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„Wir brauchen Aktionen mit Symbolcharakter“
Die 1962 in Theheran geborene Künstlerin Parastou Forouhar lebt seit 1991 in Offenbach. Ihre Eltern, die zur oppositionellen Bewegung im Iran gehörten, wurden im Jahr 1998 vom iranischen Geheimdienst ermordet. Mit dem Journal spricht Parastou Forouhar über die Grüne Revolution und die Hoffnung für ihr Heimatland.
Journal Frankfurt: Die grüne Revolution im Iran hat im vergangenen Jahr eine große Aufmerksamkeit gefunden. Nun habe ich den Eindruck, dass das Thema aus den Medien wieder ein wenig verschwunden ist. Täuscht der Eindruck?
Parastou Forouhar: Nein, das stimmt wohl und ich bedauere es sehr. Ich hoffe aber sehr, dass die Menschen dauerhaft begreifen, dass eine solche Bewegung, die so massiv und mit großer Brutalität niedergeschlagen wurde, permanente Aufmerksamkeit und Unterstützung braucht, um den Menschen im Iran, die in Haft sitzen oder Repressalien ausgesetzt sind, zu zeigen, dass sie nicht alleine gelassen werden. Man muss mit Aktionen für die Präsenz dieses Themas sorgen.
Haben denn die Ereignisse im vergangenen Jahr im Iran selbst etwas verändert? Einen Wandel in der Mentalität?
Ich habe während meines langen Aufenthaltes im Iran im vergangenen Jahr beobachten können, dass sich das Bewusstsein stark verändert hat. Ein Prozess, der seit Jahren sozusagen unter der Haut der Gesellschaft schon vorhanden war, ist nun sichtbar geworden, ist Realität geworden. Man darf diese Realität nicht abreißen lassen. Der Protest darf nicht wieder als eine Fußnote in der iranischen Geschichte verschwinden. Die Menschen zehren noch immer von den Erlebnissen; sie dürfen sich das nicht vom Regime aus der Hand nehmen lassen.
Ihre Eltern sind 1998 in Teheran vom Geheimdienst ermordet worden. Seitdem fahren Sie jedes Jahr im November zum Gedenken in den Iran. Beim letzten Mal hat man Sie nicht wieder ausreisen lassen. Was ist dort passiert?
Ich bin zwei Wochen dort festgehalten worden. Als ich das Land verlassen wollte, hat man mir am Flughafen Ausreiseverbot erteilt. Ich musste zu der für Passangelegenheiten zuständigen Behörde gehen. Dort wurde mir mitgeteilt, dass vor dem Revolutionsgericht Anklage gegen mich erhoben worden sei. Kläger war der Geheimdienst. Der Grund dafür waren Interviews, die ich gegeben hatte. Ich wurde zu mehreren Verhören geladen. Man sagte mir, das Regime sei bisher sehr geduldig mit mir gewesen, so könne es aber nicht weiter gehen. Ich müsste mit harten Konsequenzen rechnen und einen hohen Preis für mein Verhalten zahlen. Ich sollte das Versprechen geben, nicht mehr so weiter zu machen. Ich erwiderte, dass ich eigentlich diejenige wäre, die sich ständig in großer Geduld übe und dass ich diejenige sei, die einen unvorstellbar großen Verlust hinnehmen musste. Die Klage wurde später fallengelassen.
Dessen ungeachtet werden Sie auch in diesem Jahr wieder in den Iran reisen?
Ja, ganz sicher.
Wie ist die Situation der oppositionellen Künstler im Iran? Tragen sie etwas nach außen, was Signalwirkung hat?
Die Kunstszene im Iran hat sich im Laufe der letzten Jahre enorm politisiert. Man setzt sich viel stärker mit gesellschaftlichen Themen auseinander und versucht, künstlerische Ausdrucksformen dafür zu finden. Es gab auch Ausstellungen oppositioneller Künstler im Ausland. Man versucht, jede kleine Öffnung zu nutzen. Es gibt eine vitale Galerieszene, die immer wieder regimekritische Arbeiten zeigen. Die sind natürlich den Schikanen der Zensurbehörde ausgesetzt. Ich selbst hatte während meiner letzten Reise auch nach langen Jahren wieder eine eigene Ausstellung in Teheran. Das war eine große Leistung und auch ein Wagnis der Galeristen.
