Vor 18 Jahren kam sie aus Barcelona nach Deutschland, zunächst nach Berlin, dann nach Frankfurt, das sie wegen seiner menschlichen Dimensionen schätzt. Rosa Ribas' Erstlingskrimi mit Hauptkommissarin Weber-Tejedor hat 2007 den spanischen Krimipreis für das beste Debüt bekommen und ist inzwischen auch auf deutsch unter dem Titel "Kalter Main" bei Suhrkamp erschienen.
Jasmin_Takim /
Es ist ihr erster Fall. In den Fluten des vom Hochwasser ungewohnt aufgepeitschten Mains treibt ein Toter: Marcelino Soto. Es gibt keinen Zweifel, das beliebte Mitglied der spanischen Gemeinde Frankfurt wurde ermordet. Hauptkommissarin Cornelia Weber-Tejedor ermittelt zwischen Bankentürmen und Bahnhofsviertel und findet schließlich heraus, dass Soto, einst gottesferner Kommunist, zuletzt passionierter Kirchgänger, auch seine dunklen Seiten hatte. Unter dem Titel "Kalter Main" hat der Suhrkamp-Verlag Rosa Ribas Krimi-Erstling mit Frankfurt als Schauplatz in diesem Jahr auf den Buchmarkt gebracht. In wenigen Monaten verkaufte sich die erste Auflage von 10.000 Exemplaren so gut, dass der Verlag jüngst bereits die zweite startete. In ihrer einstigen Heimat erhielt Rosa Ribas für "Kalter Main", im spanischen Original "Entre dos aguas", gar den spanischen Krimipreis 2007 für den besten Debütkrimi. Eine Freude für die 46 Jahre alte Autorin mit katalanischen Wurzeln, die mit ihrem Mann im Frankfurter Nordend lebt. Eine Imagekampagne für Frankfurt endet tödlich
Auch Rosa Ribas zweiter Frankfurt-Krimi mit Hauptkommissarin Weber-Tejedor ist bereits geschrieben, heißt "Tödliche Kampagne" und spielt im Milieu der Werbeagenturen. Frankfurt startet eine Imagekampagne. Drei Agenturen wetteifern um den Auftrag. Die kleinste von ihnen setzt nicht auf das Klischeebild der Bankenstadt, sie möchte Frankfurt als das deutsche San Francisco vermarkten, als besonders tolerante Stadt. Ein Versuch, der einige Mitarbeiter der Agentur das Leben kosten wird. In Spanien haben die Buchhändler den Frankfurt-Krimi gerade in ihren Schaufenstern und Buchregalen platziert. Deutsche Krimifans müssen noch auf die Übersetzung warten. "Con anuncio" lautet der spanische Titel, von einer schwarz-weißen Fotocollage unterlegt. Ein Frauengesicht in Nahaufnahme ist auf der oberen Bildhälfte zu sehen, auf der unteren taucht die Frankfurter Skyline auf, vom Sachsenhäuser Ufer aus aufgenommen. Die Kritiken seien gut, erzählt Rosa Ribas. Das Schubladendenken nervt sie
So wie ihre Heldin, Hauptkommissarin Weber-Tejedor, ist Rosa Ribas Kind spanischer Eltern und nach Deutschland eingewandert. Vor 18 Jahren kam sie mit ihrem damaligen Freund, einem Musiker, der sich zum Dirigenten ausbilden lassen wollte - zunächst nach Berlin. Keine gute Erfahrung: "Zu flach, zu groß, zu grau, zu dreckig." In Frankfurt seien "die Dimensionen menschlicher". Gefragt nach ihren ersten Eindrücken, muss sie nicht lange nachdenken. "Der Main, seine Breite, die vielen Menschen, die am Ufer spazieren gehen und die vielen Brücken" - all das gefiel ihr sehr. Ihre Krimi-Protagonistin stelle sich ständig die Frage "Wer bin ich eigentlich?", weil sie zwischen zwei Kulturen lebe. Ein Gefühl, das sie selber kenne, das nicht selten hervorgerufen werde durch das Schubladendenken der anderen. "Wenn die Leute erfahren, dass ich Spanierin bin", erzählt Rosa Ribas, "denken sie zum Beispiel, ich sei gläubige Katholikin, aber meine Eltern sind niemals mit mir in die Kirche gegangen." Auch wenn man ihr als Spanierin ungefragt eine Leidenschaft für Flamenco und Oliven unterstelle, nervt sie das: "Flamenco lässt mich kalt und vor Oliven ekele ich mich." Aufgewachsen in der Bronx von Barcelona
Auch wenn Rosa Ribas Frankfurt zum Schauplatz ihrer Verbrechen macht, hat sie sich selber in der Mainstadt nie bedroht gefühlt. Viel eher scheint es, als schöpfe sie beim Krimischreiben aus ihren frühen Erinnerungen an eine andere Großstadt: an Barcelona, ihre einstige Heimat. "Wir lebten in einem Vorort, in El Prado, das war die Bronx von Barcelona. Da sind wir niemals ohne Geld aus dem Haus gegangen, denn wenn wir kein Geld dabei hatten, wurden wir verprügelt." An drei Überfälle mit einem Messer im Spiel kann sie sich erinnern. Bis heute ist ihr die Angst geblieben, sobald sie nach Barcelona kommt. "Ich bin mit ihr programmiert worden", sagt sie. Warum schreibt Rosa Ribas Krimis? "Sie ge ben dir ein Gerüst, das erlaubt, besondere Geschichten zu erzählen", lautet ihre Antwort. "Ein Mord", sagt sie, "bringt wirklich alles durcheinander, die Menschen können ihn nicht einfach so hinnehmen." Aber auch noch etwas anderes mache für sie den Reiz aus. Die Ermittlungen zwängen den Protagonisten dazu, sich durch die Stadt zu bewegen, erlaubten Einblicke in die Verhältnisse ganz unterschiedlicher Menschen. "Es ist fast so", sagt Rosa Ribas, "als ob die Stadt ein großer Kuchen wäre, den ich durchschneide und das Stück Kuchen offenbart alle Schichten." Der dritte Weber-Tejedor-Fall kommt bestimmt
Oft schreibt sie in Cafés und während ihrer häufigen Bahnreisen. "Ich verarbeite Dinge, die ich in Zeitungen lese, oder Dialoge, die ich auf der Straße zufällig aufschnappe." Dass ihr zweiter Krimi den Kritikern zufolge noch besser sei als ihr Erstling, macht ihr Mut. Zu oft habe sie miterlebt, wie das Erstlingswerk junger Autoren hoch gelobt worden sei und ihr zweites Buch in Grund und Boden gestampft. Ganz besonders berührt aber hat sie die Bemerkung einer Freundin: "Ich habe heute deine Kommissarin gesehen, sie hat bei den Galizischen Wochen auf dem Goetheplatz mit ihrem Vater Paso doble getanzt". Dass ihre Figuren so realistisch, also immer runder werden und an Tiefe gewinnen, ist Rosa Ribas' Bestreben. Die von der Freundin beschriebene Szene gefiel ihr außerdem, weil sie so lebendig war und "nach Öl und Tintenfisch roch". Sie werde sie einbauen, sagt die Frankfurter Autorin. In ihren dritten Weber-Tejedor-Fall.