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Verkehrspolitik
Gesucht: Zukunftsfahrplan für FrankfurtRheinMain
Wer in Frankfurt unterwegs ist, braucht im Moment viel Geduld – und gute Nerven. Und dabei spielt die Art der Fortbewegung kaum eine Rolle. Die Gründe sind auch hausgemacht. Die Lösung kann nur die Region liefern. Ein Gastbeitrag von Wilhelm Bender und Ulrich Caspar.
Gespürt haben es alle, die sich in den vergangenen Monaten in und um Frankfurt bewegt haben – egal ob beim täglichen Pendeln zum Arbeitsplatz, beim Ausliefern von Waren oder beim Shopping in der Innenstadt. Stau über Stau. Vergebliches Warten auf Bus oder Bahn. Mobilität im Stressmodus. Frankfurt hat ein Verkehrsproblem. Auch die Zahlen belegen es.
26,5 Minuten benötigen Autofahrerinnen und Autofahrer in der Frankfurter Innenstadt für zehn Kilometer, zur Rush-Hour sogar über 30 Minuten. Der zweitschlechteste Wert in Deutschland nach Berlin, so die aktuelle Verkehrsmessung des Navigationsherstellers TomTom. Macht über das Jahr 80 verlorene Stunden durch Stau – da ist Frust vorprogrammiert. Der Verkehrsdaten-Dienstleister INRIX weist zudem darauf hin, dass Fahrten in die Innenstadt in Frankfurt 2024 um 26 Prozent gestiegen sind – bundesweit Rang drei. Das sei unter anderem auf den Trend zur Rückkehr vom Homeoffice ins Büro zurückzuführen.
Im Frankfurter Verkehr geht’s aggressiver zu
Nicht zu vergessen, dass Frankfurt ohnehin Deutschlands Pendlerhochburg ist und tagsüber zur Millionenmetropole anwächst, wenn rund 463 000 Arbeitskräfte in die Stadt strömen. Und während der Radverkehr 2024 – wahrscheinlich auch schlechtwetterbedingt – rückläufig war, erzielte der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) im RMV-Gebiet mit 825 Millionen Fahrgästen einen neuen Höchststand. Das hat das Monitoring des Regionalverbands FrankfurtRheinMain zusammengetragen.
Zu guter Letzt hat der ADAC Hessen-Thüringen eine beunruhigende Beobachtung gemacht: Im Verkehr geht‘s aggressiver zu. Betroffen seien durch die Bank alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Einen Grund sieht der Automobilclub hier in zunehmenden „Verteilungskonflikten“.
Im Klartext heißt das: Es gibt im Verkehr mehr von allem – und weniger Platz für den motorisierten Verkehr. Einen Gutteil trägt dazu die jüngste Umgestaltung von Hauptverkehrsstraßen zugunsten anderer Verkehrsträger bei. Oft entsteht so eine zusätzliche Verknappung des ohnehin knappen Raums: Fahrspuren werden durch Radwege ersetzt, aber ohne die Schaffung von Alternativen im ÖPNV. Das führt am Ende nicht zu weniger Autos, sondern zu mehr Stau, mehr Emissionen, mehr Stress im Gesamtsystem. Ein Ergebnis, das niemand wollen kann – und das wir uns schlicht nicht leisten können.

Wilhelm Bender © Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain / Kirsten Bucher
Die Zukunft liegt in der Region FrankfurtRheinMain
Denn der zentrale Punkt dabei ist: All das schadet unserem Wirtschaftsstandort. Frankfurt hat einen außergewöhnlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Standorten: kurze Wege und die herausragende Infrastruktur eines nationalen und internationalen Verkehrsdrehkreuzes. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten dürfen wir diesen enormen Pluspunkt nicht beschädigen, sondern sollten ihn aufwerten und ausbauen.
Der Schlüssel sollte in einem Perspektiv- und Politikwechsel liegen. Frankfurt ist keine Insel, sondern eine dynamische und pulsierende, eng verwobene Metropolregion. Mit Frankfurt als Gravitationszentrum umfasst sie weitere starke Städte wie Wiesbaden, Mainz, Darmstadt, Offenbach, Hanau, Aschaffenburg und charakteristische Landkreise. Die vielen Verflechtungen sorgen dafür, dass FrankfurtRheinMain jeden Tag über Bundesländergrenzen hinweg gelebt wird und gemeinsam prosperiert. Das zeigen auch die Verkehrsströme.
