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Glosse zur Bundestagswahl
Warum gibt es überhaupt noch Wahlplakate in Frankfurt?
Wenigstens ein Mindestmaß an Sinn und ästhetischem Anspruch erwartet unser Autor von Wahlplakaten. Ob ihm dieser bei seinem Spaziergang durch Frankfurt-Sachsenhausen untergekommen ist, erfahren Sie hier.
Die wichtigste Frage zuerst: Warum gibt es sie überhaupt noch? In früheren Zeiten, die ich noch erlebt habe, erschien es sicher ganz sinnvoll, auf Wahlplakaten einmal die Gesichter der Menschen sehen zu können, die sich in unseren Wahlkreisen darum bewerben, uns im Land- oder Bundestag zu vertreten. Aber heute, im digitalen Zeitalter? Ist das nicht eine riesige Verschwendung an Ressourcen, an Papier und Arbeitskraft? Schließlich müssen die Dinger erst auf- und dann auch wieder abgehängt werden? Das machen alles brave Parteimitglieder ehrenamtlich. Haben die so viel Zeit?
Wie auch immer: In knapp einer Woche ist Bundestagswahl, und die Laternenpfeiler in den Stadtteilen sind zugepflastert mit Wahlwerbung. Dass auf einem Format dieser Größe keine komplexen Botschaften zu erwarten sind, ist klar, aber wenigstens ein Mindestmaß an Sinn und ästhetischem Anspruch sollte eine Partei doch allein schon aus Imagegründen einhalten.
Wahlplakate in Frankfurt: ein Streifzug durch Sachsenhausen
Unternehmen wir doch mal einen Streifzug durch die Straßen. Es wird nicht lange dauern, und wir werden auf die definitiv absurdeste Botschaft des Jahres stoßen: „Keine Zusammenarbeit mit Nazis. Seit 1863“, so textet die SPD. Und sofort kommen bei den Älteren von uns Erinnerungen hoch an das Epochenjahr 1863, in dem die SPD begann, sich der aufkeimenden nationalsozialistischen Bewegung mutig entgegenzustellen. Das konnte all die schlimmen Dinge, die dann 70 Jahre später passiert sind, nicht verhindern, aber immerhin – einen Versuch war es wert.
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© CS
Dagegen, aber auch nur dagegen, ist der Auftritt der christdemokratischen Konkurrenz geradezu wohltuend dezent: Bild des Kandidaten, Name, Deutschlandumriss in schwarz-rot-gold links oben in der Ecke und ein kleiner Button, der die älteren und schon etwas vergesslichen Wähler (also die Zielgruppe) an den Wahltermin erinnert. Wenn schon, dann so.
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Die Linken wiederum, die ja gerade im demoskopischen Aufwind sind, glänzen entweder durch ulkige Wortspielchen („Ist Deine Heizung zu teuer, macht jemand richtig Kohle“), die geradewegs aus der Didi-Hallervorden-Witzeschule der frühen 1970er-Jahre kommen könnten. Oder mit Forderungen wie „Löhne hoch, Mieten runter“. Da wäre so ein Plakat zum Wünsche-Selbstausfüllen nett: „Mehr Freizeit, Champagner für alle“, zum Beispiel.
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In die gleiche Richtung geht auch die Botschaft des ehemaligen grünen Bundesvorsitzenden aus Frankfurt, der offenbar, warum auch immer, glaubt, auf den Sympathiefaktor setzen zu können: „Für Frieden und Eintracht“ ist da zu lesen. Ehrlich, geht’s noch anbiedernd flacher?
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Vielleicht nicht, aber noch absurder ganz sicher: Neben einem Bild von Sahra Wagenknecht findet sich die Zeile: „Unser Land verdient mehr Sicherheit.“ Nun könnte man mit dieser Frau ganz viele Dinge in Verbindung bringen, aber dass ausgerechnet das BSW für die Sicherheit Deutschlands stehen könnte, ist nicht unbedingt der allererste Gedanke.
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Was machen die Splitterparteien? Die FDP hat überraschenderweise die griffigsten Slogans („Mehr Wirtschaft. Weniger Zettel“), dafür sehen die dahintergelegten Fotos der Kandidaten etwa so aus, als hätte man sie mit einer Nagelschere aus einem Führerschein des Jahres 1965 herausgeschnitten.
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Und die Marxistisch-leninistische Partei Deutschland wirbt mit „Make Socialism great again“, wobei das „great“ extrem klein gedruckt ist. Auch das eine gestalterische Meisterleistung.
