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Wildnis-Ausstellung in der Schirn
Wilde Schönheit
Mit „Wildnis“ gelingt der Schirn Kunsthalle eine faszinierende Ausstellung: Mensch und Natur prallen aufeinander, innerste Sehnsüchte werden sichtbar und die Resultate der menschlichen Zerstörungswut greifbar.
Wohl jeder kennt das Bild des Wanderers über dem Nebelmeer. In seinem vermutlich bekanntesten Gemälde hielt Caspar David Friedrich all die ureigenen Sehnsüchte und Ängste fest, die in jedem von uns ruhen. Während bei Friedrich der Mensch – einsam, aber doch erhaben – den Blick über nebelverhangene Berggipfel hinweg gen Horizont schweifen lässt, beherrscht bei Briton Rivière ein Eisbär eine wilde, arktische Landschaft. Das mächtige Tier wird zum König in einer Welt, in welcher der Mensch keinen Platz mehr hat. Das pittoreske, romantisch verklärte Werk ist eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass eben solche verlassenen Landschaften in der Realität praktisch nicht mehr existent sind. Rivières Vision von einer Welt, in welcher das Tier den Menschen überlebt, ist nicht eingetroffen. Stattdessen verschwinden nach und nach die letzten unberührten Erdflecken von der Landkarte; die zerstörerischen Spuren des Menschen sind nahezu überall zu finden.
Mit der Ausstellung „Wildnis“ wirft die Schirn Kunsthalle einen Blick auf das komplexe Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Die Gegenüberstellungen in der Schau sind ebenso gewagt wie gekonnt: Gerhard Richter trifft auf Henri Rousseau, Georgia O’Keeffe auf CoBrA, Helmut Middendorf auf Camille Henrot. Was wirr klingt, funktioniert erstaunlich gut, zeigt sich doch in diesen Aufeinandertreffen unterschiedlichster Epochen und Perspektiven, dass die Natur als Sehnsuchtsort den Menschen – insbesondere den Künstler – seit jeher beschäftigt. Bei Henri Rousseau überwältigt ein Löwe eine Antilope. Blut tropft über das sterbende Tier, am Horizont versinkt eine ebenso blutrote Abendsonne, in der dichten Dschungellandschaft lassen sich weitere Tiere ausmachen, die das Geschehen argwöhnisch beobachten. Rousseau schuf mehrere solcher Werke, ohne jemals selbst einen Dschungel gesehen zu haben. Ihm Gegenüber hängt Gerhard Richters durch eine Graslandschaft streifender Tiger. Auch Richter kam nie in den Genuss, eine solche Szene in der freien Natur beobachten zu dürfen.
Die unberührte, dem Menschen überlegene Natur ist ein zentrales Thema in der Kunst, das auch heute noch romantische Assoziationen hervorruft. Doch nicht nur der Blick nach Außen, in die Ferne ist von Relevanz, auch und vor allem die Wildnis in uns ist ein beliebtes und in der Ausstellung grandios dargestelltes Sujet. Besonders eindrücklich zeigen dies die Arbeiten der Künstlergruppe CoBrA. Das in der Nachkriegszeit europaweit agierende Bündnis machte die menschliche Innenwelt auf der Leinwand sichtbar. Spontan, expressiv, laut und bunt schreit es von den Wänden der Schirn in diesem Teil der Schau. In einem anderen wagt die Ausstellung einen Blick in die Zukunft und entwirft eine künstliche, postapokalyptische Wildnis, die entsteht, nachdem der Mensch die unberührte Natur, nach der er sich doch so sehnsüchtig verzehrt, vollkommen zerstört hat.