Dennoch wird verkehrspolitisch oftmals nur lokal gedacht und gehandelt. Die Summe der Einzelinteressen ergibt aber noch lange nicht das Gemeinwohl. Es gilt vielmehr, die unterschiedlichen Interessen und Mobilitätsbedürfnisse gleichwertig und gleichgewichtet anzuerkennen und diese in den Blick zu nehmen. Egal muss dabei sein, ob jemand aus Frankfurt-Bornheim oder Usingen kommt. Das Austarieren von Lasten und Vorteilen gehört zu den Kernaufgaben von Politik. Und daran muss sie sich messen lassen.
Frankfurt braucht eine Verkehrspolitik, die weiter denkt
Gerade im Bereich Mobilität braucht es jetzt vor allem: Vernunft und Effizienz, Balance und Anreize, Vernetzung und gemeinsame regionale Schlagkraft.
Eine zukunftsweisende Verkehrspolitik stellt sich primär die Frage, wie sich eine effizientere und gleichzeitig umwelt- und klimaverträglichere Mobilität gestalten lässt. Sie setzt dabei auf moderne, intelligente, digitale Verkehrsmanagementsysteme und nutzt alle verfügbaren Möglichkeiten, die einer internationalen Metropolregion gerecht werden.
Eine ausbalancierte Verkehrspolitik macht es möglich, dass die verschiedenen Verkehrsträger dort zum Tragen kommen können, wo sie gebraucht werden und am besten passen – ohne einseitige Abwertung. So benötigen etwa Anliefer-, Handwerker- und Baustellenverkehre das Auto, während einpendelnde Fachkräfte und Kunden des Einzelhandels auf den Stau gerne verzichten, sofern es echte Alternativen gibt. Das heißt: positive Anreize schaffen. Durch inter- oder multimodale Verknüpfungen unterschiedlicher Verkehrsmittel. Durch die massive Ausweitung des ÖPNV-Angebots (zudem: sicher, zuverlässig und sauber) in und nach Frankfurt. Durch Quartiersgaragen, Bike + Ride- oder Park + Ride-Systeme und vieles mehr. Und vor allem durch den Blick über den Tellerrand.
Die allergrößte Aufgabe ist und bleibt es, Verkehr vernetzt zu denken und gemeinsam mit Frankfurt und den Umlandkommunen eine stimmige Strategie für die gesamte Region zu entwickeln – und umzusetzen. Viele Initiativen sind bereits geplant oder im Gange: Das Schienenprojekt Regionaltangente West nimmt mehr und mehr Formen an. Auch das Mega-Vorhaben Fernbahntunnel am Hauptbahnhof Frankfurt gehört dazu. Nicht zuletzt wurde im vergangenen Jahr die Riedbahnstrecke in Rekordzeit saniert. Und 2026 wird Terminal 3 des Frankfurter Flughafens eröffnet.

Ulrich Caspar © Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain / Kirsten Bucher
Mobilitätsstrategie des Regionalverbands FrankfurtRheinMain als Grundlage
Die vorhandene Mobilitätsstrategie des Regionalverbands FrankfurtRheinMain bildet bereits eine wertvolle Grundlage. Sehr begrüßenswert ist zudem auf politischer Ebene, dass das Strategieforum FrankfurtRheinMain, in dem Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg zusammenkommen, ein bundesländerübergreifendes Mobilitätskonzept in Auftrag gegeben hat. Ziel muss ein schlagkräftiger „Zukunftsfahrplan FrankfurtRheinMain“ sein, der die gesamte Region in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Wenn alle Akteure ihren Beitrag leisten, insbesondere die Kommunen frühzeitig einbezogen werden, es kein „Von-oben-herab“ gibt und die gesamte Region FrankfurtRheinMain konsequent an einem Strang zieht, kann dies gelingen – auch wenn es politisch herausfordernd wird. Packen wir’s an.
