geräusche eines Jahrmarkts, verzerrt, mal hell mal dunkel, mal laut mal leise. Darunter ein wabernder Klangteppich, auch dieser immer in Bewegung, schwer zu fassen. Erst nach etwa einer Viertelstunde konnte ein erstes Thema, so etwas wie eine rhythmische Melodie ausgemacht werden. Ab und zu trat Jarre aus seinem Karree aus Instrumentenpulten heraus, um an einer Art Vibraphon koloraturartige Klänge, ähnlich der einer menschlichen Stimme, zu erzeugen, begleitet von geradezu beschwörenden Bewegungen seines linken Arms. Jubel brandete auf, als Jarre nach etwa einer Dreiviertelstunde zum berühmten Thema seines Werks „Oxygène“ anhob. Mit ausuferndem Anschlag bediente er erkennbar die Tasten der Klaviatur, um die Tonfolge zu spielen, die der elektronischen Musik vor 30 Jahren den Weg ebnete.


Sonst waren die Töne selten konkreten Körperbewegungen zuzuordnen. Zu unübersichtlich die Tätigkeiten der vier Musiker, die immer wieder von einem Gerät zum nächsten wechselten und zahllose Knöpfe und Tasten betätigten. Überhaupt wirkte der Bühnenaufbau, über dem ein riesiger Spiegel schwebte, der den Blick aus der Vogelperspektive auf die Musiker erlaubte, surreal. Lichteffekte in grellbunten Farben und Leinwandprojektionen, die sich um Entstehung und Zerfall des Lebens rankten, verursachten tranceähnliche Zustände im Publikum.


Diesem Zustand wurde nach knapp eineinhalb Stunden von einem finalen Klangpunkt und gleißendem Licht ein Ende gesetzt. Mit stehende Ovationen feierte das Publikum die Musiker, Jarre wurde nicht müde sich für den außergewöhnlichen Abend zu bedanken, indem er immer wieder springend die Faust in die Höhe reckte und Handküsse verteilte. Nach seiner hymnischen Zugabe, die er solo absolvierte, gab er am Bühnenrand sogar noch einige Autogramme und schüttelte die entgegengestreckten Hände seiner Fans. So endete ein sehr intensiver Abend mit Klängen wie aus einer anderen Welt.


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