Und wie sieht es mit der Vernetzung zwischen der Opposition im Iran und den Exilanten aus? Existiert ein Netzwerk? Und versucht das Regime, das zu unterbinden?
Als die Bewegung auf der Straße war, hat es eine weitreichende Kommunikation über diverse Kanäle gegeben, beispielsweise auch über facebook. Viele treten dort nicht unter ihrem eigenen Namen auf. Verschiedene EMail-Accounts wurden von der Geheimdienst ausspioniert; viele mussten sich neue Mailadressen zulegen. Man kommuniziert eher mit Decknamen; manchmal weiß man, wer sich dahinter verbirgt, manchmal auch nicht. Das ist ein nicht ganz durchschaubares Terrain, aber gerade diese Undurchsichtigkeit, die Anonymität ist auch ein Vorteil gegenüber dem Regime. Andererseits wird eben das natürlich auch ausgenutzt, um bestimmte Personen ausfindig zu machen oder zu kontrollieren.
Was kann man tun, um die Opposition im Iran außerhalb der staatlichen Ebene zu unterstützen?
Für mich ist es wichtig, dass nicht nur die politische, sondern auch die zivilgesellschaftliche Ebene sich zum Handeln aufgefordert sieht. Die Protestbewegung im Iran zielt auf universelle Werte, die in jeder Gesellschaft gültig sind: Politische Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit. Das Anliegen der Opposition ist allgemein nachvollziehbar. Wir brauchen Aktionen mit Symbolcharakter, um Verbundenheit und Lebendigkeit zu demonstrieren.
Am 14.3. findet um 12 Uhr in den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels die Solidaritätsveranstaltung „Künstler für den Iran“ statt, an der u.a. Parastou Forouhar, Eva Demski und Andreas Maier teilnehmen. Die Veranstaltung ist bereits ausverkauft; Restkarten gibt es an der Tageskasse.
Journal Frankfurt: Die grüne Revolution im Iran hat im vergangenen Jahr eine große Aufmerksamkeit gefunden. Nun habe ich den Eindruck, dass das Thema aus den Medien wieder ein wenig verschwunden ist. Täuscht der Eindruck?
Parastou Forouhar: Nein, das stimmt wohl und ich bedauere es sehr. Ich hoffe aber sehr, dass die Menschen dauerhaft begreifen, dass eine solche Bewegung, die so massiv und mit großer Brutalität niedergeschlagen wurde, permanente Aufmerksamkeit und Unterstützung braucht, um den Menschen im Iran, die in Haft sitzen oder Repressalien ausgesetzt sind, zu zeigen, dass sie nicht alleine gelassen werden. Man muss mit Aktionen für die Präsenz dieses Themas sorgen.
Haben denn die Ereignisse im vergangenen Jahr im Iran selbst etwas verändert? Einen Wandel in der Mentalität?
Ich habe während meines langen Aufenthaltes im Iran im vergangenen Jahr beobachten können, dass sich das Bewusstsein stark verändert hat. Ein Prozess, der seit Jahren sozusagen unter der Haut der Gesellschaft schon vorhanden war, ist nun sichtbar geworden, ist Realität geworden. Man darf diese Realität nicht abreißen lassen. Der Protest darf nicht wieder als eine Fußnote in der iranischen Geschichte verschwinden. Die Menschen zehren noch immer von den Erlebnissen; sie dürfen sich das nicht vom Regime aus der Hand nehmen lassen.
Ihre Eltern sind 1998 in Teheran vom Geheimdienst ermordet worden. Seitdem fahren Sie jedes Jahr im November zum Gedenken in den Iran. Beim letzten Mal hat man Sie nicht wieder ausreisen lassen. Was ist dort passiert?