Info
Prof. Dr. Wilhelm Bender ist einer der Gründer und Wegbereiter der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain sowie heute ihr Ehrenvorsitzender – bis 2022 stand er dem Vorstand des führenden regionalen Business-Netzwerks vor. Von 1993 bis 2009 lenkte er die Geschicke des Frankfurter Flughafens als CEO von Fraport. Zudem war er fünf Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender von Eintracht Frankfurt und engagiert sich an vielen weiteren Stellen ehrenamtlich in der Region.
Ulrich Caspar ist seit 2019 Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain. Seit über 43 Jahren führt er als Unternehmer eine Immobilienunternehmensgruppe.
26,5 Minuten benötigen Autofahrerinnen und Autofahrer in der Frankfurter Innenstadt für zehn Kilometer, zur Rush-Hour sogar über 30 Minuten. Der zweitschlechteste Wert in Deutschland nach Berlin, so die aktuelle Verkehrsmessung des Navigationsherstellers TomTom. Macht über das Jahr 80 verlorene Stunden durch Stau – da ist Frust vorprogrammiert. Der Verkehrsdaten-Dienstleister INRIX weist zudem darauf hin, dass Fahrten in die Innenstadt in Frankfurt 2024 um 26 Prozent gestiegen sind – bundesweit Rang drei. Das sei unter anderem auf den Trend zur Rückkehr vom Homeoffice ins Büro zurückzuführen.
Nicht zu vergessen, dass Frankfurt ohnehin Deutschlands Pendlerhochburg ist und tagsüber zur Millionenmetropole anwächst, wenn rund 463 000 Arbeitskräfte in die Stadt strömen. Und während der Radverkehr 2024 – wahrscheinlich auch schlechtwetterbedingt – rückläufig war, erzielte der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) im RMV-Gebiet mit 825 Millionen Fahrgästen einen neuen Höchststand. Das hat das Monitoring des Regionalverbands FrankfurtRheinMain zusammengetragen.
Zu guter Letzt hat der ADAC Hessen-Thüringen eine beunruhigende Beobachtung gemacht: Im Verkehr geht‘s aggressiver zu. Betroffen seien durch die Bank alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Einen Grund sieht der Automobilclub hier in zunehmenden „Verteilungskonflikten“.
Im Klartext heißt das: Es gibt im Verkehr mehr von allem – und weniger Platz für den motorisierten Verkehr. Einen Gutteil trägt dazu die jüngste Umgestaltung von Hauptverkehrsstraßen zugunsten anderer Verkehrsträger bei. Oft entsteht so eine zusätzliche Verknappung des ohnehin knappen Raums: Fahrspuren werden durch Radwege ersetzt, aber ohne die Schaffung von Alternativen im ÖPNV. Das führt am Ende nicht zu weniger Autos, sondern zu mehr Stau, mehr Emissionen, mehr Stress im Gesamtsystem. Ein Ergebnis, das niemand wollen kann – und das wir uns schlicht nicht leisten können.

Wilhelm Bender © Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain / Kirsten Bucher
Denn der zentrale Punkt dabei ist: All das schadet unserem Wirtschaftsstandort. Frankfurt hat einen außergewöhnlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Standorten: kurze Wege und die herausragende Infrastruktur eines nationalen und internationalen Verkehrsdrehkreuzes. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten dürfen wir diesen enormen Pluspunkt nicht beschädigen, sondern sollten ihn aufwerten und ausbauen.
Der Schlüssel sollte in einem Perspektiv- und Politikwechsel liegen. Frankfurt ist keine Insel, sondern eine dynamische und pulsierende, eng verwobene Metropolregion. Mit Frankfurt als Gravitationszentrum umfasst sie weitere starke Städte wie Wiesbaden, Mainz, Darmstadt, Offenbach, Hanau, Aschaffenburg und charakteristische Landkreise. Die vielen Verflechtungen sorgen dafür, dass FrankfurtRheinMain jeden Tag über Bundesländergrenzen hinweg gelebt wird und gemeinsam prosperiert. Das zeigen auch die Verkehrsströme.