Der Besuch von „Wildnis“ lohnt sich. Die Ausstellung zeigt nicht nur eine Fülle herausragender (und wundervoll gehangener) Werke, sie öffnet den Raum für eine umfassendere Debatte, für den Blick auf eine Problematik, die jedem von uns bewusst sein sollte, aber dennoch allzu gern verdrängt wird. Ohne mahnenden Zeigefinger, dafür aber mit einem feinen Sinn für Ästhetik hält diese Schau einen Spiegel vor. „Wildnis“ konfrontiert uns mit unseren innersten Sehnsüchten, zeigt uns die Schönheit der Welt, in der wir leben und weckt so ganz sacht den Wunsch, nein, das dringende Bedürfnis, ebendiese Schönheit zu erhalten. Eine mehr als gelungene, intelligente Präsentation, mit der die Schirn ihre Stellung als eines der wichtigsten Ausstellungshäuser im deutschsprachigen Raum untermauert. Da kann man auch den ein oder anderen Schnitzer im Programm getrost verzeihen.
Mit der Ausstellung „Wildnis“ wirft die Schirn Kunsthalle einen Blick auf das komplexe Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Die Gegenüberstellungen in der Schau sind ebenso gewagt wie gekonnt: Gerhard Richter trifft auf Henri Rousseau, Georgia O’Keeffe auf CoBrA, Helmut Middendorf auf Camille Henrot. Was wirr klingt, funktioniert erstaunlich gut, zeigt sich doch in diesen Aufeinandertreffen unterschiedlichster Epochen und Perspektiven, dass die Natur als Sehnsuchtsort den Menschen – insbesondere den Künstler – seit jeher beschäftigt. Bei Henri Rousseau überwältigt ein Löwe eine Antilope. Blut tropft über das sterbende Tier, am Horizont versinkt eine ebenso blutrote Abendsonne, in der dichten Dschungellandschaft lassen sich weitere Tiere ausmachen, die das Geschehen argwöhnisch beobachten. Rousseau schuf mehrere solcher Werke, ohne jemals selbst einen Dschungel gesehen zu haben. Ihm Gegenüber hängt Gerhard Richters durch eine Graslandschaft streifender Tiger. Auch Richter kam nie in den Genuss, eine solche Szene in der freien Natur beobachten zu dürfen.
Die unberührte, dem Menschen überlegene Natur ist ein zentrales Thema in der Kunst, das auch heute noch romantische Assoziationen hervorruft. Doch nicht nur der Blick nach Außen, in die Ferne ist von Relevanz, auch und vor allem die Wildnis in uns ist ein beliebtes und in der Ausstellung grandios dargestelltes Sujet. Besonders eindrücklich zeigen dies die Arbeiten der Künstlergruppe CoBrA. Das in der Nachkriegszeit europaweit agierende Bündnis machte die menschliche Innenwelt auf der Leinwand sichtbar. Spontan, expressiv, laut und bunt schreit es von den Wänden der Schirn in diesem Teil der Schau. In einem anderen wagt die Ausstellung einen Blick in die Zukunft und entwirft eine künstliche, postapokalyptische Wildnis, die entsteht, nachdem der Mensch die unberührte Natur, nach der er sich doch so sehnsüchtig verzehrt, vollkommen zerstört hat.
Der Besuch von „Wildnis“ lohnt sich. Die Ausstellung zeigt nicht nur eine Fülle herausragender (und wundervoll gehangener) Werke, sie öffnet den Raum für eine umfassendere Debatte, für den Blick auf eine Problematik, die jedem von uns bewusst sein sollte, aber dennoch allzu gern verdrängt wird. Ohne mahnenden Zeigefinger, dafür aber mit einem feinen Sinn für Ästhetik hält diese Schau einen Spiegel vor. „Wildnis“ konfrontiert uns mit unseren innersten Sehnsüchten, zeigt uns die Schönheit der Welt, in der wir leben und weckt so ganz sacht den Wunsch, nein, das dringende Bedürfnis, ebendiese Schönheit zu erhalten. Eine mehr als gelungene, intelligente Präsentation, mit der die Schirn ihre Stellung als eines der wichtigsten Ausstellungshäuser im deutschsprachigen Raum untermauert. Da kann man auch den ein oder anderen Schnitzer im Programm getrost verzeihen.
7. November 2018, 12.27 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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