Ich bin zwei Wochen dort festgehalten worden. Als ich das Land verlassen wollte, hat man mir am Flughafen Ausreiseverbot erteilt. Ich musste zu der für Passangelegenheiten zuständigen Behörde gehen. Dort wurde mir mitgeteilt, dass vor dem Revolutionsgericht Anklage gegen mich erhoben worden sei. Kläger war der Geheimdienst. Der Grund dafür waren Interviews, die ich gegeben hatte. Ich wurde zu mehreren Verhören geladen. Man sagte mir, das Regime sei bisher sehr geduldig mit mir gewesen, so könne es aber nicht weiter gehen. Ich müsste mit harten Konsequenzen rechnen und einen hohen Preis für mein Verhalten zahlen. Ich sollte das Versprechen geben, nicht mehr so weiter zu machen. Ich erwiderte, dass ich eigentlich diejenige wäre, die sich ständig in großer Geduld übe und dass ich diejenige sei, die einen unvorstellbar großen Verlust hinnehmen musste. Die Klage wurde später fallengelassen.
Dessen ungeachtet werden Sie auch in diesem Jahr wieder in den Iran reisen?
Ja, ganz sicher.
Wie ist die Situation der oppositionellen Künstler im Iran? Tragen sie etwas nach außen, was Signalwirkung hat?
Die Kunstszene im Iran hat sich im Laufe der letzten Jahre enorm politisiert. Man setzt sich viel stärker mit gesellschaftlichen Themen auseinander und versucht, künstlerische Ausdrucksformen dafür zu finden. Es gab auch Ausstellungen oppositioneller Künstler im Ausland. Man versucht, jede kleine Öffnung zu nutzen. Es gibt eine vitale Galerieszene, die immer wieder regimekritische Arbeiten zeigen. Die sind natürlich den Schikanen der Zensurbehörde ausgesetzt. Ich selbst hatte während meiner letzten Reise auch nach langen Jahren wieder eine eigene Ausstellung in Teheran. Das war eine große Leistung und auch ein Wagnis der Galeristen.
Und wie sieht es mit der Vernetzung zwischen der Opposition im Iran und den Exilanten aus? Existiert ein Netzwerk? Und versucht das Regime, das zu unterbinden?
Als die Bewegung auf der Straße war, hat es eine weitreichende Kommunikation über diverse Kanäle gegeben, beispielsweise auch über facebook. Viele treten dort nicht unter ihrem eigenen Namen auf. Verschiedene EMail-Accounts wurden von der Geheimdienst ausspioniert; viele mussten sich neue Mailadressen zulegen. Man kommuniziert eher mit Decknamen; manchmal weiß man, wer sich dahinter verbirgt, manchmal auch nicht. Das ist ein nicht ganz durchschaubares Terrain, aber gerade diese Undurchsichtigkeit, die Anonymität ist auch ein Vorteil gegenüber dem Regime. Andererseits wird eben das natürlich auch ausgenutzt, um bestimmte Personen ausfindig zu machen oder zu kontrollieren.
Was kann man tun, um die Opposition im Iran außerhalb der staatlichen Ebene zu unterstützen?
Für mich ist es wichtig, dass nicht nur die politische, sondern auch die zivilgesellschaftliche Ebene sich zum Handeln aufgefordert sieht. Die Protestbewegung im Iran zielt auf universelle Werte, die in jeder Gesellschaft gültig sind: Politische Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit. Das Anliegen der Opposition ist allgemein nachvollziehbar. Wir brauchen Aktionen mit Symbolcharakter, um Verbundenheit und Lebendigkeit zu demonstrieren.
Am 14.3. findet um 12 Uhr in den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels die Solidaritätsveranstaltung „Künstler für den Iran“ statt, an der u.a. Parastou Forouhar, Eva Demski und Andreas Maier teilnehmen. Die Veranstaltung ist bereits ausverkauft; Restkarten gibt es an der Tageskasse.
6. März 2010, 09.32 Uhr
Christoph Schröder
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