Der Soziologie-Student Christian Gaa, der für die Aidshilfe in Frankfurt arbeitet, nimmt am diesjährigen Wettbewerb zu Mr. Gay Germany teil. Im Interview erzählt er, was ihn dazu bewogen hat und wofür er als möglicher Repräsentant der Gay Community in Deutschland einstehen will.
Laura Genenz /
JOURNAL Frankfurt: Herr Gaa, was hat Sie dazu bewogen, bei Mr. Gay Germany mitzumachen?
Christian Gaa: Mich hat der Gedanke bewogen, die Aufmerksamkeit, die auf mich gerichtet wird, zu nutzen, um Themen anzusprechen, die sonst in der queeren Community nicht angesprochen werden Das ist vor allem Ausgrenzung in der Community aufgrund von Alter, Herkunft, Gesundheitszustand. HIV ist ein Schlagwort. Und auch Homosexuelle können homofeindlich sein.
Haben Sie da persönliche Erfahrungen gemacht?
Ja. Ich habe auch Bekannte und Freundinnen und Freunde, die, wenn sie nicht ins Bild gepasst haben, das verbal mitbekommen haben. Ein Beispiel sind auch Dating-Apps: Oft ist dort zu lessen: „No blacks, no fems, no Asians”. Es herrscht ein kategorisches Ausschließen von Leuten aufgrund von Sexismen oder Rassismen. Neben Datingverhalten betrifft das auch im Allgemeinen das Verhalten in der Community.
Für welche Forderungen machen Sie sich stark?
Erstens geht es mir um interne Anerkennung. Ich habe die Forderung, ein Bewusstsein zu schaffen, um die Community auch als solche bezeichnen zu können. Dass es nicht nur für Einzelne, sondern für alle eine Community ist. Zweitens geht es um die Anerkennung gegenüber der Community von außen. Meine Forderung dabei ist: Im Grundgesetz muss die geschlechtliche Identität verankert werden.
Gibt es noch weitere Probleme innerhalb der Community?
HIV immer noch ein großes Thema. Ich bin auch im Vorstand der Aidshilfe Frankfurt – dort sehe ich, dass das ein superschwieriges Thema, ist: keiner will darüber reden.
Wie hat ihr Umfeld auf Ihre Teilnahme reagiert?
Gemischt. Der eine Teil, der mit mir im aktivistischen Feld tätig ist, war irritiert. „Ist das so ein Schönheitscontest?“, haben mich viele gefragt. Aber bei Mr. Gay Germany stellt man ja auch eine Kampagne vor, und muss nicht nur nett über den Laufsteg laufen. Es geht um Repräsentanz in der Community. Der andere Teil war von Anfang an mehr oder weniger begeistert, denn so kommen wichtige Themen auf die Agenda. Es gibt heikle Themen, die angesprochen gehören. Und anders als andere Kandidaten tue ich das.
Als Mr. Gay Germany würden Sie zum Repräsentanten für die Gay Community werden. Was würde ihr Gewinn bedeuten?
Das würde bedeuten, dass dieser Contest definitiv ein Contest ist, der über Inhalte spielt. Es wäre geschafft, dass dieses Thema überhaupt thematisiert wird. Danach würde natürlich ein langer Prozess folgen, in dem man sich mit bereits existierenden Strukturen auseinandersetzen muss. Verschiedene Organisationen, zum Beispiel Enough is enough, aber auch lokale Strukturen müssten sich gemeinsam an einen Tisch setzen und schauen, wie man die angesprochenen Themen an die Menschen bringen kann: über den Christopher Street Day, über Workshops, über Bildung. Und man müsste sich mit Regierungen zusammensetzen und sich fragen, wie man ein Bildungsprogramm aufbauen könnte. Dabei geht es auch um intersektionale Diskriminierung. Es ist ein langer Prozess, der dringend notwendig ist.
Wie kamen Sie zum Thema Mr. Gay Germany?
Mr. Gay Germany 2018, also der Gewinner aus dem vergangenen Jahr, wollte bei der von uns organisierten „Demo für Vielfalt und Liebe“ am 6. Januar in Frankfurt einen Rede-Slot haben. Da musste ich erstmal nachhaken, was denn Mr. Gay Germany bedeutet. Für mich war das bis dahin noch kein Begriff. Als er mir genauer davon erzählt hat, war ich erleichtert – denn es wurde deutlich, dass es sich dabei um mehr handelt als um einen reinen Schönheitswettbewerb. Er hat gesagt, ich solle mein Thema einbringen – und das habe ich getan.
Wie werden die Kandidaten ausgewählt?
Im Vorfeld muss man erklären, was man erreichen möchte, was für eine Idee hat man. Man muss einen Text und Fotomaterial hinschicken. Am kommenden Wochenende ist das erste Treffen von Kandidaten und Jury – da wird der erste Entscheid gefällt. Momentan sind noch elf Teilnehmer im Rennen. Ich freue mich, habe aber auch sehr viele Fragen im Kopf und die große Hoffnung, dass es mehr ist, als nur Selbstdarstellung. ____________________________________________________________________
Über den Wettbewerb
Christian Gaa, 26, ist unter den letzten elf Teilnehmern des Mr. Gay Germany-Wettbewerbs. Die Finalisten stehen jeweils für die Region in Deutschland, aus der sie kommen. Jeder hat eine eigene Kampagne, die der Community helfen soll. Gaa tritt dabei für mehr Akzeptanz gegenüber sowie innerhalb der queeren/LSBTIQ* Community ein. Seine Kampagne beinhaltet auch die Forderung, die geschlechtliche Identität im Grundgesetz festzuhalten. Der Wettbewerb, bei dem der Repräsentant der deutschen Gay-Community gewählt wird, möchte „mehr als hübsche Gesichter und trainierte Bodys“ auszeichnen, wie es auf der Homepage heißt. Anfang Dezember soll der Gewinner feststehen. Im vergangenen Jahr ging der Titel an Marcel Danner aus Berlin, der sich für Blutspenden für alle stark machte. Diese sind für homosexuelle Männer gesetzlich verboten.