Unsere Kolumnistin Ana Marija Milkovic schreibt über Cindy Crawfords Lebensratgeber und darüber, was diese mit der Messe Design Annual zu tun haben, auf der sie Julian Smiths Handynummer bekam – sich aber nie bei ihm meldete.
Ana Marija Milkovic /
Ich bin kürzlich über Cindy Crawford gestolpert. Auf Instagram habe ich sie abonniert. Ich schaue mir neuerdings dort ihr Leben an, als wäre ich einer verloren gegangenen Freundin wieder begegnet. Sie war eines der Supermodels der 90er. Die Vogue mit ihrem Titelbild lag bei uns zu Hause herum. Meine Mutter hatte sie sich gekauft. Der Leberfleck irritierte mich auf diesem ansonsten so ebenmäßig schönem Gesicht. So schön wie Cindy Crawford auf diesem Titelbild wollte ich in meinem ganzen Leben nicht einen Tag lang sein. Der Weg wäre vorgezeichnet gewesen: Malibu, Sonne, Rande Gerber und George Clooney, der sich für Amal entscheidet. Dann hätte ich doch lieber Rechtswissenschaften studiert.
Die Bilder habe ich dann mit ihren Interviews komplementiert. Cindy Crawford sprach in einem über Authentizität. Oder, in meinen Worten gesprochen, über das reine Herz, das auch eine Dummheit begehen und dabei authentisch bleiben kann. Prinzipiell geht es um all die Fehler, die wir in unserem Leben machen und die natürlich wichtig für unsere Entwicklung sind. Soweit die Lebensratgeber. Noch besser ist es allerdings, keine dieser schlechten Erfahrungen zu machen. Genau genommen sprach Cindy C. über Verträge. Wenn der Deal nicht mehr so gut läuft, so Cindy, sollte man nicht nach dem Kleingedruckten schauen, sondern sich die Frage stellen, was die Grundintention war, den Vertrag überhaupt erst einzugehen. Nach Möglichkeit sollte man von diesem Punkt an neu beginnen.
Die Messe Frankfurt GmbH zum Beispiel nahm 2006 eine Messe ins Programm, die sich rund um gutes Design drehte und deswegen nichts mit der alljährlich stattfindenden Messe namens Ambiente zu tun haben wollte. Die neue Messe hieß Design Annual. Viel Geld hat die Frankfurter Messe mit der Design Annual wohl nicht verdient. Die Grundintention, diese Messe überhaupt erst zu machen, scheint darüber hinaus auch verloren gegangen zu sein. Es gibt diese Messe nicht mehr. Auf der Design Annual waren Designer wie Konstantin Grcic, Piero Lissoni und Aussteller wie Moroso vertreten. Ich habe ein paar Kontakte für's Leben geknüpft. Meeting Points für Kreative. Das gab’s einmal. Ein Kontakt, den ich nicht weiter verfolgt hatte, war Julian Smith. Der legte auf einer der Annuals auf. Ich muss den Clubgängerinnen und -gängern Frankfurts hier nicht erzählen, wie gut er das und seinen Körper dazu bewegen kann.
Ich sprach Julian Smith dort an. Ich wünschte mir, er würde auf einer Party von mir auflegen. Er gab mir seine Mobilnummer. Gemeldet habe ich mich nicht. Die Party habe ich bis heute auch nicht steigen lassen. Jahre sind vergangen und Smith ist sesshaft geworden. Sein Club heißt Chinaski und ist stadtbekannt. Kürzlich war ich wieder einmal dort. Mit einer Freundin hatte ich mich vor dem Chinaski verabredet. Ob ich auf der Gästeliste stehe, fragte mich die Türsteherin. „Schätzchen, frag' mich nicht so dummes Zeug. Ich bin Kosmopolit. Ich stehe auf keiner dieser Gästelisten.“ Einmal ins Innere gelangt, entdecke ich in Neonschrift „Wild at Heart“ an der Wand. Welcher Cineast kennt die Szene mit Nicolas Cage, seiner Schlangenlederjacke (die bereits Marion Brando trug) und Laura Dern nicht? Chinaski ist wiederum das Alter Ego Bukowskis. Leider ist der Schriftsteller Charles Bukowski bereits vor der Buchkrise in Vergessenheit geraten. An diesem Abend habe ich den Test mit einem Gast namens Falco gemacht. Falco kannte weder Film noch Bukowski und wollte stattdessen von mir wissen, woher ich kam. Die Freundin antwortete stellvertretend für mich, ich käme aus dem Steuerparadies. Sie dachte an die Schweiz. Falco dachte ans Gallus, wo seines Erachtens keiner mehr heute Steuern zahlt. I don’t give a shit: Wer muss noch lesen, wenn es das Chinaski gibt?