Vergessene Schlüssel und Handys gehören zu Mos Alltag. Er ist als Fahrradkurier im Autodschungel Frankfurt unterwegs – und liebt seinen Job. Auch wenn sich die Zeiten geändert haben.
Nicole Nadine Seliger /
Der erste Griff geht ans Funkgerät. Bevor sich Moritz, den alle nur Mo nennen, morgens um acht Uhr aufs Rad schwingt, ruft er bei seinem Disponenten an. Der nimmt im Büro die Aufträge der Kunden entgegen und leitet sie an die Fahrer weiter. „Er achtet darauf, dass wir nicht zick-zack fahren“, erzählt er. Etwa 15 Lieferungen fährt Mo in den fünf Stunden seiner Schicht aus, spult in einer Woche etwa 150 Kilometer mit dem Rad ab. In Frankfurt kennt er mittlerweile fast alle Straßen, bringt aber auch Aufträge bis nach Offenbach, Eschborn und zum Flughafen.
Doch es gab schon bessere Zeiten für Fahrradkuriere. Seit acht Jahren arbeitet Mo für Velomobil, der ältesten Fahrradkurier-Bude Frankfurts, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert. Zu Beginn des neuen Jahrtausends schickte sein Arbeitgeber rund 40 Fahrer auf die Straßen, heute sind es noch zehn. Durch die Digitalisierung sei die Nachfrage für Kuriere kleiner geworden. „Viele Firmen haben uns einfach nicht auf dem Schirm“, bedauert er und wünscht sich, dass auch mehr Privatkunden auf die radelnden Kuriere setzen. Denn Mo und seine Kollegen liefern so ziemlich alles: Blumensträuße, Dokumente, Schlüssel, Medikamente aus der Apotheke oder auch Gewebeproben aus der Klinik. Dann wartet der 28-Jährige auch direkt vor dem Operationssaal des Krankenhauses, um seine Lieferung entgegenzunehmen und in kürzester Zeit ins Labor zu bringen. „Spätestens nach 30 Minuten muss das ausgeliefert sein“, erklärt er.
Fasziniert von dem Job war Moritz schon während der Schulzeit. „Mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren und Pakete auszuliefern, klang toll“, erzählt er. Nach dem Abitur ging es dann los. Er zog schmale Reifen auf sein altes Mountainbike und machte es so „kuriertauglich“. Als sein Arbeitsgerät nach ein paar Jahren geklaut wurde, baute er ein neues Rad nach seinen Bedürfnissen um: Mit nur einem Gang und nur einer Bremse vorne. „Das hält den Verschleiß gering“, erklärt Mo, der sein Rad auch selbst repariert und wartet.
Dank dieser Konstruktion kann Mo auch sperrige Lasten transportieren.
Für den vorderen Gepäckträger überlegte er sich eigens eine Konstruktion aus alten Fahrradschläuchen, um auch sperrige Lasten sicher zu befestigen. „Viele denken ja, dass wir größere Pakete gar nicht mehr transportieren können“, sagt er. Ein Irrtum, denn zusätzlich steht ein Lastenrad bereit. „Eigentlich könnte der komplette Lieferdienst in der Innenstadt mit Fahrrädern funktionieren“, ist er sicher. Schneller als die Autos sei er allemal. Seine Utopie ist eine autofreie Innenstadt. „Das würde die Stadt noch lebenswerter machen.“
Fahrradkurier zu sein, ist für ihn mehr als ein Job, eher ein Lebensgefühl, eine Sucht. „Wenn ich aus dem Urlaub wiederkomme, freue ich mich immer wieder auf meine nächste Schicht“, sagt er. Dreimal die Woche ist er als Kurier unterwegs, auch im Winter. „Alle fünf Grad kommt dann eine neue Schicht Kleidung dazu“, verrät er seinen Tipp gegen die Kälte und lacht. „Dann hoffe ich besonders auf eine gute Auftragslage, damit ich in Bewegung bleibe“.