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Selbst mit großer Anstrengung habe ich in ganz Sachsenhausen kein AfD-Wahlplakat finden können. Stattdessen sprang mir beim Sonntagsspaziergang auf dem Sachsenhäuser Landwehrweg ein auf die Straße gesprühter Schriftzug ins Auge: „Alice für Deutschland“. Da das unmittelbar vor einer Grundschule war, gehe ich davon aus, dass hier Schulkinder am Werk waren und Alice im Wunderland meinten.
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Wie auch immer: In knapp einer Woche ist Bundestagswahl, und die Laternenpfeiler in den Stadtteilen sind zugepflastert mit Wahlwerbung. Dass auf einem Format dieser Größe keine komplexen Botschaften zu erwarten sind, ist klar, aber wenigstens ein Mindestmaß an Sinn und ästhetischem Anspruch sollte eine Partei doch allein schon aus Imagegründen einhalten.
Unternehmen wir doch mal einen Streifzug durch die Straßen. Es wird nicht lange dauern, und wir werden auf die definitiv absurdeste Botschaft des Jahres stoßen: „Keine Zusammenarbeit mit Nazis. Seit 1863“, so textet die SPD. Und sofort kommen bei den Älteren von uns Erinnerungen hoch an das Epochenjahr 1863, in dem die SPD begann, sich der aufkeimenden nationalsozialistischen Bewegung mutig entgegenzustellen. Das konnte all die schlimmen Dinge, die dann 70 Jahre später passiert sind, nicht verhindern, aber immerhin – einen Versuch war es wert.
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Dagegen, aber auch nur dagegen, ist der Auftritt der christdemokratischen Konkurrenz geradezu wohltuend dezent: Bild des Kandidaten, Name, Deutschlandumriss in schwarz-rot-gold links oben in der Ecke und ein kleiner Button, der die älteren und schon etwas vergesslichen Wähler (also die Zielgruppe) an den Wahltermin erinnert. Wenn schon, dann so.
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Die Linken wiederum, die ja gerade im demoskopischen Aufwind sind, glänzen entweder durch ulkige Wortspielchen („Ist Deine Heizung zu teuer, macht jemand richtig Kohle“), die geradewegs aus der Didi-Hallervorden-Witzeschule der frühen 1970er-Jahre kommen könnten. Oder mit Forderungen wie „Löhne hoch, Mieten runter“. Da wäre so ein Plakat zum Wünsche-Selbstausfüllen nett: „Mehr Freizeit, Champagner für alle“, zum Beispiel.
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In die gleiche Richtung geht auch die Botschaft des ehemaligen grünen Bundesvorsitzenden aus Frankfurt, der offenbar, warum auch immer, glaubt, auf den Sympathiefaktor setzen zu können: „Für Frieden und Eintracht“ ist da zu lesen. Ehrlich, geht’s noch anbiedernd flacher?
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Vielleicht nicht, aber noch absurder ganz sicher: Neben einem Bild von Sahra Wagenknecht findet sich die Zeile: „Unser Land verdient mehr Sicherheit.“ Nun könnte man mit dieser Frau ganz viele Dinge in Verbindung bringen, aber dass ausgerechnet das BSW für die Sicherheit Deutschlands stehen könnte, ist nicht unbedingt der allererste Gedanke.
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Was machen die Splitterparteien? Die FDP hat überraschenderweise die griffigsten Slogans („Mehr Wirtschaft. Weniger Zettel“), dafür sehen die dahintergelegten Fotos der Kandidaten etwa so aus, als hätte man sie mit einer Nagelschere aus einem Führerschein des Jahres 1965 herausgeschnitten.
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Und die Marxistisch-leninistische Partei Deutschland wirbt mit „Make Socialism great again“, wobei das „great“ extrem klein gedruckt ist. Auch das eine gestalterische Meisterleistung.
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Selbst mit großer Anstrengung habe ich in ganz Sachsenhausen kein AfD-Wahlplakat finden können. Stattdessen sprang mir beim Sonntagsspaziergang auf dem Sachsenhäuser Landwehrweg ein auf die Straße gesprühter Schriftzug ins Auge: „Alice für Deutschland“. Da das unmittelbar vor einer Grundschule war, gehe ich davon aus, dass hier Schulkinder am Werk waren und Alice im Wunderland meinten.
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17. Februar 2025, 10.15 Uhr
Christoph Schröder
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Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt. Mehr von Christoph
Schröder >>
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Podcast „Am Puls der Stadt“
Wie sicher ist es in Frankfurt?
In der fünften Folge unseres Podcasts „Am Puls der Stadt“ sprechen wir mit dem ehemaligen Leiter der Stadtpolizei, Matthias Heinrich, über die Sicherheit in Frankfurt.
Text: red / Foto: Symbolbild © Adobe Stock/EKH-Pictures
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20. Februar 2025
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