Das bescheidene Reihenhaus in der Römerstadt birgt etliche Schätze: Die wohl einzige komplette Frankfurter Küche weltweit etwa - natürlich in leuchtendem grün, sowie die karierte Bauhaustapete. Schichten um Schichten wurden abgetragen, an Wänden, auf Treppenstufen und Böden, bis die alten Farbspuren, Tapeten und Linoleumreste aus den Zwanziger Jahren wieder zum Vorschein kamen. Nach rund dreijähriger Sanierung (Kosten: rund 280.000 Euro) erstrahlt es nun endlich in seinen alten Farben, das Ernst-May-Haus in der gleichnamigen Siedlung. Die blauen Fenster und die weiße Fassade strahlen regelrecht inmitten der grauen Häuserreihe. Pünktlich zum 124. Geburtstag des berühmten Architekten, Stadtplaners und Vater des „Neuen Frankfurt“ wurde das Musterhaus des „Neuen Frankfurt“ gestern in einem Festakt eröffnet. Ein Zentrum für Architekturfreunde aus aller Welt soll es werden, das „am gründlichsten untersuchte und am sorgfältigsten restaurierte Wohnhaus der Zwanziger Jahre in Hessen“, so Eckhard Herrel, Vorstandsvorsitzender der Ernst-May-Gesellschaft, die das Haus in der Straße Im burgfeld 136 gemietet hat, um hier nach behutsamen Rückbau ein authentisches Denkmal für Mays Neue Frankfurt zu schaffen. Finanzielle Unterstützung gab es vom Kulturamt sowie vom Land Hessen, denn die May-Gesellschaft muss trotz bester Absichten jeden Monat 500 Euro Miete an die Wohnungsbaugesellschaft zahlen. Die Mühe hat sich gelohnt: Eine Besichtigung des zweistöckigen Hauses ist wie eine Reise in die Vergangenheit, in die Zeit der neuen Sachlichkeit, in der Ernst May in Frankfurt seine soziale und ästhetische Utopie verwirklichen wollte: Bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen, denn die Wohnungsnot war groß – allerdings nicht auf Kosten der Lebensqualität: 95 Quadratmeter misst das Flachdachhaus, idyllische Gärten, die ersten Elektroherde und die „Mutter aller Einbauküchen“ waren damals für jede Arbeiterfamilie ein vorher nicht gekannter Luxus. Die Spuren dieser Zeit in mühevoller Arbeit freizulegen und nicht mehr vorhandene Dinge wie eine alte Spüle und Türklinken zusammenzutragen, war die Aufgabe von Restauratorin Andrea Frenzel und den beiden Architekten Claus Giel und Stephan Kummer. Herrel: „Diesen Bestand verdanken wir im Wesentlichen den beiden Frankfurter Familien Stierle-Halberstadt und Schweinfurth-Schmitz.“ Nach Renovierungsarbeiten in den eigenen Häusern brachten die Familien Tütenweise originale Einzelteile vorbei, und auch die Familie Ernst Mays steuerte Mobiliar bei. Schon während der Sanierungsarbeiten kamen jährlich 1500 Besucher, um das Kleinod zu besichtigen. Nun soll ein Informations- und Dokumentationszentrum entstehen, das noch ein Vielfaches der Architekturfans in die Römerstadt locken soll. Bereits im kommenden Jahr wird hier eine große Ernst-May-Ausstellung stattfinden, die das Deutsche Architketurmuseum ausrichtet.