Nein, bei der Schuhmacherei Lenz lebt keiner auf großem Fuß, aber ein Paar Herrenschuhe in Größe 75 gibt es in der Münchener Straße dennoch zu bestaunen. Eine Glanzleistung zum 75. Jubiläum des Traditionshauses.
Nicole Brevoord /
Es gibt Geschäfte, die sind Institutionen. Die Schuhmacherei Lenz, die älteste in Frankfurt, ist ein Beispiel dafür. In den vergangenen 75 Jahren hat sich der Betrieb in der Münchener Straße stark verändert, dennoch schaut man optimistisch in die Zukunft. „Früher haben bis zu 60 Schuhmacher hier in der Werkstatt gearbeitet, Schuhe repariert und neu gefertigt“, sagt Jürgen Dohn (49), der das Traditionsunternehmen Anfang 2011 von Wolfgang Lenz übernommen hat und mit seinem Sohn, dem Schuhmachergesellen Alexander (25) jetzt schon weiß, dass die Nachfolge künftig wohl geregelt ist. Verkehrsgünstig gelegen am Hauptbahnhof, inmitten von Hotels mit Messebesuchern und dem Rotlichtgewerbe in der Nachbarschaft, liegt der -Achtung Wortwitz – Absatzmarkt. „Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass auch die Prostituierte Rosemarie Nitribitt sich hier hat die Absätze reparieren lassen“, sagt Dohn, denn die Stöckelschuhe mit den Steckabsätzen seihen seit jeher sehr anfällig, auch heute noch kommen die Damen aus dem Milieu für neue Absätze „zum Lenz“. Aber auch Kunden aus ganz Europa wissen, die selten gewordene Handwerkskunst zu schätzen, denn zwischen irgendeinem Schuster und einem ausgebildeten Schuhmacher gibt es dann doch einen großen Qualitätsunterschied. „Oft bringen Hotelgäste ihre Schuhe vorbei und dann kommt es vor, dass wir irgendwann ein Päckchen aus dem Ausland bekommen, mit Schuhen, die repariert werden sollen“, berichtet Drohn.
Das Handwerk im Wandel der Zeit „Im Vergleich zu früher werden heute viele Kunststoffe eingesetzt. Man muss sich mit Chemie auseinandersetzen. Früher bestanden die Schuhe aus Leder, Holzstiften und Nägeln, heute ist das Spektrum riesig“, sagt Alexander Dohn. In der Schuhmacherei Lenz arbeitet man auch mit Rochen-, Wasserbüffel-, Hai- oder Straußenleder und zwar dann, wenn dies der Kundenwunsch ist. Denn ein weiteres handwerkliches Standbein ist die Maßanfertigung von Schuhen. Das gehe soweit, dass ein Kunde mal die passenden Schuhe zu seinem Jaguar in „British Racing Green“ haben wollte. Solche Wünsche, aber auch etwa gravierte Schnürsenkelösen aus Platin, erfüllt man in dem Fachbetrieb - je nach dem verfügbaren Budget gerne. Ab 1400 Euro kostet ein Paar Schuhe. Das klingt viel, diese sollen aber laut Dohn auch mehr als 35 Jahre lang halten. Die Reparatur lohnt sich dann ohnehin immer. „Maßschuhe sitzen ganz anders, sie richten den Körper auf“, sagt Dohn Junior. Auch nach einem langen Tag auf den Beinen spüre man weniger Ermüdungserscheinungen an den Füßen als bei herkömmlichen Schuhen, einfach weil der Körper unterstützt werde. 10 bis 15 Wochen müssen Kunden auf die fertigen Maßschuhe warten, in denen rund 30 Arbeitsstunden stecken. Die Maßschuhe von Schauspielerin Hannelore Elsner – blaue Pumps – stehen in der Auslage von Lenz, zumindest als Kopie. Rund 80 Maßschuhe werden in der Münchener Straße pro Jahr gefertigt, Tendenz steigend.
Die Riesenschuhe An einem Paar Schnürschuhe haben die beiden Dohns dann aber länger gearbeitet. Im Herbst 2014 wurde die Idee geboren, zum 75. Jubiläum doch die größten tragbaren Schuhe der Welt, natürlich in Schuhgröße 75, zu fertigen. Von Juli bis Oktober 2016 entstand das Paar dann, ganz in Handarbeit, weil die großen Treter nicht unter die Maschinen passten. Eine Herausforderung. Der Preis der Schuhe würde im fünfstelligen Bereich liegen, es wurden ja auch ungefähr 150 Arbeitsstunden darin investiert. Die Schuhe sollen am 6. Dezember bei einer Auktion zugunsten der Weißfrauenschule versteigert werden. „Der Erlös soll im Viertel bleiben“, so will es Jürgen Dohn, die Schuhe könnten dann ja auch beispielsweise einem Museum gestiftet werden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die innen wie außen perfekten Ledersschuhe einem Bieter passen. Die größten Füße der Welt soll – Achtung, jetzt kommt Schrottwissen – ein Mann aus Venezuela haben, und zwar Größe 66. Auf die Frage, ob die beiden Dons mit dem größten tragbaren Schuhpaar der Welt nicht ins Guinessbuch wollen, sagt Jürgen Dohn ganz bescheiden: „Wir sind bodenständige Handwerker“ und winkt ab. Jürgen Dohn hat übrigens bisher sieben Azubis ausgebildet, fünf davon waren Frauen. „Vielleicht weil das Schuhemachen auch etwas mit Kreativität zu tun hat“, sagt Jürgen Dohn, dessen Beruf ganz offensichtlich kein typischer Männerberuf ist.