DialogCafé schließt

„Die Lichter bleiben an“

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Das DialogMuseum Frankfurt steht 2013 vor tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Als Konsequenz aus der Wirtschaftskrise wird das Museumscafé zum 1. April aufgegeben.

mel /

Alles fing an mit einer Idee, hier in Frankfurt, vor 25 Jahren. Eine gute Idee, die durch Mundpropaganda groß wurde und sich ganz ohne teures Marketing in mittlerweile 37 Länder exportierte. Am Kopf dieser Frankfurter Erfolgsstory steht Andreas Heinecke, Gründer des „Dialogs im Dunkeln“. Sein innovatives Ausstellungskonzept versetzt Besucher in die Lebenswelt eines Blinden. Seit sieben Jahren ist die ursprünglich für die Stiftung Blindenanstalt Frankfurt entwickelte Ausstellung im dafür gegründeten DialogMuseum zu sehen – oder bessergesagt zu fühlen, zu riechen, zu schmecken und zu hören! Ein Museum mit Erlebnischarakter, das gleichzeitig pädagogische Ziele verfolgt. Wer den Alltag eines Blinden am eigenen Leib erfährt, entwickelt ein tieferes Verständnis für Menschen mit Sehbehinderung und darüber hinaus ein Bewusstsein für die zahlreichen Hürden, die unsere Umwelt Blinden aufstellt. Langfristig begünstigt dies die Integration sehbehinderter Menschen in die Gesellschaft.

Mit 70 Prozent behinderten Angestellten ist Inklusion für die Betreiber des Museums mehr als ein abstraktes pädagogisches Ideal. Besonders die sehbehinderten Führer spielen eine essentielle Rolle für das Ausstellungskonzept. Viele Museumsbesucher können sich noch nach Jahren an die Namen ihrer Führer erinnern und empfinden den Austausch als sehr bereichernd. Behinderte Mitarbeiter werden in allen Bereichen beschäftigt, auch in Führungspositionen. Damit bleibt das DialogMuseum aber auch eine Ausnahme. „Der Begriff der Inklusion geistert durch die Sozialpädagogik, ist aber im Unternehmensbereich noch gar nicht angekommen“, kritisiert Klara Kletzka, geschäftsführende Gesellschafterin. So träfen auch die Entspannungen auf dem Arbeitsmarkt nicht auf Menschen mit Behinderung zu. „Die Arbeitslosenrate steigt jährlich“, so Kletzka weiter. Umso schmerzlicher trifft es die Museumsgeschäftsführung, sich nun von 4 Mitarbeitern, darunter 3 Behinderten, trennen zu müssen. Da viele behinderte Mitarbeiter nur in einem bestimmten Bereich eingesetzt werden können entsteht ein hoher Personalbedarf – ein gewichtiger Kostenfaktor für das privatgetragene Museum.

Seit Eröffnung des Museums 2005 ist das daran angrenzende Café im Convisgebäude fester Bestandteil der Hanauer Landstraße im Frankfurter Ostend. Doch die Hanauer hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, nicht zuletzt auf Grund des Baus der EZB. Hippe Restaurants und Cafés sprießen aus dem Boden und locken das arbeitende Volk zum Lunch. Ohne Küche kann das DialogCafé nur eine relativ kleine Auswahl an Speisen anbieten und kommt nun nicht mehr länger gegen die Konkurrenz an. Die Konsequenz: das Café muss geschlossen werden. In die Räumlichkeiten des Cafés integriert sind auch das „Casino for Communication“ und das Restaurant „Taste of Darkness". Das Casino, interaktive Plattform für kommunikative Spiele, ist ebenfalls von der Schließung betroffen, während für das „Taste of Darkness“ nun erst mal neue 200 Quadratmeter gefunden werden müssen.

Die Entscheidung war keine leichte. Ein Jahr lang suchte die Geschäftsführung Lösungen, Alternativen, bemühte sich um die Rettung von Café und Casino. Als Ort der Begegnung und des Erfahrungsaustauschs „gehörten sie einfach dazu“, so Kletzka. Tatsächlich empfinden Besucher des DialogMuseums nach den Führungen häufig ein reges Mitteilungsbedürfnis und möchten die eindrücklichen und ungewohnten Sinneserfahrungen der letzten Stunde noch einmal Revue passieren lassen. Alternativ soll das Foyer des DialogMuseums für diese Zwecke ein wenig angepasst werden.

Dunkle Zeiten für das DialogMuseum. Doch Frau Kletzka verspricht: „Die Lichter bleiben an!“. Es gibt also auch gute Nachrichten: die zwei großen Publikumsmagneten bleiben! Die Ausstellung des DialogMuseums an sich steht Besuchern unverändert offen und auch beim „Dinner in the Dark“ können sich Feinschmeckergaumen weiterhin in völliger Dunkelheit betören lassen. „Die strukturellen Veränderungen sind eine Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“ sagt Geschäftsführer Matthias Schäfer. Immerhin sei die Nachfrage in den beiden Kerngeschäften Restaurant und Ausstellung ungebrochen hoch, heißt es. Ganz ungeschoren kommen sie jedoch nicht davon. Ab Februar 2013 erwartet die Besucher der Ausstellung eine leichte Preiserhöhung. Der Restaurantbetrieb wickelt sich großteils über Gutscheine ab. Diese behalten ihre Gültigkeit, trotz möglicher Unterbrechungen in der Umstrukturierungsphase. Bei Bedarf können sie in Gutscheine für die Ausstellung „Dialog im Dunkeln“ umgewandelt oder ganz zurückerstattet werden. Alternativ kann man die Schwesterausstellung in Hamburg besuchen (Reservierung erforderlich). Wer das Museum durch eine Spende unterstützen möchte, sendet seinen Gutschein einfach zurück (gegen Spendenquittung).

Frau Kletzka selbst zieht sich zum 1. Juli aus der Geschäftsführung zurück, bleibt ihrem Kollegen Martin Schäfer aber in beratender Funktion erhalten. Die vier Mitarbeiter, die zum April entlassen werden müssen, sollen nach Möglichkeit über das Netzwerk des Museums in neue Arbeitsverhältnisse überführt werden.


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