Dennoch wird verkehrspolitisch oftmals nur lokal gedacht und gehandelt. Die Summe der Einzelinteressen ergibt aber noch lange nicht das Gemeinwohl. Es gilt vielmehr, die unterschiedlichen Interessen und Mobilitätsbedürfnisse gleichwertig und gleichgewichtet anzuerkennen und diese in den Blick zu nehmen. Egal muss dabei sein, ob jemand aus Frankfurt-Bornheim oder Usingen kommt. Das Austarieren von Lasten und Vorteilen gehört zu den Kernaufgaben von Politik. Und daran muss sie sich messen lassen.
Gerade im Bereich Mobilität braucht es jetzt vor allem: Vernunft und Effizienz, Balance und Anreize, Vernetzung und gemeinsame regionale Schlagkraft.
Eine zukunftsweisende Verkehrspolitik stellt sich primär die Frage, wie sich eine effizientere und gleichzeitig umwelt- und klimaverträglichere Mobilität gestalten lässt. Sie setzt dabei auf moderne, intelligente, digitale Verkehrsmanagementsysteme und nutzt alle verfügbaren Möglichkeiten, die einer internationalen Metropolregion gerecht werden.
Eine ausbalancierte Verkehrspolitik macht es möglich, dass die verschiedenen Verkehrsträger dort zum Tragen kommen können, wo sie gebraucht werden und am besten passen – ohne einseitige Abwertung. So benötigen etwa Anliefer-, Handwerker- und Baustellenverkehre das Auto, während einpendelnde Fachkräfte und Kunden des Einzelhandels auf den Stau gerne verzichten, sofern es echte Alternativen gibt. Das heißt: positive Anreize schaffen. Durch inter- oder multimodale Verknüpfungen unterschiedlicher Verkehrsmittel. Durch die massive Ausweitung des ÖPNV-Angebots (zudem: sicher, zuverlässig und sauber) in und nach Frankfurt. Durch Quartiersgaragen, Bike + Ride- oder Park + Ride-Systeme und vieles mehr. Und vor allem durch den Blick über den Tellerrand.
Die allergrößte Aufgabe ist und bleibt es, Verkehr vernetzt zu denken und gemeinsam mit Frankfurt und den Umlandkommunen eine stimmige Strategie für die gesamte Region zu entwickeln – und umzusetzen. Viele Initiativen sind bereits geplant oder im Gange: Das Schienenprojekt Regionaltangente West nimmt mehr und mehr Formen an. Auch das Mega-Vorhaben Fernbahntunnel am Hauptbahnhof Frankfurt gehört dazu. Nicht zuletzt wurde im vergangenen Jahr die Riedbahnstrecke in Rekordzeit saniert. Und 2026 wird Terminal 3 des Frankfurter Flughafens eröffnet.

Ulrich Caspar © Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain / Kirsten Bucher
Die vorhandene Mobilitätsstrategie des Regionalverbands FrankfurtRheinMain bildet bereits eine wertvolle Grundlage. Sehr begrüßenswert ist zudem auf politischer Ebene, dass das Strategieforum FrankfurtRheinMain, in dem Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg zusammenkommen, ein bundesländerübergreifendes Mobilitätskonzept in Auftrag gegeben hat. Ziel muss ein schlagkräftiger „Zukunftsfahrplan FrankfurtRheinMain“ sein, der die gesamte Region in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Wenn alle Akteure ihren Beitrag leisten, insbesondere die Kommunen frühzeitig einbezogen werden, es kein „Von-oben-herab“ gibt und die gesamte Region FrankfurtRheinMain konsequent an einem Strang zieht, kann dies gelingen – auch wenn es politisch herausfordernd wird. Packen wir’s an.
Prof. Dr. Wilhelm Bender ist einer der Gründer und Wegbereiter der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain sowie heute ihr Ehrenvorsitzender – bis 2022 stand er dem Vorstand des führenden regionalen Business-Netzwerks vor. Von 1993 bis 2009 lenkte er die Geschicke des Frankfurter Flughafens als CEO von Fraport. Zudem war er fünf Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender von Eintracht Frankfurt und engagiert sich an vielen weiteren Stellen ehrenamtlich in der Region.
Ulrich Caspar ist seit 2019 Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain. Seit über 43 Jahren führt er als Unternehmer eine Immobilienunternehmensgruppe.
3. März 2025, 10.00 Uhr
Wilhelm Bender und Ulrich Caspar
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